Atem des Vergänglichen
Fragile Fragmente, filigrane Figurinen, farblose Fassaden führen uns Exemplare einer für die Kunstwelt eminent wichtigen, aber im Normalfall immer im Hintergrund agierenden, selten vor den Vorhang gebetenen, vom Aussterben bedrohten Spezies vor Augen. Das Genre der Restauratorinnen und Restauratoren wird anlässlich der im großen Stil notwendigen und ausnahmsweise ohne allzu enges Zeitkorsett möglichen Neuausrichtung des über Jahre geschlossenen und im Dezember 2023 wiedereröffneten Wien-Museums mittels eines opulenten Bildbands ins Rampenlicht gestellt. Es geht nicht um schön heißt er widerborstig; als klar prononciertes Statement. Restaurieren bedeutet, so die Autorinnen, nicht, alten Glanz wiederherzustellen, sondern die technisch oft hochkomplexe Konservierung, bei der die Geschichte des Objekts erhalten bleiben soll. In einfühlsamen, amüsanten Porträts entlockt Autorin Barbara Beer 15 historischen Exponaten sowie deren Bewahrern einiges an Geheimnissen. Alexandra Czarnecki fügt den Geschichten der ausgewählten, bewusst sehr unterschiedlichen Objekte – vom Elfenbeinzahn, den Papiermodellen, Butzenscheiben, Harnischen, Grillparzers Flügel, Skulpturen, Eckakroterien über ein Gemälde von Schiele, die Originalfiguren des in Hausmasters Voice zum Donnerbrunnen proletarisierten Providentia-Ensembles, Bürgermasters Fiaker, Pardon Galadroschke, bis zum Prater-„Walfisch“– fachspezifische Erläuterungen bezüglich Eigenheiten und Prozess der Aufgaben hinzu. Oszillierend zwischen Handwerk und Hightech, Firnis, Prävention und Korrosion. Selten wirkt Wissen derart anschaulich. In der Melange der Accrochage kommt es zur Auferstehung von manch Deus und Dea ex Patina.
Barbara Beer, Alexandra Czarnecki, „Es geht nicht um schön“. € 28,– / 176 Seiten. Residenz-Verlag, Wien/Salzburg 2023