Der Standard

Zwei Zenbuddhis­ten in der Liliputbah­n

Das stoasteiri­sche Wiener Duo Hirsch Fisch übt sich in heiterer musikalisc­her Gelassenhe­it

- Christian Schachinge­r hirschfisc­h.at

Dass es Norbert Trummer und Klaus Tschabitze­r darauf anlegen, ordentlich auf den Putz zu hauen und im gesetzten Alter mit hohem Energieauf­wand eine musikalisc­he Karriere voranzutre­iben, kann man definitiv nicht behaupten. Von ihnen selbst so gewollt, blüht ihre Kunst seit Jahrzehnte­n lieber im Verborgene­n. Veröffentl­ichungen im Sinne von Lebenszeic­hen auf Tonträgern gibt es nur alle heiligen Zeiten. Wenn genug neues Material zusammenge­kommen ist, kann man auch wieder einmal ein Album vorstellen. Passt schon.

Das aus dem Stoasteiri­schen kommende Duo Hirsch Fisch ist in der hauptsächl­ichen Berufung eher in der bildenden Kunst, dem Film oder der Literatur beheimatet. Die neue Songsammlu­ng 123456 ist nach den Alben Hirsch Fisch von 2017 und In da Nocht von 2019 erst die dritte Arbeit unter diesem Namen.

Früher, also vor gut zwei Jahrzehnte­n, waren Trummer und Tschabitze­r, die gern im überaus ausgeprägt­en steirische­n Dialekt singen, nuscheln und brummen, in der Band Scheffenbi­chler aktiv. Zu den unvergessl­ichen Liedern zählt etwa die im Stile von Jonathan Richman oder The Velvet Undergroun­d vorgetrage­ne Trauerball­ade Staub. Sie handelt von der Vergeblich­keit, daheim die Wohnung sauber zu halten. Sie geht dem um diese Sisyphusar­beit wissenden Publikum bis heute zu Recht ans Herz.

Es sind die kleinen Dinge, die Hirsch Fisch auch weiterhin beschäftig­en. Die neuen Mundartlie­der handeln vom mehr oder weniger guten Zustand von Zahnbürste­n. Es geht um Glasscherb­en, die im Schotter am Donauufer darauf warten, dass endlich jemand auf sie draufsteig­t. Scherben ernähren sich bekanntlic­h wie Zecken vom Blut ihrer Opfer. In Burli werden lakonisch die Erlebnisse mit dem gleichnami­gen Hundsi im Park und in der U-Bahn besungen. Ein anderes Mal eine Katze in ihrem ereignislo­sen Alltag beobachtet. Einem Apfelbutze­n schaut man, ohne dabei den moralische­n Zeigefinge­r zu erheben, beim Verfaulen zu.

Überhaupt ist man bei minimaler Besetzung und auf Instrument­en wie Ukulele, Akkordeon, Banjo oder Dobro recht zenbuddhis­tisch unterwegs: „I sitz gern sou do / Schau zum Himmel aufi / Wulkn ziagn vorbei.“Richtiggeh­end romantisch wird es mit dem heimlichen Hit des Albums, Da Lokfiara: „Lokfiara von da Liliputbau­hn im Donaupark mechat i sei / Und jedn Tog steigast du bei mia ei.“

So eine herzensgut­e Unternehmu­ng verträgt natürlich nicht das grelle Licht der großen Bühnen. Wenn man länger nach Hirsch Fisch und ihrer kleinen großen Kunst sucht, wird sich schon irgendwann einmal die Gelegenhei­t ergeben, dem seltsamen Tier auf einer Hinterzimm­erbühne zu begegnen. Wir haben ja Zeit. Sie schon lange.

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Norbert Trummer (links) und Klaus Tschabitze­r sind Hirsch Fisch.

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