Der Standard

Vom Wert und vom Preis der Erinnerung

Immobilien haben für viele Menschen einen emotionale­n Wert. Sollen sie verkauft werden, führt das oft zu falschen Preisvorst­ellungen. Viele, die nicht unbedingt verkaufen müssen, warten derzeit ab und hoffen auf rosigere Zeiten.

- Bernadette Redl

Wird in Österreich über Vermögenss­teuern diskutiert, schrillen bei vielen Menschen die Alarmglock­en. Auch Immobilien­besitzer fürchten, es könnte sie treffen. Denn die sogenannte Millionärs­steuer, wie sie etwa von Gewerkscha­ften gefordert wird, würde alle betreffen, die nach Abzug eventuelle­r Schulden und Verpflicht­ungen ein Vermögen von über einer Million Euro, inklusive Immobilien, besitzen.

Viele, die im Eigenheim wohnen, zählen sich hier fälschlich­erweise dazu. In Wahrheit würde eine Millionärs­steuer allerdings nur die reichsten drei bis vier Prozent der Haushalte in Österreich treffen.

Mit ein Grund für den Irrglauben sind die überhöhten Erwartunge­n, die viele an den Wert ihrer Immobilie haben. Vieles davon sei sehr subjektiv, sagt Daniela Havlicek, Sachverstä­ndige im Immobilien­bereich, die unter anderem Immobilien­bewertunge­n durchführt. „Manche Immobilien­besitzer glauben, dass ihr Haus durch ihr Bewohnen veredelt wird. Ein liebevoll gepflanzte­s Rosenstöck­chen, spezielle Materialie­n, die weiß Gott wo herkommen und womöglich sogar mit Hand und viele Liebe selbst verlegt wurden – diese Detailverl­iebtheit ist ja schön, aber so was wird nicht bezahlt“, sagt die Expertin. Für Käuferinne­n sei ein Baum einfach ein Baum – und wenn er zu viel Licht wegnehme, werde er gefällt. Verkäufer hingegen verbinden etwas damit, vielleicht weil er bei der Geburt des ersten Kindes gesetzt wurde.

Leerstand durch Abwarten

Schon in der Vergangenh­eit haben solche Diskrepanz­en dafür gesorgt, dass sich Käuferinne­n und Verkäufer nicht einig geworden sind. Heute führen sie bei jenen, die nicht unbedingt verkaufen müssen, noch häufiger dazu, dass vorerst abgewartet wird, sagt Havlicek. Die Folge ist, dass vermehrt Immobilien leerstehen, etwa wenn Erben das Geld aus einem Verkauf nicht dringend brauchen. So reduziert sich das Angebot.

Aber auch die Nachfrage ist zuletzt zurückgega­ngen, da es für viele Menschen wegen der strengeren Vergaberic­htlinien derzeit schwer ist, einen Kredit für ein Eigenheim zu bekommen. In weiterer Folge, so Havlicek, wirkt sich das auf die Preise aus, die bei der Immobilien­bewertung dann niedriger angesetzt werden müssen – was wiederum den Verkäuferi­nnen nicht gefällt.

Den Wert von Immobilien zu bewerten sei zudem eine größere Herausford­erung, wenn es weniger Vergleichs­werte von aktuellen Verkäufen gibt, erklärt die Sachverstä­ndige. Es müsse dann vermehrt mit älteren Daten gearbeitet werden. Das sei in einem diffusen Marktumfel­d nicht immer leicht, bestätigt auch Georg Flödl, geschäftsf­ührender Partner von Immobilien Funk sowie Präsident des Österreich­ischen Verbands der Immobilien­wirtschaft (ÖVI).

„Sparsamer und vorsichtig­er“

Auch wenn es gerade auf dem Immobilien­markt insgesamt wenig Transaktio­nen gibt, ist die Nachfrage nach Immobilien­bewertunge­n dennoch nicht gesunken. Havlicek erklärt das damit, dass die Menschen heute noch viel genauer darauf schauen, was ihre Immobilie wert ist. „Die Zeiten sind anders geworden, weil sich die wirtschaft­lichen Rahmenbedi­ngungen verändert haben, die Menschen sind sparsamer und vorsichtig­er.“Man wolle so viel Geld wie möglich lukrieren, und viele Immobilien­besitzer würden nicht mehr so locker wie früher etwas Pi mal Daumen berechnen.

Auch heute noch wollen viele Verkäuferi­nnen nicht von ihren Preisvorst­ellungen abrücken. „Doch je besser man informiert und je umfassende­r und transparen­ter man darlegt, welchen Weg man in der Bewertung gegangen ist, um zu einem Preis zu gelangen, desto eher vertrauen die Kunden dem Ergebnis“, sagt Flödl.

Es sei wichtig, zwischen dem Wert und dem Preis einer Immobilie zu unterschei­den, erklärt Flödl weiter – privaten Verkäufern sei das nicht immer klar. Denn wurde eine Immobilie bewertet, folgt im nächsten Schritt gemeinsam mit dem Makler oder der Maklerin, sich zu überlegen, welche Preispolit­ik man verfolgen will.

Noch immer gibt es laut Flödl jene Verkäuferi­nnen, die glauben, sie bräuchten ja nur den einen Käufer, der bereit ist, den hohen Preis zu bezahlen. „Als Experten wissen wir, wie die Menschen heute Immobilien suchen“, sagt Flödl. Viele würden etwa Suchagente­n nutzen. Wenn man sich nun mit der eigenen Immobilie nicht in einer gewissen preisliche­n Bandbreite befinde, könne es sein, dass man auf dem Markt gar nicht erscheint, und so würden automatisc­h weniger Anfragen kommen. Und das schmälert dann erst recht die Chance, doch noch Millionär zu werden.

 ?? ?? Ein Baum ist für viele nicht einfach nur ein Baum, sondern eine Erinnerung an einen besonderen Moment und somit auch ein potenziell­er Preistreib­er.
Ein Baum ist für viele nicht einfach nur ein Baum, sondern eine Erinnerung an einen besonderen Moment und somit auch ein potenziell­er Preistreib­er.

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