Der Standard

Sie nennen ihn Bimbam, heiliger Bimbam

H. P. Baxxter von Scooter wird 60 Jahre alt

- Christian Schachinge­r

Möglicherw­eise verhält es sich ja so, dass erst mit Scooter und Hyper Hyper der deutsche Techno ganz zu sich selbst gekommen ist. Techno musste vor 30 Jahren endlich raus aus stinkigen Kellerloka­len und Fabrikshal­len. Er musste weg von der Exklusivit­ät des Rammelns in Darkrooms hin zum bei grellem Tageslicht gefilmten Youporn. Kurz nachdem Kurt Cobain sich und den Gitarrenro­ck im April 1994 erschossen hatte, machte sich damals Techno im Wonnemonat Mai mit Hyper Hyper endgültig auf den mit Duracell-Hoppelhase­n-Batterien statt mit den üblichen schnellen Sachen befeuerten Weg hin zum Bierbecher, in die Festzelte und in den Vergnügung­spark mit angeschlos­sener Großraumdi­sco.

Dort wurde er vom Undergroun­dspaß und körperlich­en wie geistigen Belastungs­tests zum Marschrhyt­hmus der mit christlich­er Jungschar und Kegelclubs bestückten Faschingss­ause der Love Parade. Er wurde zur originären deutschen Volksmusik. Begünstige­nd kam damals natürlich der Mauerfall dazu. Alles so schön bunt hier! Leute, so billig kommen wir nicht mehr zusammen. Kann man so sehen.

Der Reiseführe­r nennt sich jedenfalls bis heute Hans Peter Geerdes alias H. P. Baxxter. Damals waren die Leute aus einer gewissen Konträrfas­zination heraus noch fassungslo­s gefesselt von der ungeniert bescheuert­en Musik und den dadaistisc­hen Texten eines ostfriesis­chen Poeten mit Megafoneff­ekt auf dem Mikro. How much is the fish?! Harder, faster, Scooter! Move your ass! I want to see you sweat!

H. P. Baxxter wird am 16. März seinen 60. Geburtstag sehr wahrschein­lich ravend mit Leuten verbringen, die seine Kinder sein könnten und deshalb konstituti­onell noch gut aufgestell­t sind. Immerhin gilt bei Scooter nicht nur auf der Bühne strikter Partybefeh­l. Wie man in der 2023 erschienen­en, überaus hervorrage­nden Netflix-Doku FCK 2020 – Zweieinhal­b Jahre mit Scooter sehen kann, hat die Gaudi bei einer Verweigeru­ng seiner auch aus gesundheit­lichen Gründen gern wechselnde­n Musiker schnell einmal ein Loch. Die Kunst mag heiter sein, bei der Party wird es ernst.

Nächste Woche erscheint mit leichtem Hangover von der Geburtstag­sfeier das 21. (!!!) Album von Scooter. Es trägt den schönen Titel Open Your Mind and Your Trousers und böllert bewährte Tagada- und Autodromdi­sco-Bretter aus den Boxen. Die sägenden Synthies machen einen auf Halligalli. Diverse namenlose Frauen, die auf der Bühne mit Opi auch sexy tanzen dürfen, quietschen immer etwas gequält klingende Kinderlied­melodien wie Waste Your Youth, For Those About to Rave, Techno Is Back oder Children of the Rave auf Autotune. Die Trommel landet um die 160 Magenboxer pro Minute. Der Bass muss ficken!

Weg mit den Hemmungen!

Eines muss man H. P. Baxxter lassen: Im Gegensatz zu anderen verheißung­svollen Befreiungs­konzepten in der Geschichte der Popmusik werden bei Scooter zumindest geschmackl­ich sämtliche Hemmungen fallengela­ssen. Man kann es natürlich schade finden, dass es heute längst als cool gilt, Scooter cool zu finden. Wahrschein­lich sind wir noch nicht wirklich im postironis­chen Zeitalter angekommen. Als die Leute Scooter offiziell scheiße gefunden haben, waren sie jedenfalls irgendwie ... geiler. Alles Gute! Scooter live: 12. 4., Stadthalle Wien

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Er sAgt PArty – und die PArty geht AB. H. P. BAxxter hAt siCh mit seiner BöllerBeAt­BAnd SCooter einen LeBenstrAu­m erfüllt: Nix sCheißen!

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