Deutsche Kreativität für Pariser Modewelt
Ein Sprint über den Teppich – und plötzlich läuft Chloé-Designerin Chemena Kamali auf den letzten Metern ihr kleiner Sohn in die Arme. Die Szene nach der ersten Show des Modehauses wird in den sozialen Netzwerken vielfach geteilt. Kein Wunder, emotionale Auftritte sind in der Luxusmodebranche rar gesät.
Kamalis Auftritt nach der Präsentation der Debütkollektion passt zu ihrer Geschichte. Für sie habe es immer nur ein Modehaus gegeben – das hat die deutsche Designerin mehrfach beteuert. Die 42-Jährige ist die neue Kreativchefin des französischen, 1952 von Gaby Aghion gegründeten Unternehmens Chloé – und genau da, wo sie immer hinwollte. Das Bekenntnis wirkt glaubhaft. Denn die gebürtige Düsseldorferin ist dem Modehaus, für das Karl Lagerfeld einst 20 Jahre lang tätig war und das zum Schweizer Luxuskonzern Richemont gehört, schon länger verbunden.
Als Studentin der Fachhochschule Trier absolvierte Kamali in der Avenue Percier, dem Hauptsitz von Chloé im achten Arrondissement von Paris, ihr erstes Praktikum. Danach setzte sie ihre Ausbildung in London am renommierten Saint Martins College fort und kehrte später wieder nach Paris zurück. Unter Phoebe Philo, Hannah MacGibbon und Clare Waight Keller, Kreativchefinnen der Marke Chloé, sammelte sie erste Berufserfahrungen. 2016 begann sie bei Anthony Vaccarello für Saint Laurent zu arbeiten, sie blieb sechs Jahre.
Im Herbst wurde schließlich verkündet, dass sie Nachfolgerin der US-Amerikanerin Gabriela Hearst sein würde. Mit der Deutschen kehrt nun eine Designerin zur französischen Marke zurück, die ihre Kollektionen emotional aufladen möchte. So wie in der Vergangenheit die Designerinnen Phoebe Philo oder Hannah MacGibbon. Sie entwarfen Mode, die sie selbst anziehen wollten. Und wurden selbst zu Stilvorbildern. Kamalis Rechnung könnte aufgehen. In ihrer Herbstkollektion treffen Volantkleider auf Westernfransen, Capes und lose Blusen, die Leichtigkeit bei Chloé scheint zurück.
Die deutschen Medien überschlagen sich bereits vor Begeisterung. Auch weil es seit Karl Lagerfeld keine deutsche Designspitze mehr in einem Pariser Luxushaus gegeben hat. Selbst die internationalen Medien reagieren erleichtert. Endlich besetzt eine Luxusmarke die Kreativspitze wieder mit einer Frau – zuletzt waren alle Topjobs an Männer vergeben worden.