Karas prüft Vorfall mit Rechtsextremen
Der Erste Vizepräsident des EU-Parlaments wird aktiv: Präsidium untersucht FPÖ-Auftritt mit Rechtsextremen. In Wien sorgt ein tätlicher Angriff auf einen Puls-24-Kameramann bei FPÖ-Kundgebung für breite Kritik.
Nach dem umstrittenen Auftritt einer von der FPÖ organisierten größeren Gruppe mit Medienvertretern im Europäischen Parlament, die von Experten dem Kern von extrem rechten Plattformen und solchen der Identitären zugerechnet werden, wird das Präsidium des EU-Parlaments tätig. Das sagte der Erste Vizepräsident Othmar Karas dem STANDARD am Freitag: „Die Sache schreit nach Aufklärung“, die Vorfälle müssten „zu hundert Prozent aufgeklärt und Konsequenzen gezogen werden“.
„Kriegstreiberin“
Karas ist der Stellvertreter von Präsidentin Roberta Metsola. Er wird am kommenden Donnerstag von der zuständigen Generaldirektion einen Bericht verlangen. Wie berichtet, waren einzelne Vertreter der Gruppe unter anderem dadurch aufgefallen, dass sie Journalisten und Abgeordnete bei der Arbeit filmten. Auf rechten Plattformen und Social Media sind bereits Berichte zu finden, in denen die EU als „Kriegstreiberin“in der Ukraine dargestellt wird und Journalisten diffamiert werden. Im Parlament habe es erst einmal einen ähnlichen Vorfall gegeben, bei dem Missbrauch durch journalistisch tätige Personen in Zusammenhang mit Putin aufgefallen sei, so Karas.
Offenbar versuche die FPÖ, „sich eine eigene Öffentlichkeit mit extremen Medien zu verschaffen. Meinungsfreiheit wird missbraucht.“Das alles sei zu prüfen, es könnte dies zu einem Verbot des Zugangs ins Parlament führen. Karas bedauert, dass damit die prinzipiell angestrebte Offenheit des Parlaments infrage gestellt werde. Es sei aber für Sicherheit und Schutz zu sorgen.
Zwei Tage nach Straßburg kam es auch in Wien zu Vorfällen mit Journalisten: Bei einer FPÖ-Kundgebung in Favoriten am Donnerstag, bei der auch der Wiener FPÖ-Landeschef Dominik Nepp sprach, wurde ein Kameramann von Puls 24 von RFJ-Aktivisten angegriffen und gestoßen, mehrere Personen drängten das Team des Senders ab. Eine Pressesprecherin der FPÖ versuchte, die aufgebrachte blaue Jugend zu beruhigen. Die Szenen sind auf einem Video von „Presseservice Wien“zeitnah auf X (vormals Twitter) veröffentlicht worden. Nach Kritik an der untätigen Polizei seitens „Reporter ohne Grenzen“und des Presseclubs Concordia meldeten sich am Freitag die Generalsekretäre der Regierungsparteien zu Wort: Olga Voglauer (Grüne) und Christian Stocker (ÖVP). Voglauer sehe in der Gewalt „Kickls Handschrift“. Stocker warnte: Kickl und seine FPÖ „führen uns in ein System à la Putin und Russland“, in einen „autoritären Staat“.
Kickl will Entschuldigung
Die FPÖ sieht das anders. Parteichef Herbert Kickl forderte den Kameramann auf, sich zu entschuldigen. Denn laut FPÖ sei der Kameramann des Senders ein „Aktivist“und habe Kundgebungsteilnehmer mit seiner Kamera provoziert.
Die Landespolizeidirektion Wien verwies den STANDARD auf Nachfrage auf zwei ihrer Tweets. Demnach konnte die „Auseinandersetzung zwischen Versammlungsteilnehmern und einem Kamerateam“durch die „Einsatzkräfte zunächst nicht unmittelbar wahrgenommen werden – kurz nach der Auseinandersetzung kamen diese jedoch hinzu und konnten die Situation beruhigen. Der Vorfall wurde bei der StA Wien angezeigt.“
Zurück nach Straßburg. Mehrere Parteien fordern auch hier eine Diskussion über strengere Zugänge ins EU-Parlament. Die FPÖ hatte unter anderem frühere Führungskräfte der Identitären nach Straßburg gebracht. Zudem war auch ein Mann auf der Liste der Reisegruppe, der vor über zehn Jahren mit einer Gruppe rechtsextremer Freunde vor Gericht stand. Die Anklage lautete damals auf schwere Körperverletzung und NS-Wiederbetätigung. Der Mann, der Mitglied der FPÖ-Jugend war, wurde damals freigesprochen.
„Diese Gruppe kommt ja nicht nach Straßburg, um kritisch über die Arbeit des Europaparlaments zu berichten, sondern die Idee ist, die europäischen Institutionen zu diskreditieren und vor der EU-Wahl Desinformationen zu verbreiten“, sagt SPÖ-Fraktionschef Andreas Schieder dem STANDARD. „Diese Reisegruppe hat Journalistinnen und Journalisten von der Arbeit abgehalten und ungefragt fotografiert und gefilmt“, sagt Schieder. Der grüne EU-Abgeordnete Thomas Waitz berichtet: „Diese Reisegruppe war offensichtlich auf Krawall gebürstet. Als wir unser Pressebriefing beendet haben, wurden wir angepöbelt – man werde uns Lektionen erteilen. So etwas kenne ich von Journalistinnen und Journalisten nicht.“Evelyn Regner (SPÖ), Vizepräsidentin des EU-Parlaments, kündigte an, dass man sich im Präsidium mit der Sache beschäftigen werde.
Hanger will Ladung
ÖVP-Abgeordneter Andreas Hanger kritisierte, dass ein FPÖ-Mitarbeiter seiner Ladung in den UAusschuss nicht folgte, weil er an dem „Treffen mit rechtsextremen Medien“teilgenommen hatte: „Eine solche Ignoranz der parlamentarischen Kontrolle ist beispiellos und darf nicht akzeptiert werden.“Der angesprochene Kommunikationsmitarbeiter verwies darauf, dass diese Dienstreise schon lange geplant gewesen sei.
Die FPÖ reagierte erbost auf STANDARD-Berichte. Nationalratsabgeordnete Petra Steger sprach von „Denunziantentum in seiner Reinform“und „lupenreinen Fake News“, weil es in einer ersten Version des Artikels hieß, die Reisegruppe habe Steger begleitet. So war es laut offizieller Anmeldung geplant, Steger reiste jedoch nicht mit. EU-Fraktionschef Harald Vilimsky meinte sinngemäß davon, der „EUAnbetungsverein“laufe Amok.