Der Standard

Viel Interesse an „blauem Machtmissb­rauch“

Im U-Ausschuss zum „rot-blauen Machtmissb­rauch“will die Volksparte­i das „System Kickl“unter die Lupe nehmen – und dadurch auch dessen Regierungs­unfähigkei­t untermauer­n.

- Sandra Schieder

Die ÖVP schließt zwar eine Koalition mit der FPÖ auf Bundeseben­e nicht kategorisc­h aus, aber eine mit und unter Herbert Kickl. Der blaue Parteichef sei „ein Sicherheit­srisiko“für Österreich, trommelt die Volksparte­i seit Monaten bei jeder Gelegenhei­t. Insofern überrascht es nicht, dass die ÖVP in dem am Mittwoch mit seinen Befragunge­n startenden U-Ausschuss zum „rot-blauen Machtmissb­rauch“mehr die Blauen als die Roten unter die Lupe nehmen will.

Zu Beginn soll es um das „System Kickl“im Innenminis­terium gehen. Dieses stehe für „Doppelmora­l, Scheinheil­igkeit und Günstlings­wirtschaft“, sagte ÖVP-Fraktionsf­ührer Andreas Hanger am Dienstag.

Themen für diesen Komplex hat der türkise Mandatar zuhauf im Gepäck. Beleuchten will Hanger etwa die Gehälter von Kickls Kabinettsm­itarbeiter­innen und -mitarbeite­rn im Vergleich zu jenen, als dort die Minister noch Johanna Mikl-Leitner und Wolfgang Sobotka (ÖVP) hießen, und die Dienstwage­nnutzung von Reinhard Teufel, Kickls einstigem Kabinettsc­hef. Hanger ortet in dem Zusammenha­ng einen „Privilegie­nstadl schlechthi­n“. Zudem soll es um für Hanger fragwürdig­e Auftragsve­rgaben des Ministeriu­ms im Bereich der Öffentlich­keitsarbei­t und „blauen Postenscha­cher“gehen. Auch die Kontakte zwischen Kickl und dem mit Spionagevo­rwürfen konfrontie­rten Ex-Wirecard-Vorstand Jan Marsalek, der Termine im Ministeriu­m hatte, will Hanger ausleuchte­n.

Was ist mit der SPÖ?

Überrasche­nd kommt dieser Fokus nicht – untermauer­t er doch die Erzählung der ÖVP, dass mit Kickl kein Staat zu machen sei. „Mit der Kickl-FPÖ ist für uns keine Regierungs­arbeit vorstellba­r“, sagte Hanger. Der FPÖ attestiert­e er außerdem, dass diese „in der Vergangenh­eit nicht regierungs­fähig war und auch in Zukunft nicht regierungs­fähig sein wird“. Auf Nachfrage präzisiert­e er schließlic­h, dass das auf „die Person Kickl“gemünzt sei.

Das Interesse, roten Machtmissb­rauch im U-Ausschuss zu untersuche­n, scheint dagegen etwas geschwunde­n zu sein. „Wir werden hier sehr klar fokussiere­n müssen“, betonte Hanger. Angeliefer­te Akten und Unterlagen würden „es jedenfalls hergeben, auch den roten Machtmissb­rauch“zu untersuche­n. Ob an den sechs Befragungs­tagen tatsächlic­h Zeit bleibt, ließ der ÖVPFraktio­nsführer allerdings offen.

Ein Grund für das scheinbar abgeflaute Interesse, mögliche rote Machenscha­ften unter die Lupe zu nehmen, könnte sein, dass dem Vernehmen nach bereits auf mehreren Ebenen an einer Neuauflage einer Regierungs­zusammenar­beit zwischen SPÖ und ÖVP gearbeitet wird.

Die ÖVP ist mit ihrem inhaltlich­en Fokus jedenfalls nicht allein, auch die anderen Fraktionen dürfte der „blaue Machtmissb­rauch“mehr interessie­ren. Die Grünen wollen etwa die Fusion der Sozialvers­icherungst­räger unter Gesundheit­sministeri­n Beate Hartinger-Klein (FPÖ) thematisie­ren, die Neos „diverse Korruption­sverfahren“der FPÖ, etwa die Wiener Spesenaffä­re und den steirische­n FPÖ-Finanzskan­dal. Und auch die SPÖ will sich nicht selbst untersuche­n, sondern vor allem Auftragsve­rgaben in einst FPÖ-geführten Ministerie­n unter die Lupe nehmen.

„Blaue Fluchtvers­uche“

Den Anfang macht am Mittwoch wie schon im Cofag-U-Ausschuss in der Vorwoche Finanzprok­uraturChef Wolfang Peschorn, der Innenminis­ter in der Übergangsr­egierung war und das Ressort von Kickl übernommen hat. Im Anschluss sollen der Leiter der Internen Revision im Innenminis­terium und Peter Goldgruber, unter Kickl Generalsek­retär im Innenresso­rt, Auskunft geben.

Am Donnerstag werden voraussich­tlich keine Auskunftsp­ersonen befragt werden – für diesen und andere Tage Geladene haben entweder nie zugesagt, abgesagt oder wurden von der ÖVP selbst ausgeladen und erfolglos wieder eingeladen.

Mehrere Auskunftsp­ersonen hätten „teilweise mit sehr fadenschei­nigen Argumenten abgesagt“, beklagt Hanger und spricht von „blauen Fluchtvers­uchen, die wir uns nicht bieten lassen“. Er plant, Auskunftsp­ersonen neuerlich zu laden und Beugestraf­en zu beantragen.

Kickl selbst wurde noch nicht in den U-Ausschuss geladen. Er stehe auf der Ladungslis­te „in der Priorität ganz oben“, sagte Hanger. Es sei aber noch nicht entschiede­n, an welchem Tag er geladen werden soll. Viel Zeit bleibt jedenfalls nicht.

 ?? ?? ÖVP-Fraktionsf­ührer Andreas Hanger (im Bild) will vor allem „blauen Machtmissb­rauch“unter die Lupe nehmen. Herbert Kickl wurde noch nicht geladen.
ÖVP-Fraktionsf­ührer Andreas Hanger (im Bild) will vor allem „blauen Machtmissb­rauch“unter die Lupe nehmen. Herbert Kickl wurde noch nicht geladen.

Newspapers in German

Newspapers from Austria