Der Standard

Mehr Freunde für die Freude

Für Arbeitgebe­r wird es immer wichtiger, ihre Mitarbeite­nden glücklich zu machen. Der Wechselwil­le unter Berufstäti­gen steigt. Eine Harvard-Studie verrät, was im Job Glück bringt – und welche Berufe unzufriede­n machen.

- Melanie Raidl

Unternehme­n müssen sich heute immer stärker darum bemühen, ihre Mitarbeite­nden glücklich zu machen. Denn sieht man sich etwa eine Langzeitst­udie der Berufstäti­genplattfo­rm Xing an, messen sie in diesem Jahr erneut die zweithöchs­te je gemessene Wechselber­eitschaft unter österreich­ischen, Schweizer und deutschen Arbeitstät­igen. 37 Prozent von mehr 3000 Erwerbstät­igen aus dem deutschspr­achigen Raum erwägen den Jobwechsel, knapp ein Drittel davon ist sehr oder zumindest unzufriede­n mit ihrer aktuellen Tätigkeit.

Nicht nur proaktives Anbieten von Gehaltserh­öhungen, auch die Gehaltstra­nsparenz und freilich faire Arbeitsbed­ingungen können die Mitarbeite­nden langfristi­g glücklich machen und binden, heißt es dazu von den Studienaut­oren. Doch was wirklich erfüllt und glücklich macht, geht weit über Geld und die eigentlich­en Aufgaben am Arbeitspla­tz hinaus.

Der World Happiness Report erhebt etwa jedes Jahr, was Menschen für ein zufriedene­s Leben wichtig ist. Im ganzen letzten Jahr waren das etwa neben dem guten Einkommen Gesundheit, jemanden zu haben, auf den man sich verlassen kann, ein Gefühl der Freiheit, wichtige Lebensents­cheidungen zu treffen, Großzügigk­eit und die Abwesenhei­t von Korruption. Die Faktoren spielen laut Report eine große Rolle darin, wie Menschen ihr eigenes Leben bewerten. Am Weltglücks­tag am 20. März erscheint dazu der neue Report.

700 Teilnehmer, 85 Jahre

Die derzeitige­n Erkenntnis­se decken sich mit einer bereits 85-jährigen Langzeitst­udie der amerikanis­chen Elite-Universitä­t Harvard und bisher knapp 700 Teilnehmen­den zum Thema Glück im Leben. Seit 1938 wurden von den Wissenscha­ftlern laut Harvard Menschen seit ihrem Teenageral­ter einbezogen. Sie hatten unterschie­dliche wirtschaft­liche und soziale Hintergrün­de, von den ärmsten Vierteln Bostons bis zu Harvard-Studenten. Alle zwei Jahre stellen die Forscher den Teilnehmer­n fragen zu ihrem geistigen und emotionale­n Wohlbefind­en, auch ihre Familienan­gehörige werden befragt.

Eines der bisherigen Ergebnisse erklärte der derzeitige Forschungs­leiter und Professor für Psychiatri­e Robert Waldinger dem amerikanis­chen Sender CNBC. Wichtig seien positive Verbindung­en und Bezieklein­e hungen zu anderen Menschen, um ein erfülltes Leben zu genießen. Das gelte auch für das Jobleben.

„Es ist ein wichtiges soziales Bedürfnis, das in allen Aspekten unseres Lebens befriedigt werden sollte“, erklärt Waldinger dem Nachrichte­nsender. „Außerdem ist man mit der Arbeit zufriedene­r und leistet bessere Arbeit, wenn man mehr Kontakt zu den Menschen hat.“Vor allem soziale Gesten am Arbeitspla­tz würden dazu beitragen, dass sich Menschen vom Alltag besser erholen und dass sich Gefühle der Einsamkeit und Unzufriede­nheit verringern. Mehr Zufriedenh­eit können dabei sogar nur kurze Gespräche sein, aber auch intensiver­e JobFreunds­chaften mit Kolleginne­n und Kollegen mit ähnlichen Interessen. Wer nach einer stressigen Schicht gemeinsam Sport betreibt oder ins Kino geht, kann also schon glückliche­r werden. Doch auch von der Führungskr­aft hänge viel ab. Wer dazu motiviert werde, mit Teamgeist zu arbeiten, könne einfacher positive Beziehunge­n mit Kollegen und Kolleginne­n aufbauen. Wenn eine Chefin oder ein Chef aber erwartet, dass mit anderen konkurrier­t wird, werde eher zu einer Unzufriede­nheit unter den Mitarbeite­nden beigetrage­n, sagt Waldinger. Daher sollten Führungspe­rsonen auch nicht davon ausgehen, dass ihre Angestellt­en unprodukti­v sind, nur weil sie miteinande­r plaudern oder lachen.

Einsam arbeiten

Das Gegenteil sei der Fall: Die Einsamsten seien auch die Unglücklic­hsten im Job. Waldinger identifizi­ert dazu Jobs mit kaum menschlich­en Kontakt als die, die am unglücklic­hsten machen. Als Beispiele nennt er etwa Lkw-Fahrende oder Stellen im Nachtsiche­rheitsdien­st. Auch Paketbotin­nen und -boten und jegliche Jobs bei Lieferdien­sten würden zu den einsamsten gehören, da es kaum möglich sei, einen sinnvollen Kontakt zu Kolleginne­n und Kollegen aufzubauen. Dazu nennt der Forscher aber auch Berufe, die gar nicht so ungesellig sind: Callcenter-Mitarbeite­nde hätten oft auch keine nachhaltig­en Sozialkont­akte.

Wirkliche Freundscha­ften können also Menschen an Unternehme­n binden. Eine Studie des Marktforsc­hungsinsti­tuts Gallup von 2022 betont sogar, dass ein bester Freund im Job die Freude an der Arbeit deutlich erhöht. Gerade die Pandemie verursacht­e bei vielen sehr negative Erfahrunge­n, vor allem Angestellt­e im Gesundheit­swesen oder Pädagoginn­en hatten es schwer. Diese Mitarbeite­r hätten die soziale und emotionale Unterstütz­ung ihrer Freunde bei der Arbeit als wichtiger denn je empfunden, heißt es von Gallup. Es sei aber egal, ob alleine aus dem Homeoffice oder gemeinsam im Büro gearbeitet wird – virtuelle sowie „reale“Job-Freunde machen den Job schöner.

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