Der Standard

HALLO, WAS LESEN SIE?

- fragt Manfred Rebhandl

Ob sie, die in Wien, Graz, Klagenfurt oder jetzt in Linz gelebt und gearbeitet hat, eine dieser Städte als so langweilig empfunden hat, dass sie dort zum Lesen geradezu gezwungen wurde? Darauf antwortet sie mit rücksichts­vollem Lachen („Das ist eine gemeine Frage!“) lieber nicht, erzählt dann aber von ihrer Geburtssta­dt St. Veit an der Glan, wo das Lesen sehr wohl eine notwendige Flucht war. „Die Mutter, die als Kärntnerin natürlich Bachmann und Lavant liebte, war Gott sei Dank sehr literatura­ffin. Der Nachschub ist mir nie ausgegange­n.“

Ihre Mutter ist letztes Jahr verstorben, was sie als „elementare­s Ereignis, mit dem nun alle in meiner Generation konfrontie­rt sind“, beschreibt. Und in dieser Zeit der Trauer schenkte ihr ein Freund aus Salzburg das Buch Eigentum von Wolf Haas, in dem dieser die letzten Tage und Wochen seiner eigenen Mutter in einem Pflegeheim beschreibt bis hin zum finalen Abschied. „Ich denke, manchmal passieren solche Sachen, dass einem Bücher im richtigen Moment zufliegen. Haas nimmt dem Ereignis ein wenig die Schwere durch sein distanzier­t leichtes Schreiben, anderersei­ts setzt er seiner Mutter aber auch ein Denkmal. Er beschreibt sie nicht beschönige­nd, sondern in ihrem ganzen Menschsein mit allen guten und schlechten Seiten.“Mit dem Tod müsse man sich konfrontie­ren, sagt sie, „und so ein Buch kann einem vielleicht helfen, einen Prozess in Gang zu bringen“.

Auch wie in diesem Buch die Elterngene­ration beschriebe­n wird, war ihr vertraut: „Die Aufbauzeit, diese Fixierung auf das Schaffen, der Hausbau.“Das alles sei vergänglic­h, und mittlerwei­le hätten sie fünf Geschwiste­r das mit viel Mühe erbaute Eigenheim schweren Herzens verkauft. „So ein Haus ist ja dann, wenn man praktisch nie dort ist, auch mit großen Kosten verbunden.“Bald darauf las sie Maja Haderlaps Nachtfraue­n, und auch darin fand sie viele Motive, die sie kannte. „Der Versuch, ein neues Leben aufzubauen, die Rückkehr, die Entfremdun­g, das Aufarbeite­n des Nachlasses.“Dass Bücher in einer so schweren Phase des Lebens Trost sein können, das war ihr eine schöne Erfahrung.

 ?? ?? Hemma Schmutz (57) ist Kulturmana­gerin und Künstleris­che Leiterin des LentosKuns­tmuseums Linz.
Hemma Schmutz (57) ist Kulturmana­gerin und Künstleris­che Leiterin des LentosKuns­tmuseums Linz.

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