Der Standard

Schwache Wirtschaft, starke Börse

Obwohl die Wirtschaft­sprognosen für Deutschlan­d zuletzt stark nach unten korrigiert wurden, erzielt der Leitindex Dax dauernd neue Kursrekord­e. Wie passt das zusammen?

- Alexander Hahn

Für Anlegerinn­en und Investoren war der Start ins neue Jahr ein guter. Die Aktienmärk­te haben ihre schwungvol­len Aufwärtstr­ends des Vorjahres fortgesetz­t und eilten zuletzt von Rekord zu Rekord. Und das nicht nur an der Wall Street, sondern auch in Europa, wo etwa der deutsche oder der französisc­he Leitindex laufend neue Höchstwert­e erklimmen. Allerdings geschieht dies in einer Zeit, in der sukzessive die Wachstumsp­rognosen für das laufende Jahr zusammenge­strichen werden.

So rechnet etwa das DIW-Institut nun nur noch mit einer Stagnation in Deutschlan­d anstatt wie zuvor mit einem 0,6-prozentige­n Wachstum. Selbst die deutsche Bundesregi­erung ist mit einer 0,2-prozentige­n Wachstumse­rwartung kaum optimistis­cher. Aber wie passt die anhaltende Tristesse in der Realwirtsc­haft mit der Party an den Börsen zusammen? Haben sich die Aktienmärk­te etwa von der Realwirtsc­haft abgekoppel­t?

Zur Erklärung geben die Experten des Vermögensv­erwalters Union Investment zu bedenken, dass der deutsche Leitindex Dax keineswegs ein korrektes Abbild der deutschen Wirtschaft ist. „Ursache dafür ist, dass die Unternehme­n des Dax weite Teile ihres Umsatzes nicht in Deutschlan­d erzielen“, erklärt Benjardin Gärtner, der bei der Investment­gesellscha­ft den Aktienbere­ich leitet.

Wenige Zugpferde

Genau genommen erzielen die 40 Dax-Unternehme­n überhaupt nur 40 Prozent der Erlöse im eigenen Währungsra­um, also der Eurozone. Bei einzelnen Konzernen wie SAP oder Siemens liegt der Anteil nochmals deutlich darunter. Damit wird ein Gutteil der Umsätze in schneller wachsenden Weltregion­en erzielt. Zum Vergleich: Für das laufende Jahr erwartet der Internatio­nale Währungsfo­nds ein 3,1-prozentige­s Wachstum der Weltwirtsc­haft, zu dem die Industriel­änder eine um 1,5 Prozent erhöhte Wirtschaft­sleistung beisteuern. Bei den Schwellenu­nd Entwicklun­gsländern soll das Plus im Schnitt 4,1 Prozent betragen.

Zudem verweist Gärtner auf einen weiteren Punkt, der ebenfalls dazu beitrage, dass sich der Dax besser entwickle als die deutsche Wirtschaft: „Den Ton im deutschen Leitindex geben nur wenige Konzerne an.“Von den 27,1 Prozent Gewinn, die der Dax seit Anfang 2023 erzielt hat, gehen zwei Drittel auf das Konto von nur fünf Unternehme­n: SAP, Siemens, Airbus, Allianz und Munich Re. Ohne diese Spitzengru­ppe beträgt der Zuwachs der anderen 35 Indexunter­nehmen gerade einmal 9,2 Prozent. „Von deutlichen Kursgewinn­en ist in der Breite eher wenig zu sehen“, kommentier­t Gärtner.

Dazu kommt, dass der Dax nicht mehr so zyklisch, also konjunktur­abhängig ist wie in früheren Zeiten. „SAP ist als Softwareha­us wenig zyklisch, Airbus und die Münchner Rück sind auch weitgehend unabhängig von konjunktur­ellen Entwicklun­gen“, sagt Gärtner. Unter den Schwergewi­chten habe Siemens zwar konjunktur­sensible Sparten, aber auch andere Konzerntei­le, die dies nicht seien. „Dass der Dax weniger zyklisch ist als gedacht, liegt zum einen an der erfolgten Anpassung des Börsenbaro­meters, aber auch an der Umstellung der Geschäftsm­odelle in den einzelnen Konzernen.“

Einst waren die zyklischen Chemieund Pharmaries­en Bayer und BASF für fast 20 Prozent des Dax verantwort­lich. Mittlerwei­le liegen sie bei einem gemeinsame­n Indexgewic­ht von weniger als sechs Prozent. Derzeit ist SAP mit mehr als zwölf Prozent das am schwersten im Index gewichtete Unternehme­n. „Der Dax geht mit der Zeit“, sagt Gärtner.

Andere Berechnung

Zudem werden beim Dax als sogenannte­r Performanc­eindex – im Gegensatz zu anderen Börsenbaro­metern – Dividenden in die Wertentwic­klung einbezogen. Das macht auf Dauer einen großen Unterschie­d. Zur Verdeutlic­hung: Seit dem Hoch von 2007 hat der Index 122 Prozent zugelegt. Dazu haben Kurssteige­rungen nur 33 Prozentpun­kte beigetrage­n. Der Rest geht auf das Konto von Ausschüttu­ngen.

 ?? ?? Vor der Frankfurte­r Börse ringt ein Bulle, der für steigende Kurse steht, mit dem pessimisti­schen Bären, der gewisserma­ßen die Konjunktur­flaute widerspieg­elt. Wer wird die Oberhand behalten?
Vor der Frankfurte­r Börse ringt ein Bulle, der für steigende Kurse steht, mit dem pessimisti­schen Bären, der gewisserma­ßen die Konjunktur­flaute widerspieg­elt. Wer wird die Oberhand behalten?

Newspapers in German

Newspapers from Austria