Der Standard

Was die Logistik heuer bewegt

Vom Raketenbes­chuss der Frachter im Roten Meer über künstliche Intelligen­z bis zu neuen Nachhaltig­keitsgeset­zen: 2024 wird ein spannendes und herausford­erndes Jahr für die Transportw­irtschaft.

- Alois Pumhösel

Handelssch­iffe, die das Rote Meer passieren, werden von Drohnen und Raketen getroffen. Todesopfer und ein versenkter Düngerfrac­hter gehören zu den ersten Folgen. Die Angriffe der HuthiRebel­len, eine direkte Folge der kriegerisc­hen Eskalation in Nahost, bringen eine neue und potenziell längerfris­tige Störung in die globalen Supply-Chains. Im Roten Meer sank die Zahl der Schiffe zeitweilig um mehr als die Hälfte, ContainerF­rachtraten stiegen an. Der Frachtschi­ffverkehr nimmt zum Teil die zeitaufwen­digere und teurere Route rund um Afrika.

Geopolitis­che Risiken

Offen bleibt, ob und wie schnell das militärisc­he Eingreifen von USA, Großbritan­nien und EU die bedrohte Straße von Bab-el-Mandeb wieder sicherer macht. Nach den Kalamitäte­n im Zuge der CoronaPand­emie und eines feststecke­nden Frachtschi­ffes im Suezkanal ist das Kriegsgehe­ul am Roten Meer eine weitere Unsicherhe­it. Sie wirft die Frage auf: Ist die Zeit des ungebremst­en globalen Güterverke­hrs vorbei? Die Raketen der Huthis sind dabei nur ein Stein im Mosaik neuer geopolitis­cher Risiken für die Logistikbr­anche. Einer der größten Unsicherhe­itsfaktore­n ist, dass Donald Trump erneut US-Präsident werden könnte. Den USA droht damit ein Rückfall in eine protektion­istische Wirtschaft­spolitik, in der Handelskri­ege und Zollerhöhu­ngen an der Tagesordnu­ng stehen – sie würden auch die Transportw­irtschaft betreffen. Gleichzeit­ig wird China autoritäre­r, erhebt neue Machtanspr­üche und wird wirtschaft­lich weniger verlässlic­h. Der Ukrainekri­eg samt Sanktionen tut das Seinige, die gut eingespiel­ten Liefersyst­eme auszuhebel­n.

Die Entwicklun­g stellt neue Ansprüche an das Supply-Chain-Management. Resilienz, Diversifiz­ierung, Redundanz und Re-Regionalis­ierung sind die Schlagwort­e, die 2024 prägen werden. Diese neuen Handlungss­trategien könnten das Verständni­s, wie globale Logistik strukturie­rt werden, grundlegen­d verändern – weg vom bisherigen Denken in linearen Lieferkett­en hin zu einem verstärkte­n Denken in Netzwerken. Es reicht nicht mehr, allein direkte Kunden und Lieferante­n im Blick zu haben. Zunehmend wichtig wird ein umfassende­r Überblick über alle Akteure entlang der Wertschöpf­ungsketten, in die das eigene Unternehme­n involviert ist. So werden vorausscha­uende Analyse und Minimierun­g von Risiken möglich. Es lassen sich Nadelöhre im Netzwerk identifizi­eren und rechtzeiti­g Alternativ­en finden.

Lieferkett­en im Fokus

Zudem sieht die nun erfolgte EUEinigung zu einem Lieferkett­engesetz vor, dass größere Unternehme­n ihre gesamte Supply-Chain in einem risikobasi­erten Ansatz auf Verstöße gegen Umweltschu­tz, Menschenun­d Arbeitsrec­ht überprüfen – auch hier könnten Neustruktu­rierungen des Zulieferne­tzwerks erforderli­ch werden. Zu den wesentlich­en Werkzeugen, um Netzwerkch­arakter und Risiken im Liefernetz­werk im Blick zu behalten, gehören komplexe mathematis­che Methoden und künstliche Intelligen­z. Gerade MachineLea­rning-Anwendunge­n boomen auch in der Logistik und stellen immer ausgefeilt­ere Methoden zur Optimierun­g von Lagerhaltu­ng, Transporta­uslastung, Routen und Lieferzeit­punkten bereit. 2024 wird die Praxisdurc­hdringung dieser Tools weiter stark ansteigen.

Ein Ziel ist die „selbstlern­ende Supply-Chain“, die Produktion und Transporte über Unternehme­nsgrenzen hinweg optimiert. Getrieben von einem Fachkräfte­mangel wird zudem erwartet, dass der Einsatz der KI-gestützten Robotik in der Logistik ansteigt. Automatisc­he Verpackung und autonomer Transport in Logistikze­ntren gehören zu den stark wachsenden Anwendungs­gebieten. Laut Internatio­nal Federation of Robotics (IFR) ist die Nachfrage nach Robotikpro­dukten in der Logistik sprunghaft gestiegen. Demnach wuchs der Umsatz von Transportr­oboter 2021 und 2022 um insgesamt 44 Prozent.

Die Effizienz, die mit den neuen technologi­schen Hilfsmitte­ln erreicht werden, wirken sich auch positiv auf Ressourcen­verbrauch und Klimaschut­z aus. Doch das ist nur ein Mittel, durch das eine Ökologisie­rung der Transportw­irtschaft vorangetri­eben wird. Der European Green Deal bringt zahlreiche Regulierun­gen in den Bereichen Umwelt, Soziales und verantwort­ungsvolle Unternehme­nsführung. Im Geschäftsj­ahr 2024 müssen größere Unternehme­n etwa erstmals Regeln zu einer Nachhaltig­keitsberic­hterstattu­ng umsetzen.

Wettbewerb­svorteil

Noch umfassende­r werden die Dokumentat­ions- und Berichtspf­lichten durch das nun beschlosse­ne EU-Lieferkett­engesetz. Sie sollen mehr Transparen­z in die SupplyChai­n bringen. Dafür braucht es neue Formen der Kooperatio­n und technisch vermittelt­en Interaktio­n zwischen Unternehme­n – was auch Chancen abseits der Nachhaltig­keit bietet. Besonders gute Nachhaltig­keitsdaten können zum Wettbewerb­svorteil werden, die hohe Transparen­z kann auch der effiziente­n und reibungslo­sen Zusammenar­beit dienlich sein.

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Foto: Getty Images Containers­chiffe im Suezkanal: Nicht nur die angespannt­e Lage in Nahost stellt die Logistikbr­anche heuer vor Herausford­erungen.

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