Bleibt die Kritik am Chef anonym?
Einige Politiker wollen eine Klarnamenpflicht im Internet. Vor allem Jobrezensionen sind aber heikel, denn Bewertenden könnte die Kündigung drohen. Ein Ausblick.
Der frühere Mitarbeiter kann seinen Arbeitgeber wohl absolut nicht empfehlen. „Richtig scheiße“, so lautet die Überschrift der Bewertung für die IT-Dienstleistungsfirma in Wien. Es wird noch detaillierter. Die Person hat sich offenbar „wirklich verarscht“gefühlt durch das Verhalten der Vorgesetzten. Wer die ausführliche Bewertung geschrieben hat, sieht man nicht.
Auf der Plattform Kununu können aktuelle und ehemalige Berufstätige ihre Arbeitgeber bewerten, ohne dabei erkannt zu werden. Gerade in diesem Segment ist Anonymität besonders gefragt, denn im Gegensatz zu Onlinebewertungen von Hotels und Restaurants könnten bei der negativen Meinung über die Arbeitsstelle Kündigungen oder Verwarnungen drohen. Und was, wenn bald die Klarnamenpflicht auf Plattformen wie Kununu, Stepstone, Indeed und Co kommt?
Ein Vorstoß der ÖVP fordert genau das: Klarnamenpflicht im Internet. Digitalisierungsstaatssekretär Florian Turksy erklärte in einer Pressekonferenz, er wolle Fake-Bewertungen und Hass im Netz verhindern, indem Betriebe oder Unternehmen die Person hinter einem Pseudonym identifizieren können sollen. Sie stellten dazu eine Umfrage des Instituts für Demoskopie und Datenanalyse (IFDD) vor. 70 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher würden bei Onlinerezensionen ihren echten Namen angeben, 22 Prozent bleiben anonym. Die meisten würden sich außerdem eine Klarnamenpflicht bei Hotelbewertungen und Kommentaren in den Medien wünschen. Die Bewertungsplattformen von Arbeitgebern und Jobs wurden nicht thematisiert. Wer sich aber durch die besagten Plattformen klickt, wird kaum Klarnamen finden. Dabei folgen Unternehmen den Rezensionen durchaus.
Erst kürzlich ging ein Unternehmen in Hamburg vor Gericht, weil es sich durch negative Bewertungen diffamiert gefühlt hatte. Das Oberlandesgericht Hamburg entschied im Februar, die Betreiber der Plattform Kununu sollen den Namen der oder des Bewertenden nennen. Ansonsten müsse der Erfahrungsbericht gelöscht werden. Der Bundesgerichtshof in Deutschland entschied Ähnliches bereits einige Male zuvor und gab Regeln für die Bewertungsplattformen vor. Klagt eine Firma über eine vermeintlich falsche Aussage, muss Kununu überprüfen, ob eine Person wirklich in dem betroffenen Unternehmen gearbeitet hatte.
Details noch offen
In Österreich gab es bisher zumindest keine bekannten Fälle, die vor Gericht gingen oder derart beanstandet wurden. Aber was sagen die Plattformen zu dem Vorstoß aus der Politik? Gefährdet eine Klarnamenpflicht ihr Geschäftsmodell? „Wir stimmen dem Digitalisierungsstaatssekretär zu“, sagt ein Sprecher von Kununu dem STANDARD. „Plattformen sollten gegen Hassrede und Fake-Bewertungen vorgehen. Das tun wir tatsächlich längst.“Jede Bewertung durchlaufe zunächst eine technische automatisierte Kontrolle. Wenn der Algorithmus Auffälligkeiten identifiziere, werde die betreffende Bewertung manuell intern vom Qualitäts- und Supportteam überprüft. Dabei würde die Firma selbst auch mit der Anonymität der Nutzerinnen und Nutzer kämpfen – diese entspreche aber dem Kern und der Überzeugung der Plattform, heißt es.
Für eine Bewertung ist eine gültige E-Mail-Adresse erforderlich. „Eine Überprüfung der Identität erfolgt dann, wenn nachgewiesen werden soll, dass die bewertende Person tatsächlich in dem bewerteten Unternehmen gearbeitet hat.“Nutzerinnen und Nutzer werden dann gebeten, einen Tätigkeitsnachweis zu senden – etwa Gehaltsnachweise oder Arbeitsverträge. Kununu schwärze dann sensible Daten, die auf die Identität der Bewertenden Rückschluss geben.
Wenig Sorgen macht sich auch die Jobplattform Stepstone in Bezug auf ihr Geschäftsmodell. „Unser Geschäftsmodell basiert auf Stellenanzeigen“, erklärt eine Sprecherin. Die Arbeitgeberwertungen seien nur ein kleines Feature, das nicht monetarisiere. „Insofern stellt sich für uns die Frage gar nicht.“Die Bewertungen würden vor Veröffentlichung aber einem Qualitätscheck unterlaufen, ein eigenes Team würde moderieren und prüfen, ob die Bewertung verständlich geschrieben sei und ob sie diskriminierende Inhalte einschließe. Wenn Rechte verletzt würden, würde die Bewertung angepasst und dann erst online gehen. In der Eingabemaske in der Webseite würden die Nutzerinnen und Nutzer jedenfalls absolute Anonymität haben.
Darauf, ob nun Arbeitgeberbewertungsplattformen bei dem ÖVP-Vorschlag mitgemeint wären, sagt der Sprecher von Digitalisierungsstaatssekretär Tursky, es sollten möglichst alle Plattformen darunter fallen. Aber es ginge nicht darum, Klarnamen einfach so herauszugeben. Gerichte sollten entscheiden, ob es sich etwa um eine Rufschädigung oder falsche Bewertung handelt. Anstelle eines Ausweises könnte zudem eine Art Identifizierungstoken, durch den Behörden einzelne Personen identifizieren können, genutzt werden. Die konkreten Details müssen aber noch ausgearbeitet werden.