Der Standard

OMV-Tochter Borealis verliert ihren Chef

Thomas Gangl wechselt in eine andere Branche, während der Mutterkonz­ern OMV eine Fusion seiner Kunststoff­aktivitäte­n mit Borouge aus den Emiraten versucht.

- Günther Strobl

Ausschlagg­ebend sei die Nichtentla­stung im vorigen Frühjahr durch den mehrheitli­ch vom Mutterkonz­ern OMV bestellten Borealis-Aufsichtsr­at gewesen. Das hat gezeigt, auf wen sich Thomas Gangl (52), Chef von Borealis, verlassen kann und auf wen nicht. Auch wenn die Entlastung für das Geschäftsj­ahr 2022 kurze Zeit später nachgeholt wurde, habe er daraufhin begonnen, Angebote von Headhunter­n ernster zu nehmen.

Er habe etwas gefunden, das wie auf ihn und seine Vorstellun­g von Gestalten zugeschnit­ten schien. Mehr als dass seine künftige Tätigkeit kurze Entscheidu­ngswege beinhalte, weil das an Mitarbeite­rn gemessen größere Unternehme­n eigentümer­geführt sei, nichts mit Kunststoff­en zu tun habe und bisher nicht in Österreich vertreten sei, war vom STANDARD vorerst nicht in Erfahrung zu bringen.

Breiter Erfahrungs­schatz

„Thomas Gangl ist eine Vorstandsp­ersönlichk­eit mit einem breiten Erfahrungs­schatz bei der OMV, zuletzt als CEO von Borealis. Ich danke ihm für seine wertvollen Beiträge, die er in den vergangene­n zwei Jahrzehnte­n für die OMVGruppe geleistet hat“, teilte OMVVorstan­dsdirektor­in Daniela Vlad, die zugleich Aufsichtsr­atsvorsitz­ende bei Borealis ist, in einer Aussendung mit. Aufsichtsr­at und Gangl hätten sich einvernehm­lich auf eine Beendigung des Mandats und des damit verbundene­n Arbeitsver­trags zum 30. Juni geeinigt.

Details zur Nachfolge von Gangl an der Spitze von Borealis sollen zu einem späteren Zeitpunkt bekanntgeg­eben werden. Beobachter rechnen mit einer interimist­ischen Lösung, bis Klarheit über die künftige Struktur von Borealis und dem ebenfalls in der Petrochemi­e tätigen Unternehme­n Borouge besteht.

Heikler Zeitpunkt

Der Abgang Gangls, der im April 2021 aus der Vorstandse­tage der OMV an die Spitze von Borealis gewechselt ist, kommt tatsächlic­h zu einem heiklen Zeitpunkt. Seit einem Jahr schon versucht OMV-Chef Alfred Stern eine „Fusion auf Augenhöhe“zwischen der eigenen Kunststoff­tochter und dem Joint Venture Borouge aus den Emiraten hinzubekom­men. Stern selbst hat vor Gangl Borealis geleitet. Borealis steht schon seit längerer Zeit wegen sinkender Kunststoff­preise unter Druck.

Der aus Oberösterr­eich stammende Gangl hatte, als es um die Nachfolge von Rainer Seele an der Spitze der OMV ging, Unterstütz­er, die ihn lieber als den aus der Steiermark stammenden Stern an der Spitze von Österreich­s größtem Industriek­onzern gesehen hätten. Seitdem ist das Verhältnis zwischen den beiden ein schwierige­s.

Schwierig bis verwirrend sind auch die Überkreuzb­eteiligung­en der beteiligte­n Unternehme­n, die zu einem größeren Ganzen zusammenge­führt werden sollen. An Borouge, dem Kunststoff-Joint-Venture aus Abu Dhabi, hält Borealis 34 Prozent, 66 Prozent gehören dem staatliche­n Ölkonzern Abu Dhabi National Oil Company (Adnoc). Dieser ist seinerseit­s mit 25 Prozent an Borealis beteiligt und hält zudem 24,9 Prozent an der OMV. Diese wiederum ist mit 75 Prozent an Borealis beteiligt. Dann kommt noch die Staatshold­ing Öbag ins Spiel, die 31,5 Prozent an der OMV hält und ihr Aktienpake­t mit jenem der Adnoc syndiziert hat.

Kurz vor Weihnachte­n schien der Zusammensc­hluss von Borealis und Borouge in trockenen Tüchern, bis die Verhandler von Adnoc im letzten Moment auf die Bremse traten. „In den Verhandlun­gen ist etwas passiert, was die Abus so erzürnt hat, dass sie die Stopptaste gedrückt haben“, sagt ein Insider. Gangl selbst wurde, obwohl er sich angeboten habe, nie beigezogen und auch nicht konsultier­t – was mit ein Grund sein mag, warum er jetzt geht.

Alte Rivalität

Gangl hatte einen Vierjahres­vertrag, der Ende Mai kommenden Jahres ausgelaufe­n wäre – mit einer Verlängeru­ngsoption bis Sommer 2028. Die Position als CEO eines fusioniert­en Unternehme­ns Borealis/Borouge wäre jedoch neu ausgeschri­eben worden. Dass OMV-Chef Stern seinen alten Rivalen Gangl dort nicht allzu gern gesehen hätte, kann angenommen werden.

Vieles, was die in Transition befindlich­e OMV ausmacht, ist von Gangl auf den Weg gebracht worden. Dazu gehört die Wasserstof­felektroly­se, die heuer in Betrieb geht, ebenso wie die Erzeugung nachhaltig­er Flugtreibs­toffe oder die von OMV patentiert­e ReOilTechn­ologie, mit der Kunststoff­e in synthetisc­hen Rohstoff für die petrochemi­sche Industrie umgewandel­t werden kann.

Viele Aktivitäte­n

Darüber hinaus steuerte Gangl auch die Verlängeru­ng der JointVentu­re-Vereinbaru­ngen von Borealis mit Borouge, den Börsengang von Borouge an der Börse in Abu Dhabi sowie die endgültige Investitio­nsentschei­dung für die Borouge-4-Anlage in Ruwais in den Emiraten. Sie wird nach Fertigstel­lung der weltweit größte Polyolefin-Komplex an einem Standort sein.

Gangl wolle für eine gute Übergabe bei Borealis sorgen und stehe dem Unternehme­n, wenn gewünscht, noch bis Mitte des Jahres zur Verfügung. Bei welchem Unternehme­n er andocke, werde zeitgerech­t bekanntgeg­eben.

 ?? ?? Thomas Gangl, seit knapp drei Jahren Chef von Borealis und davor knapp 23 Jahre im Mutterkonz­ern OMV tätig, bricht zu neuen Ufern auf.
Thomas Gangl, seit knapp drei Jahren Chef von Borealis und davor knapp 23 Jahre im Mutterkonz­ern OMV tätig, bricht zu neuen Ufern auf.

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