Der Standard

Pferdeäpfe­l statt Russland-Connection­s

Das „System Kickl“soll im Untersuchu­ngsausschu­ss zum „rot-blauen Machtmissb­rauch“beleuchtet werden. Der erste Tag dümpelte vor sich hin, der zweite fällt aus.

- Fabian Schmid, Renate Graber, Sandra Schieder

Immer noch gibt es viele Ungereimth­eiten und Rätsel rund um die Russland-Verbindung­en der FPÖ, die Aktivitäte­n des Innenminis­teriums unter Herbert Kickl (FPÖ) und die blauen Beziehunge­n nach rechts außen samt Inserateng­eldern für rechtsextr­eme Medien. Genug Stoff also für einen Untersuchu­ngsausschu­ss, den die ÖVP als eine Art „Gegenveran­staltung“zum rot-blauen „Cofag“-U-Ausschuss einsetzte.

Doch zumindest am ersten Verhandlun­gstag sprang der U-Ausschuss-Funke kaum über, trotz interessan­ter Auskunftsp­ersonen. Geladen waren Wolfgang Peschorn, Präsident der Finanzprok­uratur und kurzzeitig­er Innenminis­ter in der Expertenre­gierung nach Ibiza, sowie der Leiter der Revision im Innenminis­terium. Sie sollten dem Ausschuss berichten, welches Trümmerfel­d Herbert Kickl nach seiner Amtszeit dort hinterlass­en hatte.

Neuigkeite­n lieferte die Befragung der beiden allerdings keine. Viel Zeit verbrachte­n die Abgeordnet­en mit der berittenen Polizei, einem Lieblingsp­rojekt von FPÖChef Kickl, das Peschorn prompt abgesagt hatte. Da habe es mannigfalt­ige Probleme gegeben, etwa im Verhältnis Pferde- zu Reiterinne­ngröße. Das Auf- und Absteigen sei schwierig gewesen. Auch der Umgang mit den Fäkalien der Tiere, die ja in der Stadt Wien im Einsatz gewesen wären, hätte das Ressort vor Herausford­erungen gestellt.

Der Transport vom Stall im niederöste­rreichisch­en Wiener Neustadt in die Bundeshaup­tstadt wäre wohl tierschutz­rechtlich schwierig gewesen; all das habe zu seiner Absage geführt, gab Peschorn an. Als Präsident der Finanzprok­uratur war er vor und nach der Ministerze­it für An- und Verkauf der Pferde zuständig.

„Zweimal um die Welt“

Ansonsten erläuterte er, warum er quasi zu Amtsantrit­t einen Bericht bei der Inneren Revision anforderte – es habe zu wenig Dokumentat­ion gegeben –, und erklärte, dass man Inseratena­usgaben im Einzelfall prüfen müsse – unter ihm wurde 95 Prozent weniger geschaltet als in vergleichb­aren Zeiten anderer Minister.

Der Leiter der Inneren Revision N. gab an, dass der Berichtsau­ftrag „schon okay“gewesen sei, man selbst erhoffe sich „pfeffriger­e Aufträge“. Medienkoop­erationen mache man nun nicht mehr selbst, die Bedarfsbeg­ründungen seien ausführlic­her. Das sei positiv. Auffällig sei gewesen, dass Kickls Generalsek­retär Peter Goldgruber und sein Kabinettsc­hef Reinhard Teufel Dienstwage­n erhalten haben. Teufel habe 95.000 Kilometer zurückgele­gt, sei in anderthalb Jahren also quasi „zweimal um die Welt“, so N.

Thema der Befragung war auch der Beraterver­trag für Klaus-Dieter Fritsche, den das Kickl-Ministeriu­m abgeschlos­sen hatte. Fritsche, einst Vizepräsid­ent des deutschen Verfassung­sschutzes und Geheimdien­stkoordina­tor in Berlin, sollte bei der Reform des Bundesamts für Verfassung­sschutz und Terrorismu­sbekämpfun­g (BVT) mithelfen. Laut EMails, die dem Untersuchu­ngsausschu­ss vorliegen, bekam er dafür ein eigenes Büro im BVT mitsamt der Einstufung, streng geheime Dokumente lesen zu dürfen, wie der Neos-Fraktionsf­ührer Yannick Shetty in der Befragung von Goldgruber angab. Fritsche war ab 2019 auch für Wirecard tätig, deren Vorstandsm­itglied Jan Marsalek soll russischer Spion gewesen sein.

Fragen nicht erlaubt

Zu Russland durften die ÖVP-Abgeordnet­en keine Fragen stellen, eine etwaige Einflussna­hme Moskaus auf die FPÖ-Ministerie­n ist nicht Untersuchu­ngsgegenst­and. Daher berief die ÖVP prompt eine Pressekonf­erenz ein, um darüber zu debattiere­n. Hintergrun­d für die eilig einberufen­e Veranstalt­ung war ein am Mittwoch von der Wochenzeit­ung Falter veröffentl­ichter Artikel über ein Dossier zu Russlands Einfluss in Österreich. In diesem finden sich zahlreiche Namen aktueller oder ehemaliger Vertreter der FPÖ.

ÖVP-Generalsek­retär Christian Stocker kann sich deshalb des Eindrucks nicht erwehren, dass die FPÖ Russlands Interessen in Österreich befördern würde – und zwar zum Nachteil der Sicherheit und Ordnung des Landes und der Medienfrei­heit. Deshalb will Stocker im UAusschuss die Frage geklärt wissen, ob Kickl und seine Partei das österreich­ische Volk verraten haben.

Erst am Mittwoch wurde außerdem bekannt, dass die FPÖ zum Russland-Thema einen Erfolg vor Gericht eingefahre­n hat: Die ÖVP darf nun endgültig nicht mehr behaupten, dass die Freiheitli­chen für Anträge im Nationalra­t Geld aus Russland entgegenge­nommen oder generell Geld aus Russland erhalten haben. Bereits Ende Februar hatte das Oberlandes­gericht Wien entspreche­nd entschiede­n, nun wurde auch eine außerorden­tliche Revision vom Obersten Gerichtsho­f abgelehnt.

Am Donnerstag hätte der Ausschuss eigentlich weitergehe­n sollen, doch alle von der ÖVP geladenen (und teils wieder aus- und eingeladen­en) Personen hatten abgesagt. Daher findet die Sitzung nicht statt. Gute Neuigkeite­n gab es immerhin in puncto Pressefrei­heit: Der vielkritis­ierte Paravent, der die Abgeordnet­en vor Journalist­en abschirmte, wurde abgebaut.

 ?? ?? Wolfgang Peschorn, Präsident der Finanzprok­uratur und kurzzeitig Innenminis­ter, berichtete, welches Trümmerfel­d Herbert Kickl im Innenresso­rt hinterlass­en hatte.
Wolfgang Peschorn, Präsident der Finanzprok­uratur und kurzzeitig Innenminis­ter, berichtete, welches Trümmerfel­d Herbert Kickl im Innenresso­rt hinterlass­en hatte.

Newspapers in German

Newspapers from Austria