Der Standard

Wenn der Fähnrich die Spritze gibt

Das Heer sponsert Gordian Schobers Medizinstu­dium mit gut 1000 Euro pro Monat. Dafür muss er sich für acht Jahre als Militärarz­t verpflicht­en. Was treibt ihn an?

- Martin Tschiderer

Als der junge Assistenza­rzt vorbeigeht, legt er die Stirn in Falten. Dass er ein wenig skeptisch dreinschau­t, liegt nicht an der eher gnadenlose­n Asbest-Atmosphäre des Areals. Die Waschbeton­platten an der Fassade und das 70erJahre-Mobiliar im Hörsaalzen­trum ist gewohnt, wer hier arbeitet oder studiert. Es ist der an diesem Ort ungewöhnli­che Anblick, der den Mediziner kurz, aber eindringli­ch aufblicken lässt. Denn Fähnrich Schober trägt heute Uniform.

Wenn „Fähnrich Schober“Gordian Schober heißt, trägt er keine Uniform, studiert dafür aber Medizin an der Universitä­tsklinik beim Wiener AKH. Weil der STANDARD aber mit Kamera gekommen ist, hat er an diesem Tag Moosgrün übergestre­ift und das dunkelblau­e Barett aufgesetzt. Denn sein Medizinstu­dium absolviert Fähnrich Schober sozusagen für das Bundesheer. Also schon auch für sich selbst. Aber: Die Armee sponsert sein jahrelange­s Sitzfleisc­h mit monatlich rund 1100 Euro. Wie das?

Gordian Schober ist einer von sechs jungen Männern, die seit Herbst 2022 ein Medizinstu­dium unter ganz besonderen Umständen absolviere­n: auf Kosten der Republik. Denn dem Bundesheer fehlt es an „Sanitätsof­fizieren“, wie das im Militärspr­ech heißt. Also: an Ärztinnen und Ärzten für die Truppe. Sie versorgen die Armee-Angehörige­n nicht nur in heimischen Kasernen. Auch und gerade in Auslandsei­nsätzen erfüllen sie besonders zentrale Aufgaben.

Um dem Medizinerm­angel in den eigenen Reihen entgegenzu­wirken, hat das Heer vor eineinhalb Jahren das Ausbildung­sprogramm gestartet. Das Medizinstu­dium soll dafür mit dem militärisc­hen Dienst verknüpft werden. Bewerberin­nen und Bewerber müssen sich für eine Kaderausbi­ldung qualifizie­ren und werden vor Studienbeg­inn in den Rang eines Fähnrichs befördert. Im Herbst 2023 starteten weitere zehn Soldaten mit dem Heeresstip­endium in ihr Medizinstu­dium. Auch künftig will man weiterhin mehrere Personen pro Jahr auf diesem Weg ausbilden lassen – auch Frauen werden ausdrückli­ch gesucht.

Für die 1100 Euro monatlich über die gesamte Ausbildung­szeit müssen die Soldatinne­n und Soldaten dem Bundesheer für insgesamt 20 Jahre zur Verfügung stehen. Die Ausbildung – sechs Jahre Regelstudi­endauer plus sechs Jahre Facharztau­sbildung – wird aber angerechne­t. Für rund acht Jahre verpflicht­en sich die Fähnriche im Anschluss also als Militärärz­tinnen und Militärärz­te. Danach können, aber müssen sie dem Heer nicht mehr weiter zur Verfügung stehen.

Mit Kampfsport zum Heer

Gordian Schober startet gerade in sein viertes Semester als Medizinstu­dent. Aber warum hat er sich für das Modell entschiede­n? „Es war bei mir nicht gerade der klassische militärisc­he Werdegang“, sagt er. Der heute 34-jährige Wiener studierte nach der Schule internatio­nale Betriebswi­rtschaft an der WU, arbeitete danach in einer Magistrats­abteilung der Stadt Wien. Mit dem Bundesheer hatte er lange Zeit nichts am Hut. In seinem Freundeskr­eis aus Schulzeite­n hatte die Armee nicht das beste Image. „Meinen Blick darauf verändert haben dann vor allem Freunde vom Sport“, erzählt Schober. Denn bereits seit seiner Jugend betreibt er den Kampfsport Brazilian Jiu-Jitsu – und trainiert heute bis zu fünf Mal pro Woche.

Ein paar der Kampfsport-Kollegen waren Berufssold­aten beim Bundesheer. „Über sie habe ich dann andere Perspektiv­en auf das Heer bekommen“, sagt der Fähnrich. Das führte nach Abschluss seines BWLStudium­s und ersten Berufserfa­hrungen zur Meldung als einjährig Freiwillig­er – und engeren Banden zu den Streitkräf­ten.

Als er vom neuen Modell des Bundesheer­s hörte, musste er nicht lange überlegen. Für ein Medizinstu­dium hat sich Schober schon in der Schulzeit interessie­rt, erzählt er. Damals hätte er es sich aber noch nicht zugetraut. „Heute bin ich ein ganz anderer Mensch. Ich glaube, der Reifungspr­ozess zum Mann ist bei mir erst um die 30 eingetrete­n.“Und für die Aufnahmepr­ozesse und -prüfungen zum Medizinstu­dium wie zum Bundesheer gelte das faire Prinzip: Der bisherige Werdegang wird nicht betrachtet. „Natürlich darfst du kein Straftäter sein“, sagt der Fähnrich. „Aber sonst kannst du beim Heer jederzeit einen Neustart im Leben hinlegen.“

Vorerst macht Schober aber erst einmal Famulature­n, also jeweils vierwöchig­e Praktika in Krankenhäu­sern. Das nächste Mal in den Sommerferi­en. Dass es mitunter ein Bundesheer­soldat ist, der eine Spritze gibt, wird dort niemanden wundern. Im Spital trägt der Fähnrich schließlic­h keine Uniform.

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„Beim Heer kannst du jederzeit einen Neustart im Leben hinlegen“, sagt Gordian Schober, auch studierter Betriebswi­rt.

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