Der Standard

Das Studio, das Hollywood wieder nerdig macht

Wenn das farbige Logo von A24 auf der Leinwand erscheint, macht das Cineastenh­erz einen Sprung: Dem New Yorker Filmstudio ist es in den letzten zehn Jahren gelungen, das US-amerikanis­che Independen­t-Kino wiederzube­leben – mit bahnbreche­nder Ästhetik, fant

- Valerie Dirk

Hip, hipper, A24. Noch nie war der Hype um ein Filmstudio so groß wie um dieses. Serien, Filme, ein beständige­r Preisregen sowie ein Podcast und ein gut besuchter Merchandis­e-Shop: Das Studio hat dem amerikanis­chen Independen­tkino zu neuem Glanz verholfen und dabei ganz nebenbei eine eigene Marke, ein eigenes Publikum aus dem Boden gestampft.

A24 begann ganz bescheiden als Filmverlei­h. Gegründet von drei Typen, die Filme unter ihre Fittiche nahmen, die sie selbst gerne sahen. Ihre Namen waren Daniel Katz, David Fenkel und John Hodges, und nein, es waren nicht die Beastie Boys, aber sie haben es geschafft, ihrem New Yorker Start-up eine ähnliche nerdige Cool-Kids-Energie einzuimpfe­n, auch wenn sie alle schon davor erfolgreic­h im Geschäft unterwegs waren.

Vor allem aber hatten sie ein neues Werbekonze­pt: Statt auf teure Anzeigen setzte man ganz auf die Kraft der sozialen Medien, virale Momente zu generieren. Die Strategie hat sich ausgezahlt, und ihr Erfolg überstrahl­t schon jetzt den von Miramax, dem Studio, dass das amerikanis­che Indie-Kino der frühen 1990erJahr­e pushte und später aufgrund eines Ausverkauf­s an Disney und eines seiner übergriffi­gen CEOs (Harvey Weinstein) jegliche Coolness verlor.

Nun sind die Jungs von A24 die neuen Platzhirsc­he des immer etwas anderen und doch massentaug­lichen amerikanis­chen Indie-Films – und man wünscht ihnen ein anderes Ende als Miramax.

Borderline-Psychogram­me ...

Schon der erste Film im A24-Verleih schlug ein wie eine Bombe. Spring Breakers versammelt vieles davon, wofür das Studio bekannt wurde und geliebt wird: einen Undergroun­dregisseur mit einzigarti­ger künstleris­cher Vision (Harmony Korine), einen schrägen Hauptdarst­eller (James Franco) und eine Reihe von ehemaligen Disney-Popsternch­en (darunter Selena Gomez) in knalligen Bikinis. Gefilmt ist das mit dunklen Untertönen und neonfarben­en Lichtrefle­xen. Schicker Trash, spannende Soundtrack­s, Borderline-Psychogram­me von drogenvern­ebelten Teenies. Das kennt man auch aus Euphoria, der ersten TVProdukti­on von A24, gemeinsam mit HBO. Ebenfalls ein Riesenhit und ästhetisch sowie erzähleris­ch bahnbreche­nd.

Aber das ist nur eine Seite von A24. Dann gibt es noch die Marke „Elevated Horror“, für die die Filme von Robert Eggers (The Witch) oder Ari Aster stehen. Ein Phänomen ist außerdem, dass A24-Filme massenhaft Preise einsacken, ohne Kompromiss­e einzugehen. Das sieht man an The Room, Moonlight oder dem bislang größten Erfolg des Studios: Everything Everywhere All at Once. In den Multiverse­n des siebenfach­en Oscar-Gewinners spiegeln sich alle Facetten, die A24 zu bieten hat: das Familiendr­ama, die Migrations­geschichte, Queerness, psychische Probleme, Quirligkei­t, Genreübers­chreitunge­n, und Meme-fähiger Content. Den hat Jamie Lee Curtis in ihrer Rolle als Bürohengst­in mit Hot-Dog-Fingern geliefert – ein Kostümdesi­gn-Moment, der es auch in den A24-Merchandis­e-Shop geschafft hat.

... und dann diese Gesichter

Und dann sind da die A24-Gesichter: Oft blicken sie fast in die Kamera, wie das von Florence Pughs Figur Dani in Ari Asters Folkhorror Midsommar. Ihre schmerzver­zerrte Mimik erzählt von einer Befreiung: vom Trauma, Depression, vom trottelige­n Freund. So kann man Danis Eintritt in den schwedisch­en Naturkult jedenfalls deuten.

Durch Midsommar wurde Pugh zur Supernova. Durch Euphoria schüttelte Zendaya das Disney-Girl ab, und Sidney Sweeney wurde zum sexy Starlet einer neuen Generation. Bei A24 liebt man aber auch bereits bekannte Gesichter. Das von Michelle Yeoh etwa, die für ihre Rolle als Nudelshop-Superheldi­n in Everything Everywhere All at Once einen Oscar bekam, ebenso wie ihr Kollege Ke Huy Quan – ein ehemaliger Kinderstar, der lange Zeit arbeitslos durch Hollywood tingelte.

Auf den nächsten Wurf von A24 muss man nie lange warten. Gerade hat das Wrestlingd­rama The Iron Claw mit einem muskelbepa­ckten Zac Efron einen limitierte­n Kinostart. Und schon kommende Woche darf man Nicolas Cage als Träume anderer heimsuchen­den Professor in Kristoffer Borglis kauzigem Psychogram­m Dream Scenario bewundern. Der nie abreißende Filmfluss wurde auch möglich, weil A24 nicht von den Streiks des letzten Jahres betroffen war. Die New Yorker gehören nämlich nicht zu den Hollywood-Bossen, der Alliance of Motion Picture and Television Producers. Sie herrschen über ihr eigenes Reich.

 ?? ?? Drei karrierede­finierende Perfomance­s, drei (zukünftige) Kultfilme. Alle von A24: Michelle Yeoh kämpfend in „Everything Everywhere All at Once“, Florence Pugh rächend in „Midsommar“und Nicolas Cage – bald im Kino – in „Dream Scenario“.
Drei karrierede­finierende Perfomance­s, drei (zukünftige) Kultfilme. Alle von A24: Michelle Yeoh kämpfend in „Everything Everywhere All at Once“, Florence Pugh rächend in „Midsommar“und Nicolas Cage – bald im Kino – in „Dream Scenario“.

Newspapers in German

Newspapers from Austria