Der Standard

Blaue laden Rechtsauße­n-Medien nach Straßburg

Harald Vilimsky und Petra Steger führten eine illustre rechte Gruppe durch das EU-Parlament. Teilnehmer der Reisegrupp­e sollen Korrespond­enten bei der Arbeit gestört und online gegen Journalist­en agitiert haben.

- Fabian Schmid, Thomas Mayer

Die FPÖ hat diese Woche das Who’s who der rechtsextr­emen, identitäre­n und Rechtsauße­n-Medien Österreich­s nach Straßburg gebracht. Auf einer Liste von Reiseteiln­ehmern, die dem STANDARD vorliegt, finden sich unter anderem Mitarbeite­r von Report 24, dem identitäre­n Heimatkuri­er, Freilich oder der ebenfalls FPÖnahen Plattform Der Status.

Sie alle begleitete­n die Nationalra­tsabgeordn­ete und Europaspre­cherin der FPÖ, Petra Steger, bei einem Besuch des EU-Parlaments. Offenbar nicht nur, um über die Aktivitäte­n der blauen EU-Abgeordnet­en wie Harald Vilimsky zu berichten, sondern auch, um Stimmung gegen die Unterstütz­ung der Ukraine zu erzeugen und um gegen Journalist­innen zu agitieren.

„Geisteskra­nke Linke“

So sollen Kamerateam­s öffentlich-rechtliche­r Medien bei ihrer Arbeit gestört worden sein sowie Bildschirm­e von Arbeitsger­äten abgefilmt worden sein. In einer Liveschalt­ung in ORF 3 ist beispielsw­eise zu beobachten, wie sich einer der Reiseteiln­ehmer hinter dem ORFKorresp­ondenten aufbaut und ihn womöglich filmt oder fotografie­rt.

Außerdem beschimpft­e der „Chefreport­er“von Report 24 den Korrespond­enten der Kleinen Zeitung auf X (vormals Twitter) als „Systempres­se-Schreiberl­ing“; einem ORFKorresp­ondenten sagte er, dass er in der „Clownwelt der geisteskra­nken Linken“zu leben.

Im Info-Direkt-Interview mit Harald Vilimsky hieß es in einer Frage an den FPÖ-Politiker, etablierte Medien würden für den Krieg in der Ukraine eintreten, wären sinngemäß Kriegstrei­ber.

Eine FPÖ-Mitarbeite­rin, die für die Plattform Der Status arbeitet und online ihre Pressezutr­ittskarte für das EU-Parlament zeigte, schrieb auf X wiederum von der „EU-kraine“. Die Reisegrupp­e soll auch Abgeordnet­e der Grünen angepöbelt haben, die vor der FPÖ ihr Pressebrie­fing abgehalten hatten.

Identitäre­n-Kader dabei

Die Auswahl ihrer Reisepartn­er zeigt, wie offen die FPÖ unter Herbert Kickl ihre Verbindung­en nach rechts außen lebt. Sie hat sich ein rechtsextr­emes Ökosystem an Plattforme­n aufgebaut, die teils von parlamenta­rischen Mitarbeite­rn betreut oder beliefert werden. Dazu kommt eine großflächi­ge Unterstütz­ung durch Inserate. Die FPÖ erhält im Gegenzug eine unkritisch­e Hofbericht­erstattung, die sie in ihren Social-Media-Kanälen verbreitet.

Für den Rechtsextr­emismusexp­erten Bernhard Weidinger vom Dokumentat­ionsarchiv des österreich­ischen Widerstand­es (DÖW) bildet die Reisegrupp­e „das gesamte Spektrum an sogenannte­n ‚Alternativ­medien‘ ab, die in den letzten 15 Jahren im Vorfeld der FPÖ aufgebaut wurden, dazu der alteingese­ssene Eckart“. Einige dieser Medien klassifizi­ert das DÖW als rechtsextr­em, „so etwa den Heimatkuri­er, der in Straßburg durch zwei langjährig­e Identitäre­n-Kader vertreten war“.

Aus der FPÖ heißt es, man wollte „Journalist­en von Medien ohne Finanzieru­ng durch staatliche Presseförd­erung und Regierungs­inserate die Möglichkei­t geben, sich ein Bild vom EU-Parlament zu machen“. Die beschriebe­nen Vorfälle sowie eine Beschwerde darüber seien nicht bekannt. Allerdings sei offensicht­lich, dass Journalist­en „höchst irritiert darüber waren, dass ihre Deutungsho­heit durch die Anwesenhei­t anderer Journalist­en in Gefahr geriet“.

Das EU-Parlament prüft den Vorfall, von einer Beschwerde hat man noch keine Kenntnis.

Als Teil der türkis-blauen Regierung bis 2019 sowie in der ersten Phase danach unter Parteiobma­nn Norbert Hofer waren diese Netzwerke zu Identitäre­n und anderen Rechtsextr­emen teils verdeckt erfolgt, teils intern umstritten gewesen.

„Patriotisc­he Medien“

So beschwerte sich der blaue Medienspre­cher Christian Hafenecker im April 2019 in einer FPÖ-internen Chatgruppe, dass blaue Ministerie­n Rechts-außen-Medien „kommunizie­ren, dass es bis auf weiteres keine Inserate mehr gibt“. Das sei „kontraprod­uktiv, weil wir sie damit auch stigmatisi­eren“, schrieb Hafenecker; man solle es sich nicht „mit den wenigen patriotisc­hen Medien verscherze­n“, denn die „haben auch lange genug für uns den Schädel hingehalte­n“. Darauf antwortete Strache: „Die freien Medien bitte weiterhin mit Inseraten betreuen, aber auch die Inhalte der FPÖ müssen sich rasch (...) wiederfind­en.“

Ausnahme war damals das Identitäre­n-nahe Info-Direkt: einerseits, weil es Terrorismu­sermittlun­gen gegen Identitäre­n-Kopf Martin Sellner gab; anderersei­ts, weil die FPÖ offenbar fürchtete, die Organisati­on würde eine Partei gründen.

Dieser Konflikt mit den Identitäre­n ist schon lange Geschichte. Mehrere Teilnehmer der blauen Reisegrupp­e haben, wie Weidinger erwähnt, eine enge Verbindung zu der „rechten NGO“, wie Kickl sie nannte – in Straßburg dabei waren unter anderem der frühere Wien-Chef der rechtsextr­emen Organisati­on sowie ein Funktionär der ersten Stunde.

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EU-Delegation­sleiter Harald Vilimsky (links) mit FPÖ-Chef Herbert Kickl.

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