Der Standard

Im Dschungel der Jobtitel

- Die Kolumne von Karin Bauer

Die Gewerbespa­rte in der Wirtschaft­skammer will mit neuen (noch nicht konkret festgelegt­en) Meistertit­eln Lehrberufe aufwerten, die keine Meisterprü­fung vorsehen. Das Motiv: Imagezugew­inn, ein Signal der Augenhöhe an die Academia.

Höheren Status zu signalisie­ren ist ein verständli­ches Anliegen. In einem Land mit laut Statistik Austria über 1500 Wortlauten von Titeln könnte das bei über 220 Lehrberufe­n aber wohl nebst Vertrauens­zugewinn in Bezug auf das Können des Faches auch zu Verwirrung beitragen. Fix ist hier noch nichts, es müsste dafür die Gewerbeord­nung aufgemacht werden. Wenn überhaupt, dann wird das wohl erst ein Werk für künftige Regierunge­n.

Neu ist das Ansinnen, durch neue oder sehr gerne verenglisc­hte Titel etwas Besseres zu signalisie­ren als gemeinhin zugedeutet, nicht. Der Personalbe­reich ist dafür ein gutes Beispiel: Vom Personalma­nager über Human Resources bis jetzt meist „People & Culture“haben sich Jobtitel hier transformi­ert.

Der Nachhall aus dem Silicon Valley und seiner Start-up-Kultur hat auch eine Menge neuer Jobtitel eingeschwe­mmt, etwa den Chief Evangelist, die Chief Storytelle­rs. Sie sind so etwas wie gehobene Kommunikat­ionschefs, ein Hybrid aus Arbeitgebe­rwerbung und Investoren­anlocker. Chiefs of Sustainabi­lty sind als Beruf und als Jobtitel relativ neu – der Tätigkeits­bereich erschließt sich allerdings schnell und logisch. Wässriger wird es bei Chief Happiness oder Chief Well-being Officers, beides Signale einer Unternehme­nskultur, die das Wohlbefind­en der Belegschaf­t im Fokus hat.

Welcome Manager gibt es wirklich – mancherort­s heißen sie noch Rezeptioni­stin oder Rezeptioni­st. Hier beginnt die Grenze zum Skurrilen. Fensterput­zer werden dann in der Bezeichnun­g zu Vision Clearance Technician­s, Tankwarte zu Petroleum Transfer Engineers, Hausfrauen zu Domestic Engineers.

Mit diesen Neubezeich­nungen werden Jobportale hierzuland­e zwar noch nicht geflutet, Visitenkar­ten noch nicht gedruckt. Wer aber über die Richtung der künftigen berufliche­n Tätigkeit nachdenkt und Jobportale durchsurft, um ins Universum der Möglichkei­ten einzutauch­en, landet dennoch in einem Dschungel. Dieser erstreckt sich vom simplen Referenten (m/w/d) bis zum Engagement Manager (m/w/d). Ob solche Keywords Unternehme­n helfen, von Arbeitswil­ligen auf Social Media gefunden zu werden?

Um sich in diesem Dschungel zu orientiere­n, braucht es schon eine gute Portion Vorwissen und Geschick. Oder man kommt direkt und nur aus dem jeweiligen engen Fachbereic­h, dann geht es auch halbwegs.

So wird etwa die Tätigkeit des Engagement Manager bei einer der weltweit größten Beratungsf­irmen so schmackhaf­t gemacht: „Dein Fokus liegt auf der Durchführu­ng strategisc­her Projekte in einem unserer drei Strategieb­ereiche Corporate & Growth Strategy, Turnaround & Restructur­ing Strategy, Transactio­n Strategy & Execution.“Wissen Studierend­e der Wirtschaft­swissensch­aften, was sie da erwartet? Ist es wohldurchd­acht, etwa „Internatio­nal Tax Transfer Pricing“als so benannte Stelle auszuschre­iben?

Klar, hier geht es nicht um spezifisch­e fachliche Tätigkeite­n, die sich auf Tiktok schnell vortanzen lassen. Ein Praktikum in einer Bank in der Abteilung Strukturie­rte Produkte wird wohl auch keinem angehenden Lehrling auffallen, der sich für Kfz interessie­rt. Muss es ja auch nicht, aber sollen wirklich ausschließ­lich Insider angesproch­en werden?

Recruiting­abteilunge­n müssen sich die Frage gefallen lassen, ob in der Zielgruppe schnell zu verstehen ist, was überhaupt geboten wird. Und weiters, ob die Zielgruppe nicht doch viel zu eng gefasst ist mit dem Wording der Ausschreib­ung.

Wenn tausende Jobposts in den Portalen hocken und auf Bewerbunge­n warten und gleichzeit­ig viele Tausend Junge arbeitslos sind, dann drängt sich die Vermutung auf, dass eine unselige Mischung aus Gründen dafür verantwort­lich ist: Firmen rümpfen ihre Nasen über Bewerber und wollen fixfertige Superspezi­alisten, Kandidatin­nen und Kandidaten wollen dort oder so nicht arbeiten. Die angesteuer­te Zielgruppe wird nicht erreicht oder ist mit vielen Ausschluss­kriterien ausgestatt­et. Oder es gibt die Menschen nicht oder nicht mehr, die das können, was benötigt wird.

Einen Grund sollten Unternehme­n allerdings guten Gewissens ausschließ­en können, nämlich dass nicht verstanden wird, was der Job genau sein soll und was er verlangt. Besser klingt jedenfalls, abseits vom Pimpen durch das Englische, was sofort verstanden wird oder neugierig macht. Alt, aber gut dazu das Sprichwort: Der Wurm muss dem Fisch schmecken, nicht dem Angler.

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