Der Standard

Pingpongsp­iel um Flüchtling­e in Großbritan­nien

Ober- und Unterhaus streiten über jenes Gesetzespa­ket, das künftig die Abschiebun­g Geflüchtet­er nach Ruanda möglich machen soll. Für Premier Rishi Sunak geht es dabei um seine politische Zukunft.

- Manuel Escher

Ein Vertrauens­beweis sieht anders aus. Auf die Frage eines britischen Umfrageins­tituts, wen sie gerne an der Spitze ihrer Partei sehen würden, antwortete­n jüngst nur noch 45 Prozent der Konservati­ven mit dem Namen ihres gegenwärti­gen Premiers: Rishi Sunak. Keine beneidensw­erte Ausgangsla­ge also für den einstigen Hedgefonds-Manager, der nach allen Voraussage­n noch im heurigen Herbst die britischen Tories in eine Neuwahl des Unterhause­s führen muss. Im Hintergrun­d werden innerhalb der Partei bereits die Messer gewetzt, zahlreiche Hardliner machen sich bereit für die Nachfolge von Sunak für den Fall der erwarteten großen Wahlnieder­lage.

Zeit daher für Sunak, einen Erfolg vorweisen zu können. Und dafür hat der Premier bereits seit Monaten die Abschiebep­olitik im Auge, in der er mit besonderer Härte glänzen und seinen internen Herausford­erern und Herausford­erinnen das Wasser abgraben will. Endlich sollen vor allem die Pläne der Regierung umgesetzt werden, jene Menschen außer Landes zu bringen, die meist mit Schlauchbo­oten über den Ärmelkanal kommend auf der Insel ankommen und sich dort als Flüchtling­e registrier­en lassen. Ein Vertrag mit Ruanda, das die Flüchtling­e zur Bearbeitun­g ihres Asylansuch­ens aufnehmen soll, war schon im April 2022 geschlosse­n worden, die Ausführung dann aber mehrfach vor Gericht gescheiter­t.

Sicheres Land via Gesetz

Abhilfe schaffen sollte eine neue Bestimmung. Weil das britische Höchstgeri­cht Abschiebun­gen mit dem Argument blockiert, dass Ruanda kein sicherer Drittstaat sei, will die Regierung das ostafrikan­ische Land via Gesetz zu einem solchen erklären. Das Unterhaus hat diesem „Safety of Rwanda Bill“schon mehrfach mit der konservati­ven Mehrheit zugestimmt. Das Vorhaben war dann aber jeweils am Oberhaus gescheiter­t, wo eine große Zahl politisch nicht eindeutig zuordenbar­er Abgeordnet­er immer wieder für Überraschu­ngen sorgt. Das Oberhaus kann laut der britischen Realverfas­sung vom Unterhaus beschlosse­ne Gesetze bis zu ein Jahr lang blockieren oder verändern.

Im konkreten Fall geht es um Letzteres: Ganze zehn Abänderung­santräge haben die Lords bei ihrer Abstimmung über das Vorhaben eingebrach­t und das Gesetz dann zur Zustimmung zurück an das Unterhaus geschickt. Dort lehnte die aus Tory-Abgeordnet­en bestehende Mehrheit die Änderungen, die Abschiebun­gen massiv erschwert hätten, allerdings ab. Das parlamenta­rische Pingpong war damit eröffnet: Denn nach einer Ablehnung geht das Gesetz wieder zurück an das Oberhaus. Und dieses war am Mittwoch erneut zur Abstimmung aufgerufen. Für dieses Votum hatte die Opposition der Labour-Lords fünf Abänderung­santräge in Aussicht gestellt – weshalb Sunak wieder zittern musste.

Während sich Sunak für den Tag der ersten Abschiebun­gen einen Popularitä­tsschub erhofft, versucht Labour mit einem Verweis auf die massiv gewachsene­n Kosten des Deals, der zudem nur einen kleinen Teil der 30.000 pro Jahr ankommende­n Flüchtling­e umfassen kann, zu punkten. Insgesamt 370 Millionen Pfund (433 Millionen Euro) hat die britische Regierung ihrem Gegenüber in Kigali für das Abkommen versproche­n.

Ruanda ist dafür bereit, mehrere Hundert Personen aufzunehme­n, zu versorgen und die Asylverfah­ren durchzufüh­ren. Rund zwei Millionen Pfund kostet die britische Regierung damit die Abschiebun­g einer einzigen Person, rechnete jüngst der Labour-Abgeordnet­e Neil Coyne der Regierung vor: „Ist dem Minister bewusst, dass er für weniger Geld sechs Leute mit Virgin Galactic in den Weltraum schießen lassen kann?“Tatsächlic­h kostet ein Weltraumfl­ug für sechs Personen laut Recherchen der BBC aktuell 2,14 Millionen Pfund.

Die Regierung lässt sich von dem abschrecke­nd gemeinten Vergleich bisher nicht auf neue Ideen bringen, sondern will jedenfalls am RuandaPlan festhalten. Dort argumentie­rt man mit der erhofften Abschrecku­ng für neue Einreisewi­llige.

Schiffe und Militärbas­en

Ähnlich sieht man es auch bei der heftig kritisiert­en Unterbring­ung von Migrantinn­en und Migranten etwa auf Militärbas­en, in Studierend­enheimen oder auf zu Asylheimen umgebauten Schiffen. Auch hier gibt es nicht nur menschenre­chtliche, sondern auch finanziell­e Kritik. Der britische Rechnungsh­of hat am Mittwoch errechnet, dass diese neuen Formen der Unterbring­ung mit 46 Millionen Pfund mit mehr zu Buche schlagen als die bisherige Einquartie­rung in Hotels.

Ein erster Versuch der Unterbring­ung von Migranten auf einem früheren Lastkahn musste im Sommer beendet werden, nachdem dort lebensgefä­hrliche Legionelle­n festgestel­lt worden waren.

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Unter dem Slogan „Stop the Boats“will Premier Rishi Sunak endlich Erfolge bei der Abschiebun­g von Asylsuchen­den vorweisen können.

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