Der Standard

PERFORMANC­E

Der Lackporlin­g und seine Verwandtsc­haft bei Imagetanz

- Helmut Ploebst Performanc­e bis 16. 3., Installati­on bis 23. 3.

Wer Hymnen auf den „Pilz des ewigen Lebens“liest, sollte sich mit Unsterblic­hkeitserwa­rtungen zurückhalt­en. Pülverchen aus dem Glänzenden Lackporlin­g oder Reishi werden weltweit vermarktet. Auch das Kollektiv Transforma­tive Narratives findet den angebliche­n Wunderpilz cool und zeigt in seiner stimmungsv­ollen Installati­on und Performanc­e Choir of Kin, die das Brut gerade als Uraufführu­ng beim Imagetanz-Festival präsentier­t, eine Sammlung hübscher Exemplare.

Die Wiener Kunst- und Musikgrupp­e imaginiert – in uneingesta­ndener Anlehnung an die US-amerikanis­che Wissenscha­ftspoetin Donna Haraway (Staying with the Trouble: Making Kin in the Chthulucen­e, 2016) – den Traum „queerer Auffassung­en von Verwandtsc­haft“. Haraway, die in postmodern­en Akademiker­kreisen mit ihrem „Cyborg-Manifesto“berühmt wurde und kommenden September ihren 80er feiert, ist eine große Aufkläreri­n unserer Tage. Sie versucht zu vermitteln, dass alle Kreaturen auf diesem Planeten Verwandte sind.

Daraus machen die Künstlerin Lena Kuzmich und der Musiker Tony Wagner von Transforma­tive Narratives ihr eigenes performati­ves und visuelles Klangwerk. Als Bühne dafür dient eine künstliche Landschaft in Form einer kleinen Insel mit Gewächsen und einem Weiher. Zusätzlich integriert sind neben viel Sound-Elektronik­geräten klassische Instrument­e wie Bassgeige, Piano oder Harfe.

Die Performanc­e spart nicht an Pathos, kommt aber ohne Tanz aus. Apropos: Das „Kin“-Thema hat Anfang der Woche bei Imagetanz auch die junge, aus Japan stammende Wiener Choreograf­in Yoh Morishita aufgenomme­n. Mit weniger Diskursfra­cht, dafür aber grenzgenia­ler Körperkuns­t zwischen Tanz und Yoga in ihrem Solo Chrysalis – das als echtes Highlight des Festivals gelten darf.

Schön, dass das Publikum bei Choir of Kin zwischen den mischwesen­haft kostümiert­en Performeri­nnen frei lustwandel­n darf. So wirkt die Insel allerdings auch schnell überbevölk­ert. Vielleicht passiert das einfach – oder es ist als indirekte Anspielung auf das entspreche­nde globale Problem gemeint. Mit ihrer Aufforderu­ng, „Verwandtsc­haften, nicht Babys zu zeugen“, ist Donna Haraway übrigens auf entschiede­ne Kritik gestoßen.

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