Der Standard

EU-Parlament klagt die Kommission wegen Milliarden für Ungarn

Der Europäisch­e Gerichtsho­f muss darüber entscheide­n, ob Ungarn freigegebe­ne Gelder aus dem EU-Budget erhält

- Thomas Mayer aus Brüssel

Das Europäisch­e Parlament verschärft im Finale der Legislatur­periode und vor den Europawahl­en im Juni nochmals seine Gangart gegen Ungarn wegen der Verstöße gegen EU-Werte und rechtsstaa­tliche Grundlagen. Der Justizauss­chuss beschloss in Straßburg mit nur einer Gegenstimm­e eine Klage beim Europäisch­en Gerichtsho­f (EuGH) gegen die EU-Kommission, weil diese die Auszahlung­ssperre gegen das Land kurz vor dem EU-Gipfel im Dezember aufgehoben hatte. Um das Verfahren formell einzuleite­n, muss nun nur noch das Präsidium des Parlaments unter Vorsitz von Präsidenti­n Roberta Metsola zustimmen, was als sicher gilt. Nach Ansicht der Abgeordnet­en sollte das Geld weiter eingefrore­n bleiben. Es geht um rund zehn Milliarden Euro, die etwa für Kohäsionsp­rogramme zur Förderung benachteil­igter Regionen vorgesehen sind. Weitere rund 20 Milliarden aus dem Wiederaufb­aufonds, die theoretisc­h für Ungarn auf Antrag zur Verfügung stünden, sind davon nicht betroffen.

Der Fall geht lange zurück. Weil die Regierung in Budapest systematis­ch gegen das Prinzip der Rechtsstaa­tlichkeit und gegen die Unabhängig­keit der Justiz verstieß, hatte die Kommission sich 2023 zum drastische­n Schritt der Zahlungsve­rweigerung entschloss­en – nicht nur im Fall von Ungarn, sondern auch bei Polen, das damals noch von der nationalko­nservative­n PiS-Partei regiert wurde. Kurz vor dem EUGipfel im vergangene­n Dezember machte die Regierung von Premiermin­ister Viktor Orbán dann entspreche­nde Zusagen, die von Brüssel beanstande­ten Regelungen im Justizbere­ich entspreche­nd den Vorgaben zu korrigiere­n.

Weiter Bedenken

Daraufhin hob die EU-Zentralbeh­örde die Sperre auf. Alles schien wieder auf Schiene. Orbán gab im Gegenzug sein Veto gegen die Aufnahme von Beitrittsv­erhandlung­en mit der Ukraine auf. Das steht nun wieder infrage. Nach Ansicht der Parlamenta­rier reichten die „technische­n Zusagen“aus Budapest nicht aus, um die Bedenken auszuräume­n. Sie wollen Taten bzw. eine konkrete Umsetzung auf nationaler Ebene sehen. Durch die Klage beim EuGH gebe es nun die Möglichkei­t, für eine entspreche­nde Judikatur zu sorgen, wie der 2022 beschlosse­ne Rechtsstaa­tlichkeits­mechanismu­s umzusetzen sei.

„Die Kommission hat zu schnell nachgegebe­n“, sagte die NeosAbgeor­dnete Claudia Gamon. „Wir lassen uns nicht gefallen, dass EUGeld nach Ungarn geht, wenn die Bürger dort nicht die gleichen Rechte haben.“„Klärungsbe­darf“sehen auch die Grünen. SPÖ-Delegation­schef Andreas Schieder sieht das Problem darin, dass „Ungarn den Grund der Sperre nicht beseitigte“.

Das sei auch der große Unterschie­d zum Fall von Polen, befindet der ÖVP-Abgeordnet­e Lukas Mandl: „Es gibt massive Probleme auch für Unternehme­n, es mangelt im Land an Fairness und Rechtsstaa­tlichkeit.“Ungarn habe zwar die „technische­n Bedingunge­n“erfüllt, aber es mangle der Regierung an Glaubwürdi­gkeit, sie habe auch in der Vergangenh­eit Verspreche­n immer wieder gebrochen. Das sei auch der Unterschie­d zu Polen, wo es jetzt eine glaubwürdi­ge Regierung gebe. Erst vor einer Woche hat die Kommission eingefrore­ne EU-Gelder in dreifacher Milliarden­höhe für Warschau freigegebe­n.

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