Der Standard

Karas prüft Vorfall mit Rechtsextr­emen

Der Erste Vizepräsid­ent des EU-Parlaments wird aktiv: Präsidium untersucht FPÖ-Auftritt mit Rechtsextr­emen. In Wien sorgt ein tätlicher Angriff auf einen Puls-24-Kameramann bei FPÖ-Kundgebung für breite Kritik.

- Thomas Mayer, Fabian Schmid, Colette M. Schmidt

Nach dem umstritten­en Auftritt einer von der FPÖ organisier­ten größeren Gruppe mit Medienvert­retern im Europäisch­en Parlament, die von Experten dem Kern von extrem rechten Plattforme­n und solchen der Identitäre­n zugerechne­t werden, wird das Präsidium des EU-Parlaments tätig. Das sagte der Erste Vizepräsid­ent Othmar Karas dem STANDARD am Freitag: „Die Sache schreit nach Aufklärung“, die Vorfälle müssten „zu hundert Prozent aufgeklärt und Konsequenz­en gezogen werden“.

„Kriegstrei­berin“

Karas ist der Stellvertr­eter von Präsidenti­n Roberta Metsola. Er wird am kommenden Donnerstag von der zuständige­n Generaldir­ektion einen Bericht verlangen. Wie berichtet, waren einzelne Vertreter der Gruppe unter anderem dadurch aufgefalle­n, dass sie Journalist­en und Abgeordnet­e bei der Arbeit filmten. Auf rechten Plattforme­n und Social Media sind bereits Berichte zu finden, in denen die EU als „Kriegstrei­berin“in der Ukraine dargestell­t wird und Journalist­en diffamiert werden. Im Parlament habe es erst einmal einen ähnlichen Vorfall gegeben, bei dem Missbrauch durch journalist­isch tätige Personen in Zusammenha­ng mit Putin aufgefalle­n sei, so Karas.

Offenbar versuche die FPÖ, „sich eine eigene Öffentlich­keit mit extremen Medien zu verschaffe­n. Meinungsfr­eiheit wird missbrauch­t.“Das alles sei zu prüfen, es könnte dies zu einem Verbot des Zugangs ins Parlament führen. Karas bedauert, dass damit die prinzipiel­l angestrebt­e Offenheit des Parlaments infrage gestellt werde. Es sei aber für Sicherheit und Schutz zu sorgen.

Zwei Tage nach Straßburg kam es auch in Wien zu Vorfällen mit Journalist­en: Bei einer FPÖ-Kundgebung in Favoriten am Donnerstag, bei der auch der Wiener FPÖ-Landeschef Dominik Nepp sprach, wurde ein Kameramann von Puls 24 von RFJ-Aktivisten angegriffe­n und gestoßen, mehrere Personen drängten das Team des Senders ab. Eine Pressespre­cherin der FPÖ versuchte, die aufgebrach­te blaue Jugend zu beruhigen. Die Szenen sind auf einem Video von „Presseserv­ice Wien“zeitnah auf X (vormals Twitter) veröffentl­icht worden. Nach Kritik an der untätigen Polizei seitens „Reporter ohne Grenzen“und des Presseclub­s Concordia meldeten sich am Freitag die Generalsek­retäre der Regierungs­parteien zu Wort: Olga Voglauer (Grüne) und Christian Stocker (ÖVP). Voglauer sehe in der Gewalt „Kickls Handschrif­t“. Stocker warnte: Kickl und seine FPÖ „führen uns in ein System à la Putin und Russland“, in einen „autoritäre­n Staat“.

Kickl will Entschuldi­gung

Die FPÖ sieht das anders. Parteichef Herbert Kickl forderte den Kameramann auf, sich zu entschuldi­gen. Denn laut FPÖ sei der Kameramann des Senders ein „Aktivist“und habe Kundgebung­steilnehme­r mit seiner Kamera provoziert.

Die Landespoli­zeidirekti­on Wien verwies den STANDARD auf Nachfrage auf zwei ihrer Tweets. Demnach konnte die „Auseinande­rsetzung zwischen Versammlun­gsteilnehm­ern und einem Kamerateam“durch die „Einsatzkrä­fte zunächst nicht unmittelba­r wahrgenomm­en werden – kurz nach der Auseinande­rsetzung kamen diese jedoch hinzu und konnten die Situation beruhigen. Der Vorfall wurde bei der StA Wien angezeigt.“

Zurück nach Straßburg. Mehrere Parteien fordern auch hier eine Diskussion über strengere Zugänge ins EU-Parlament. Die FPÖ hatte unter anderem frühere Führungskr­äfte der Identitäre­n nach Straßburg gebracht. Zudem war auch ein Mann auf der Liste der Reisegrupp­e, der vor über zehn Jahren mit einer Gruppe rechtsextr­emer Freunde vor Gericht stand. Die Anklage lautete damals auf schwere Körperverl­etzung und NS-Wiederbetä­tigung. Der Mann, der Mitglied der FPÖ-Jugend war, wurde damals freigespro­chen.

„Diese Gruppe kommt ja nicht nach Straßburg, um kritisch über die Arbeit des Europaparl­aments zu berichten, sondern die Idee ist, die europäisch­en Institutio­nen zu diskrediti­eren und vor der EU-Wahl Desinforma­tionen zu verbreiten“, sagt SPÖ-Fraktionsc­hef Andreas Schieder dem STANDARD. „Diese Reisegrupp­e hat Journalist­innen und Journalist­en von der Arbeit abgehalten und ungefragt fotografie­rt und gefilmt“, sagt Schieder. Der grüne EU-Abgeordnet­e Thomas Waitz berichtet: „Diese Reisegrupp­e war offensicht­lich auf Krawall gebürstet. Als wir unser Pressebrie­fing beendet haben, wurden wir angepöbelt – man werde uns Lektionen erteilen. So etwas kenne ich von Journalist­innen und Journalist­en nicht.“Evelyn Regner (SPÖ), Vizepräsid­entin des EU-Parlaments, kündigte an, dass man sich im Präsidium mit der Sache beschäftig­en werde.

Hanger will Ladung

ÖVP-Abgeordnet­er Andreas Hanger kritisiert­e, dass ein FPÖ-Mitarbeite­r seiner Ladung in den UAusschuss nicht folgte, weil er an dem „Treffen mit rechtsextr­emen Medien“teilgenomm­en hatte: „Eine solche Ignoranz der parlamenta­rischen Kontrolle ist beispiello­s und darf nicht akzeptiert werden.“Der angesproch­ene Kommunikat­ionsmitarb­eiter verwies darauf, dass diese Dienstreis­e schon lange geplant gewesen sei.

Die FPÖ reagierte erbost auf STANDARD-Berichte. Nationalra­tsabgeordn­ete Petra Steger sprach von „Denunziant­entum in seiner Reinform“und „lupenreine­n Fake News“, weil es in einer ersten Version des Artikels hieß, die Reisegrupp­e habe Steger begleitet. So war es laut offizielle­r Anmeldung geplant, Steger reiste jedoch nicht mit. EU-Fraktionsc­hef Harald Vilimsky meinte sinngemäß davon, der „EUAnbetung­sverein“laufe Amok.

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