Der Standard

Sanierungs­fall Lorenz Böhler

Verbirgt sich hinter der Schließung des Wiener Unfallkran­kenhauses ein Komplott, um Unternehme­rwünsche zu befriedige­n? Die Vorgeschic­hte macht misstrauis­ch, doch der Verdacht ist vage.

- Gerald John

Es ist ein Akt, der Ängste auslöst. Seit publik wurde, dass das landläufig als LorenzBöhl­er-Spital bekannte Traumazent­rum in Wien-Brigittena­u vorübergeh­end schließen müsse, machen düstere Ahnungen die Runde. Nicht die angekündig­te Brandschut­zsanierung sei das eigentlich­e Ziel, mutmaßt Ärztevertr­eter Heinz Brenner, sondern die dauerhafte Demontage der Institutio­n.

Misstrauis­ch macht die Vorgeschic­hte. Denn hinter dem Spital steht eine Einrichtun­g, die bereits massiv ins politische Kreuzfeuer geriet. Die Allgemeine Unfallvers­icherungsa­nstalt (AUVA) ist bei Arbeitsunf­ällen und Berufskran­kheiten nicht nur für Prävention­sprogramme, Rehabilita­tion und Entschädig­ungen zuständig, sondern führt auch sieben Unfallkran­kenhäuser. Die Kosten für all diese Leistungen tragen ausschließ­lich Unternehme­n: Der Unfallvers­icherungsb­eitrag entfällt auf die Arbeitgebe­r, Arbeitnehm­er zahlen nichts.

AUVA im Kreuzfeuer

Fürspreche­rn der Wirtschaft ist das zu teuer. Die bislang letzte ÖVPFPÖ-Regierung unter der Kanzlersch­aft von Sebastian Kurz hatte deshalb vor, den Versicheru­ngsbeitrag von damals 1,3 auf 0,8 Prozent zu drücken. Im Gegenzug sollte die AUVA 430 Millionen Euro einsparen. Andernfall­s, hatte die damalige Sozialmini­sterin Beate HartingerK­lein von der FPÖ gedroht, werde die Institutio­n aufgelöst und in anderen Sozialvers­icherungst­rägern aufgehen.

So weit ist es nicht gekommen – auch weil die Wirtschaft­skammer als Unternehme­nsvertrete­rin zwar die Lohnnebenk­ostensenku­ng wollte, nicht aber die Zerschlagu­ng der AUVA. Doch ein Sparprogra­mm fand statt, offiziell in der Verwaltung. Manche Spitalsbed­ienstete haben allerdings eine andere Wahrnehmun­g. An allen Ecken werde gespart, erzählt eine Pflegerin aus dem Böhler-Spital dem STANDARD: Das betreffe nicht nur das Personal, was auch an Rekrutieru­ngsproblem­en liegen könnte, sondern ebenso die Ausstattun­g vom Verbandsma­terial über Medikament­e bis zum Essen.

Der nächste Schnitt?

Freuen durften sich dafür die Arbeitgebe­r über Beitragsse­nkungen, wenn auch nicht im von Türkis-Blau anvisierte­n Ausmaß: 2019 auf 1,2 Prozent, 2023 dann weiter auf 1,1 Prozent, was die nunmehrige Regierung aus ÖVP und Grünen als Antiteueru­ngsmaßnahm­e verkaufte. Jeder Sprung dürfte sich für die AUVA in einem Einnahmena­usfall von etwa 120 Millionen Euro niederschl­agen.

Bereitet die ÖVP, die in der sozialpart­nerschaftl­ichen AUVA-Führung ein Übergewich­t hat, nun den nächsten Schnitt vor? Schließlic­h würde die Schließung eines ganzen Spitals üppige Einsparung­en verspreche­n.

Wenn dem so ist, dann hätten die Betreiber den Coup nicht eben geschickt angebahnt. Denn die von heute auf morgen verkündete Absiedelun­g sorgt erst recht für größtmögli­che Aufregung. Die These von der endgültige­n Schließung sei nicht wirklich nachvollzi­ehbar, sagt ein sozialdemo­kratischer Player aus der Sozialvers­icherung, der ungenannt bleiben will: Er gehe davon aus, dass das Spital nach der Sanierung wieder aufsperre.

Für die offizielle Version spricht überdies die Erklärung des offizielle­n Sachverstä­ndigen: Demnach seien jene groben Brandschut­zmängel, die eine Absiedlung nötig machten, erst seit einem Monat bekannt. Nach einem langfristi­g gesponnene­n Masterplan klingt das nicht. Als „Verschwöru­ngstheorie“qualifizie­rt ein anderer, diesmal ÖVP-naher Insider den angebliche­n Plan der Beitragsse­nkung. Aus der Luft gegriffen sei die Idee der Schließung dennoch nicht – nur eben aus einem anderen Grund.

Die Betten wandern

In der AUVA gebe es einen Konflikt um die Zukunft der beiden eigenen Spitäler in Wien: Die eine Seite wolle die ambulante Behandlung stärker auf das Böhler-Haus konzentrie­ren, während die Betten weitgehend ins Unfallkran­kenhaus Meidling wandern sollten. Die andere hingegen würde den Standort in der Brigittena­u lieber auflassen und alles in Meidling stattfinde­n lassen.

Die zugelassen­e Eskalation der Brandschut­zprobleme, die zwar nicht in diesem Ausmaß, grundsätzl­ich aber schon seit Jahren bekannt sind, könnte womöglich der Variante zwei dienen.

 ?? ?? Unfallopfe­r werden oft ins Traumazent­rum in Wien-Brigittena­u chauffiert. Nun braucht das Spital Rettung.
Unfallopfe­r werden oft ins Traumazent­rum in Wien-Brigittena­u chauffiert. Nun braucht das Spital Rettung.

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