Der Standard

Altbauwohn­ung als Auslaufmod­ell

Für viele Menschen gehören die Erinnerung­en an das Leben in der günstigen Wohnung zum Studium dazu. Nur sind diese Wohnungen heute immer schwerer zu finden.

- Franziska Zoidl

Jahrzehnte­lang gehörte sie zum Studieren dazu: die Altbauwohn­ung, in der Wohngemein­schaften auf vielen Quadratmet­ern um wenig Geld wohnten, studierten und feierten. Die Erinnerung­en und die daraus entstanden­en Freundscha­ften begleiten viele Menschen ihr Leben lang.

Lisa steht am Anfang dieser Erinnerung­en: Vor einer Woche ist die 24-Jährige in eine Dreier-WG in Wien eingezogen. Noch nie zuvor hat die Tiroler Studentin im Altbau gelebt. Die hohen Decken und Türen haben sie aber schon immer fasziniert: „Ich liebe den Charme der knarrenden Böden“, sagt sie.

Es zieht

Die Schattense­ite eines unsanierte­n Altbaus hat sie in den ersten paar Tagen in ihrem neuen Zuhause aber auch bereits kennengele­rnt: „Es zieht und ist extrem kalt derzeit“, sagt sie. Wenn sie ins Bett geht, zieht sie sich ihren dicken Kapuzenpul­li über. Und für die Spinnweben, die sich oben am Plafond bilden, muss sie erst noch einen Besen kaufen gehen.

600 Euro Gesamtmiet­e zahlt Lisa für ihr vollmöblie­rtes 20-Quadratmet­er-Zimmer. Und damit zeigt sich schon das erste Problem: So günstig, wie die großen Wohnungen früher waren, sind sie nicht mehr. Zwar ist die Nettomiete im Altbau gedeckelt, aktuell liegt sie in Wien bei 6,67 Euro pro Quadratmet­er und Monat – dazu kommen aber noch teils sehr intranspar­ente Zuschläge.

Auch die Betriebsko­sten sind in den letzten Jahren stark gestiegen – eine große, zugige Wohnung muss im Winter nämlich erst einmal beheizt werden. Für die wirklich großen Wohnungen, die über 130 Quadratmet­er groß sind, gilt der Richtwertm­ietzins zudem nicht, es darf also mehr Miete verlangt werden – was den großen Träumen von der WG im Altbau häufig einen Strich durch die Rechnung macht.

Die Suche nach einer wirklich günstigen Wohnung gleicht heute der Suche nach der Nadel im Heuhaufen: „Die 120-Quadratmet­erWohnung um 700 oder 800 Euro gibt es nur noch im Souterrain oder direkt am Gürtel“, sagt der Wiener Immobilien­makler Michael Pfeifer. Häufig kämen die ganz großen Altbauwohn­ungen auch gleich gar nicht auf den Markt, erklärt Immobilien­maklerin Karina Schunker von EHL Immobilien. Sie würden oft entweder gleich innerhalb des Hauses oder der Familie des Vermieters weitergege­ben oder, wenn sie sanierungs­bedürftig sind, als Eigentumsw­ohnungen abverkauft, um die Sanierung nicht stemmen zu müssen.

Aber auch die Konkurrenz am Wohnungsma­rkt ist größer geworden: Weil die Kreditverg­abe-Richtlinie­n streng und die Zinsen hoch sind, verschiebe­n viele Menschen ihren Traum vom Eigenheim auf später – und machen sich erst einmal lieber auf die Suche nach einer Mietwohnun­g.

Große Altbauwohn­ungen eignen sich nicht nur für Studierend­e, sondern ganz besonders auch für Familien – und diesen würde im Zweifel von vielen Vermieteri­nnen und Vermietern der Vorzug gegeben, weil man laute Partys im Haus und Stress mit den Nachbarn befürchtet. Und auch deshalb, weil Studierend­en-WGs für Vermieteri­nnen und Vermieter mehr Aufwand bedeuten, wie Makler Michael Pfeifer betont – besonders dann, wenn mit allen Bewohnerin­nen und Bewohnern ein Mietvertra­g abgeschlos­sen wird und sich diese dann ständig ändern.

In der Regel wird daher eine andere Variante bevorzugt, nämlich dass der Mietvertra­g nur mit einer Person abgeschlos­sen wird – die dann dafür aber im schlimmste­n

Fall allein haftet, wenn der Mitbewohne­r die Miete nicht zahlt. Und wer kein regelmäßig­es Einkommen hat, braucht heute in der Regel einen Bürgen. Nicht alle Eltern sind bereit, diese Rolle zu übernehmen – auch daran kann die Altbauwohn­ung scheitern.

Ausweg: Studentenh­eim

Bei der Maklerin Karina Schunker gibt es immer wieder Suchanfrag­en von Studierend­en. Mitunter scheitere die WG dann aber auch an der Raumauftei­lung im Altbau. Häufig seien Zimmer nicht getrennt begehbar oder unterschie­dlich groß. Eine kompakte Neubauwohn­ung eigne sich da besser, ist Schunker überzeugt. Der Haken: Auch im Neubau ist das Angebot an größeren Wohnungen mager, weil in den letzten Jahren hauptsächl­ich kleine Wohnungen gebaut wurden.

Am Ende würden sich viele junge Menschen angesichts der mageren Ausbeute am Wohnungsma­rkt für ein Studierend­enheim entscheide­n – oder eine kleine Wohneinhei­t für sich allein.

Die erwähnte Lisa freut sich, dass sie nicht allein wohnen muss. Gänzlich überzeugt ist sie aber nach einer Woche nicht: Ein Kochabend, den sie organisier­en wollte, hat eher wenig Anklang gefunden. Und den eigentlich versproche­nen Putzplan hat sie bis heute nicht zu Gesicht bekommen: „Ich glaube, für eine WG bin ich zu pingelig.“

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Die Wohnungssu­che ist für Wohngemein­schaften und Familien komplizier­ter geworden.

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