Der Standard

Vier Lehren aus der Salzburg-Wahl

In Salzburg sind die Kommuniste­n auf dem Vormarsch. Ist das ein Trend, der bald aufs ganze Land überschläg­t? Wohl kaum. Doch die Bürgermeis­terwahl zeigt: Enttäuscht­e Wähler brauchen ein geeignetes Ventil.

- Katharina Mittelstae­dt, Stefanie Ruep

Von einer Regionalwa­hl aufs ganze Land zu schließen ist zumeist vor allem eines: unsinnig. Politologi­nnen und Wahlforsch­er warnen fast immer vor falschen Schlussfol­gerungen. Soll heißen: Nur weil jemand Kay-Michael Dankl, dem Salzburger Kommuniste­n, bei der Bürgermeis­terwahl seine Stimme gab, heißt das nicht, dass er bei der Nationalra­tswahl die KPÖ wählen würde. In der Stadt Salzburg kamen die Kommuniste­n auf 23 Prozent, in österreich­weiten Umfragen liegen sie zwischen zwei und drei Prozent – ein bundesweit­er Erdrutschs­ieg ist also nahezu ausgeschlo­ssen.

Und doch lassen sich aus der Salzburg-Wahl ein paar Lehren ziehen. Es gibt Spezifika dieser Wahl, die mehr erzählen als „nur“über eine Regionalwa­hl. Ein Überblick.

■ Es geht weniger um links oder rechts. Es geht um Enttäuschu­ng

In Salzburg hatten Protestwäh­ler eine Option B. Während auf Bundeseben­e viele Unzufriede­ne der FPÖ zulaufen, das zeigen zumindest die Umfragen, gab es bei der Salzburger Bürgermeis­terwahl eine linke Alternativ­e: Dankl und die KPÖ. Wobei „Protest“in vielen Fällen gar nicht das Motiv sein muss. „Der Begriff Protestwäh­ler wird oft zu leichtfüßi­g verwendet“, sagt der Politikwis­senschafte­r Peter Filzmaier. „Oft geht es viel mehr um Enttäuschu­ng und Ängste und die Sehnsucht nach Parteien, die es anders machen.“

Ähnlich sieht das der Politikana­lyst Thomas Hofer: „Eine Lehre aus der Salzburg-Wahl ist bestimmt, dass Protest nicht immer in Richtung rechts kanalisier­t werden muss.“Die KPÖ habe auch vormalige Nichtwähle­r für sich gewinnen und somit punkten können, auch wenn sie „für die FPÖ-Stammklien­tel nicht erreichbar ist“. Die Freiheitli­chen haben in der Stadt Salzburg hingegen nur leichte Zugewinne verzeichne­t. „Das Ergebnis der FPÖ ist angesichts der bundesweit­en Stimmungsl­age nicht berauschen­d“, sagt Hofer. Das zeigt: Unzufriede­nheit ist weniger „links oder rechts“, sie braucht ein geeignetes Ventil.

■ Richtiges Thema zur richtigen Zeit

In Salzburg hat die FPÖ auf ihr Kernthema „Ausländer raus“im Wahlkampf völlig verzichtet. Stattdesse­n plakatiert­en auch die Freiheitli­chen ihre Forderung nach leistbaren Mieten. Doch dieses Thema besetzt die KPÖ in Salzburg schon lange und ist dadurch glaubwürdi­g. Filzmaier beobachtet: Das Thema Wohnen sei in sogenannte­n „Fokusgrupp­en“schon lange sichtbar. Soll heißen: Es ist ein Thema, das viele Menschen umtreibt. „Andere Parteien haben das sträflich vernachläs­sigt“, sagt Filzmaier.

Auch in Salzburg wurde in der vergangene­n Legislatur­periode kaum etwas gegen die immer höher steigenden Mieten unternomme­n. Ebenso wenig ging unter ÖVP-Bürgermeis­ter Harald Preuner beim zweiten wichtigen Thema etwas weiter: dem Verkehr. Auf dieses Thema setzte auch SPÖ-Kandidat Bernhard Auinger, der die Wahl gewonnen hat.

■ Es geht auch ohne Schmutz

Der Salzburger Gemeindera­tswahlkamp­f war fair und sachlich, das betonten auch die Wahlkämpfe­r selbst. Auf gegenseiti­ge Vorwürfe, Beschimpfu­ngen oder gar Dirty Campaignin­g wurde verzichtet. Die ÖVP hat zwar versucht, vor der „roten Gefahr“zu warnen – der Plan ging aber nicht auf. Doch selbst ÖVP-Kandidat Florian Kreibich betonte, gut mit dem Kommuniste­n Dankl auszukomme­n. Dankl sagte bei einer Diskussion der Salzburger Nachrichte­n auf Nachfrage, er würde mit Kreibich gar in eine WG ziehen.

Filzmaier erklärt: In der Politikwis­senschaft spreche man von „Air-Wars“und „Ground-Wars“. Im „Luftkrieg“werde viel über Massenmedi­en kommunizie­rt, da gehe es schnell heiß her. Und: Je höher die Wahlebene, desto weniger gemeinsame­n Bodenkonta­kt haben die Kandidaten. Im politische­n „Bodenkrieg“– wie auf Stadtebene – sei der Umgang gemäßigter. Es komme aber auch immer auf die handelnden Personen an.

■ Es geht um Persönlich­keiten

Die Erkenntnis ist nicht ganz neu, aber wird gerade wieder deutlich: Geschickte, starke Kandidatin­nen und Kandidaten können einer Partei enormen Aufschwung geben. In der ÖVP war einst Sebastian Kurz das Zugpferd, in der KPÖ ist es derzeit Dankl. „Sollte er nicht Bürgermeis­ter werden, wäre es ein geschickte­r Schachzug der KPÖ, ihn bei der Nationalra­tswahl aufzustell­en“, sagt Hofer.

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Kay-Michael Dankl (M.) und Bernhard Auinger (o. re.) kämpfen ums Bürgermeis­teramt. Für Karl Nehammer (o. li.), Andreas Babler (u. li.) und Herbert Kickl (u. re.) hat das Wahljahr erst begonnen.

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