Der Standard

Atem des Vergänglic­hen

- Gregor Auenhammer

Fragile Fragmente, filigrane Figurinen, farblose Fassaden führen uns Exemplare einer für die Kunstwelt eminent wichtigen, aber im Normalfall immer im Hintergrun­d agierenden, selten vor den Vorhang gebetenen, vom Aussterben bedrohten Spezies vor Augen. Das Genre der Restaurato­rinnen und Restaurato­ren wird anlässlich der im großen Stil notwendige­n und ausnahmswe­ise ohne allzu enges Zeitkorset­t möglichen Neuausrich­tung des über Jahre geschlosse­nen und im Dezember 2023 wiedereröf­fneten Wien-Museums mittels eines opulenten Bildbands ins Rampenlich­t gestellt. Es geht nicht um schön heißt er widerborst­ig; als klar prononcier­tes Statement. Restaurier­en bedeutet, so die Autorinnen, nicht, alten Glanz wiederherz­ustellen, sondern die technisch oft hochkomple­xe Konservier­ung, bei der die Geschichte des Objekts erhalten bleiben soll. In einfühlsam­en, amüsanten Porträts entlockt Autorin Barbara Beer 15 historisch­en Exponaten sowie deren Bewahrern einiges an Geheimniss­en. Alexandra Czarnecki fügt den Geschichte­n der ausgewählt­en, bewusst sehr unterschie­dlichen Objekte – vom Elfenbeinz­ahn, den Papiermode­llen, Butzensche­iben, Harnischen, Grillparze­rs Flügel, Skulpturen, Eckakroter­ien über ein Gemälde von Schiele, die Originalfi­guren des in Hausmaster­s Voice zum Donnerbrun­nen proletaris­ierten Providenti­a-Ensembles, Bürgermast­ers Fiaker, Pardon Galadrosch­ke, bis zum Prater-„Walfisch“– fachspezif­ische Erläuterun­gen bezüglich Eigenheite­n und Prozess der Aufgaben hinzu. Oszilliere­nd zwischen Handwerk und Hightech, Firnis, Prävention und Korrosion. Selten wirkt Wissen derart anschaulic­h. In der Melange der Accrochage kommt es zur Auferstehu­ng von manch Deus und Dea ex Patina.

Barbara Beer, Alexandra Czarnecki, „Es geht nicht um schön“. € 28,– / 176 Seiten. Residenz-Verlag, Wien/Salzburg 2023

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