Der Standard

Höhere Weihen für den Hort des Bummbumms

- Karl Fluch

Folgt man der Idee, dass Subkulture­n dann vorbei sind, wenn sie ins Museum kommen oder von der Hochkultur absorbiert werden, ist Techno nun endgültig tot. Denn jetzt wurde Berliner Techno von der Unesco zum immateriel­len Kulturerbe erklärt. Wenn also irgendwo „Nzz, nzz, nzz“aus Lautsprech­ern oder Kopfhörern böllert, gilt es nun, nicht gleich ein Schnoferl zu ziehen, es ist ab sofort amtlicherw­eise Kulturvers­tändnis gefordert.

Die Entscheidu­ng ist völlig gerechtfer­tigt. Techno ist eine, wie es so schön heißt, gelebte Kulturtech­nik und war beim Berliner Mauerfall 1989 und danach die dominante, den folgenden Aufbruch begleitend­e Musik. Zuerst auf illegalen Raves gefeiert, wurde Techno binnen weniger Jahre zum Massenphän­omen, das mit der Love Parade ein Aushängesc­hild erhielt.

Waren auf der ersten Love Parade 1989 gerade 150 Leute, gaben sich zehn Jahre später 1,5 Millionen diese Party. Die als politische Demonstrat­ion angemeldet­e Parade war zum norddeutsc­hen Gegenstück des Karnevals in Rio angeschwol­len. Sie stand für harte Beats und vordergrün­dig für Vielfalt und Weltoffenh­eit: für Friede, Freude, Eierkuchen, wie das Motto ursprüngli­ch lautete.

Zehn Jahre später war das Genre vollständi­g kommerzial­isiert – und bei XTC dachte kaum noch jemand an die gleichnami­ge britische Band, sondern an die mit Techno aufgekomme­ne Partydroge, visualisie­rt oft über einen zart dämlichen Smiley.

Die Technokult­ur nutzte die durch den Mauerfall und den Zerfall des Ostblocks entstanden­en Freiräume und etablierte auf dem Terrain einstiger Oppression ein Gefühl der Freiheit. Das monotone, von Kritikern irrlichter­nd in die Nähe des Faschismus gerückte und als mindestens teutonisch eingeschät­zte Fach wurde und wird bis heute mit Berlin assoziiert; mit dem Club Berghain erhielt es zudem einen Tempel für die Anhänger des Bummbumms.

Und man muss eines festhalten: Im Vergleich zu den nun ebenfalls als Kulturerbe ausgerufen­en Errungensc­haften wie „Bergsteige­n in Sachsen“, der „Finsterwal­der Sangestrad­ition in Brandenbur­g“, dem „Kirchseeon­er Perchtenla­uf“in Bayern, der „Schwälmer Weißsticke­rei“aus Hessen oder der „Weinbereit­ung aus Äpfeln, Birnen oder Quitten“im moselfränk­ischen Raum ist Berliner Techno schon um einiges geiler. „Nzz, nzz, nzz.“

 ?? Foto: Getty Images ?? Berliner Techno wird immateriel­les Kulturerbe der Unesco.
Foto: Getty Images Berliner Techno wird immateriel­les Kulturerbe der Unesco.

Newspapers in German

Newspapers from Austria