Opioidkrise führt Blinken nach Wien
Nach seinem Auftritt bei der Uno-Drogenkonferenz traf sich US-Außenminister Blinken mit Kanzler Nehammer und Amtskollege Schallenberg und kritisierte israelische Pläne, in Rafah einzumarschieren.
Antony Blinken ist angesichts der Kriege in der Ukraine und in Gaza ein vielbeschäftigter Mann. Wenn der US-Außenminister nicht gerade zwischen den Konfliktparteien in Nahost vermittelt, wirbt er vehement um Unterstützung für die Ukraine. Am Freitag hat ihn jedoch eine andere tödliche Krise nach Wien geführt: die Opioidkrise im eigenen Land.
Der Missbrauch von opioidhaltigen Schmerzmitteln hat in den vergangenen Jahren hunderttausende Amerikaner und Amerikanerinnen in die Sucht getrieben und ist mittlerweile die häufigste Todesursache von Menschen zwischen 18 und 49 Jahren in den USA. Dass Präsident Joe Biden mit Blinken den Außenminister zur Uno-Drogenbekämpfungskonferenz in Wien entsandte, zeigt, wie ernst seine Regierung die verheerende Krise nimmt. Insbesondere in einem Wahljahr.
Nach der Landung in Schwechat verließ Blinken daher sogleich wieder österreichisches Staatsgebiet, um in der Wiener Uno-City – sie gilt als internationales Territorium – als Redner aufzutreten. Dort rief er alle Staaten zum gemeinsamen Kampf gegen synthetische Drogen auf: „Wenn wir den Verlauf dieser Krise verändern wollen, gibt es nur einen Weg zum Erfolg: gemeinsam“, sagte Blinken. Er sprach von dem „Killer Nummer eins“der USA. Jede Gemeinde sei inzwischen von der Opioidkrise betroffen.
Österreichs Bundeskanzler Karl Nehammer, der gemeinsam mit Außenminister Alexander Schallenberg (beide ÖVP) Blinken zu bilateralen Gesprächen traf, würdigte den Besuch des US-Außenministers: Die Visite bei der Uno-Drogenkommission „bringt den Schwerpunkt auf das Thema Sicherheit, Kampf gegen Schmuggler und Kriminalität u. a. im Zusammenhang mit synthetischen Drogen zum Ausdruck“.
Brennpunkt Nahost
Doch auch am Freitag waren es einmal mehr Nachrichten aus Nahost, die auch diese dringliche Krise in den Schatten stellten: Denn Israels Premier Benjamin Netanjahu genehmigte umstrittene Pläne für eine Offensive in Rafah im Süden des Gazastreifens und lehnte damit zuvor bekannt gewordene Hamas-Vorschläge zu einer Freilassung bestimmter Geiseln im Gegenzug für einen Truppenabzug ab. Die Armee bereite eine Evakuierung der Grenzstadt zu Ägypten vor, erklärte sein Büro.
Diese Entwicklungen waren auch bei den bilateralen Gesprächen der österreichischen Regierung mit Blinken ein Thema. Bei einer anschließenden Pressekonferenz signalisierten Blinken und Schallenberg diesbezüglich Einigkeit: Sowohl Österreich als auch die USA seien starke Unterstützer Israels und setzten sich für dessen Sicherheit ein – eine militärische Offensive in Rafah sehe man jedoch kritisch, sagten beide Außenminister. Es fehle ein „realistischer Plan“, wie dabei der Schutz von Zivilisten gewährleistet werden könne, kritisierte Blinken. Zumindest habe er einen solchen noch nicht gesehen. Auch Schallenberg hatte zuvor das Fehlen eines solchen „glaubwürdigen Plans“bemängelt.
Blinken hat Israel bereits mehrfach ermahnt, die Zivilbevölkerung im Gazastreifen bei seinem Feldzug gegen die Hamas zu verschonen. Seit dem Hamas-Massaker vom 7. Oktober 2023 sind in der belagerten Enklave bei israelischen Militärschlägen bereits mehr als 30.000 Menschen getötet worden, davon schätzungsweise zwei Drittel Zivilisten. In Rafah suchen laut Schätzungen 1,5 Millionen Palästinenser und Palästinenserinnen auf engstem Raum und unter elenden Bedingungen Schutz vor den Kämpfen in den anderen Gebieten Gazas. Israels Streitkräfte erklärten laut Times of Israel am Mittwoch, dass ein großer Teil der Menschen vor einer Militäroperation auf „humanitäre Inseln“im Zentrum des abgeriegelten Küstengebiets gebracht würden. Wann die Evakuierung stattfinden soll und wann die Offensive auf die Stadt beginnen werde, ist unklar.
Bei den bilateralen Gesprächen mit Blinken in Wien war auch der Ukrainekrieg Thema: Auch wenn es dabei durchaus Reizthemen in der Kommunikation zwischen Wien und Washington gibt – Stichwort: österreichische Rohstoffabhängigkeit von Russland und diverse Russland-Aktivitäten der österreichischen Raiffeisen Bank International (RBI) –, demonstrierte man auch hier Einigkeit. Blinken würdigte europäische Schritte, sich aus der russischem Öl- und Gasabhängigkeit zu befreien. Schallenberg versicherte, dass Österreich auf dem Weg dorthin sei. Auch das gemeinsame Engagement für Stabilität auf dem Westbalkan wurde betont. Am späteren Nachmittag war ein Treffen mit Bundespräsident Alexander Van der Bellen geplant.