Der Standard

Geheimoper­ation Homeoffice

- Die Kolumne von Bernadette Redl

Vor vielen Jahren hatte ich einen Schulkolle­gen im Gymnasium, der sich immer wieder morgens nach Verlassen des Hauses durch die Hintertür wieder hinein, in sein Zimmer in den ersten Stock, schlich und so tagelang die Schule schwänzte. Seine Eltern und die Lehrerinne­n und Lehrer merkten nichts. Irgendwann bei einem Elternaben­d flog die Sache dann doch auf.

Seit ich ein Kleinkind habe, komme auch ich mir manchmal so vor, als wäre ich Teil so einer Geheimoper­ation. Und zwar dann, wenn ich an Homeoffice-Tagen unserem Zweijährig­en vorgaukle, dass ich ins Büro gehe: Ich verabschie­de mich, ziehe meine Jacke an, schnappe mir meinen Rucksack und verlasse die Wohnung.

Während mein Sohn und sein Vater danach im Schlafzimm­er aus dem Fenster schauen oder ein Buch lesen, schleiche ich mich heimlich wieder rein und verschanze mich im Arbeitszim­mer, wo ich zuvor schon alles aufgebaut habe, was ich für ein paar Stunden arbeiten brauche: Wasserflas­che, Laptop, Telefon und Ladekabel.

Das alles klingt drastisch, ist aber leider notwendig. Denn wenn mein Sohn weiß, dass ich zu Hause bin, ist an Arbeiten nicht zu denken. Da wird geweint und geschrien, bis ich mit ihm spiele, oder er schnappt mir regelmäßig den Laptop weg.

Unsere Scharade ist vorbei, wenn sein Papa und er sich Richtung Kindergart­en aufmachen, dann kann ich mein Versteck wieder verlassen, aufs Klo gehen, laute Telefonate führen und muss auch die Nieser und Huster nicht mehr unterdrück­en. Dann denke ich an meinen Schulkolle­gen von vor 15 Jahren und frage mich, wie er das mit Klogang wohl gehandhabt hat.

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