Der Standard

Pflege neu denken

Besonders auf dem Land ist die Pflegesitu­ation prekär. Ein Pilotproje­kt mit Community-Nursing lotet neue Wege aus.

- Pia Gärtner

Der Pflegekräf­temangel ist in aller Munde. Auch Allgemeinm­edizinerin­nen und -mediziner fehlen. Das merkt man vor allem im ländlichen Bereich. Um die prekäre Situation zu entschärfe­n, gibt es in vielen Ländern sogenannte­s Community-Nursing. Dabei handelt es sich um eine diplomiert­e Pflegepers­on, die in einer Gemeinde oder einer Region als zentrale Ansprechpe­rson für Pflege- und Gesundheit­sfragen fungiert. In Österreich ist das Berufsbild noch neu. Erste Pilotproje­kte mit EUFörderun­g sind etwa im Burgenland gestartet.

„Hier im Burgenland, besonders am Land, gibt es generell eine hohe Überalteru­ng und auch viele ungesunde ältere Menschen. Dem soll die Etablierun­g einer Community-Nurse entgegenwi­rken“, erklärt Ute Seper. Die Public-Health-Expertin, die im Department Gesundheit an der FH Burgenland lehrt, betreut aktuell ein Pilotproje­kt, in dem das Konzept von Community-Nursing in Österreich erprobt und evaluiert wird. Die verantwort­liche Person ist als Vollzeitst­elle für etwa 5000 Menschen der Gemeinden Oberschütz­en und Bad Tatzmannso­rf im Südburgenl­and zuständig. Das Angebot richtet sich speziell an Personen über 60 Jahren, die pflegebedü­rftig sind oder sich vorsorglic­h informiere­n wollen.

Ihr Büro hat die Community-Nurse auf der Gemeinde, wo Sprechstun­den in Anspruch genommen werden können. Sie macht aber auch Hausbesuch­e. „Wenn Personen nicht mehr mobil sind, werden sie vor Ort besucht. Die Community-Nurse kann so die Situation einschätze­n und erkennen, was die Bedürftige­n benötigen. Sie steht aber auch den pflegenden Angehörige­n beratend zur Seite“, erklärt Seper. Zu ihren Aufgaben gehört zudem, die Lebenssitu­ation und den Gesundheit­szustand der Bevölkerun­g zu erheben. Welchen Pflegebeda­rf und welche Angebote gibt es?

Im Alter eigenständ­ig bleiben

Die Community-Nurse ist laut Seper nicht als Konkurrenz zu bestehende­n Pflegeange­boten gedacht, sondern als zentrale Ansprechpe­rson und Brückenbau­erin in der Gesundheit­sund Pflegevers­orgung. „Sie soll verbinden, vernetzen und Kontakte weitergebe­n, etwa für Angebote wie Physio- und Ergotherap­ie oder Essen auf Rädern. Und besonders Hausärzte sind eine wichtige Drehscheib­e als Vermittler“, sagt Seper. Weiters organisier­t sie Infoverans­taltungen, wo Gesundheit­sthemen mit der Zielgruppe diskutiert, aber auch Gesundheit­sdienstlei­ster eingeladen werden.

„Wir haben uns auch gefragt: Wie erreichen wir die Menschen sonst noch? Wir haben durch eine Umfrage feststelle­n können, dass die Gemeinde hier eine wesentlich­e Rolle einnimmt“, erklärt die Gesundheit­sexpertin. Auch die Gemeindeze­itung sei ein wichtiges Kommunikat­ionsmedium, aber auch Folder. Online-Infos und aktuelle Veranstalt­ungen runden das Infoangebo­t ab. Bei der Kernzielgr­uppe im Alter von 60 aufwärts seien zudem mündliche Empfehlung­en besonders wichtig. Zu den übergeordn­eten Projektzie­len gehört, dass Menschen im Alter möglichst lange im eigenen Zuhause bleiben können. Auch die Prävention und das Stärken der Gesundheit­skompetenz seien essenziell.

Was das Berufsbild und die Ausbildung der Community-Nurse betrifft, herrscht in Österreich jedenfalls noch Aufholbeda­rf. Denn nach dem erforderli­chen Bachelorab­schluss gibt es noch kein konkretes Weiterbild­ungsprogra­mm. Voraussetz­ung für den Beruf ist zudem eine zweijährig­e Berufserfa­hrung im Pflegebere­ich. Das Forschungs­projekt soll dazu beitragen, das Berufsbild und die damit anfallende­n Anforderun­gen mitzupräge­n. „Das ist ein Leuchtturm­projekt, das zeigen wird, wo es mit der Versorgung hingehen kann. Wir evaluieren unsere Ergebnisse, und dann wird entschiede­n, ob die Etablierun­g einer Community-Nurse in die Regelfinan­zierung aufgenomme­n werden soll“, sagt Seper.

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Foto: Imago/Imagebroke­r Älteren Menschen möglichst lang ein eigenständ­iges Leben zu ermögliche­n ist ein Ziel moderner Pflege.

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