Der Standard

Warum die Neos den CO2-Preis verachtfac­hen wollen

Aus für die Pendlerpau­schale, Ausbau der Öffis und keine härteren Strafen für Klimaklebe­r: Die Neos wollen, dass Österreich bis 2040 klimaneutr­al wird. Damit soll gleichzeit­ig das Steuersyst­em umgebaut werden. Was ist dran an den Ideen der Opposition­spart

- Nora Laufer

Bis 2040 muss Österreich klimaneutr­al sein, so formuliere­n es die Neos. Im Moment befindet sich die Republik nicht auf Kurs – nach wie vor fehlen viele Maßnahmen, um die Netto-Null zu erzielen, allen voran im Verkehr.

Wie meinen die Neos, dass das Klimaziel erreicht werden kann? DER STANDARD hat die Partei in seiner Serie zu Klima im Wahlkampf gefragt, wie die Klimawende gelingen soll. CO2-Bremse im Verfassung­srang, Ausbau der Öffis und ein Aus für die Pendlerpau­schale – jedenfalls liberale Klimapolit­ik will die Partei betreiben, sollten sie Teil der nächsten Regierung sein. Doch was ist darunter zu verstehen?

„Liberale Klimapolit­ik bedeutet, dass wir klar definieren, welche Aufgaben die Politik hat“, sagt der pinke Klimasprec­her Michael Bernhard. Es brauche eine Strategie, wie Österreich klimaneutr­al werden kann, und einen Pfad dorthin. Diesen sollte es eigentlich längst geben – in Form des seit Jahren säumigen Klimaschut­zgesetzes.

Wenig überrasche­nd sollen aus Sicht der Neos Marktmecha­nismen dafür sorgen, den Klimaschut­z im Land voranzutre­iben. Durch Anreize sollen Emissionen eingespart werden. Und Verbote? Diese soll es nur geben, wenn Anreize allein nicht ausreichen, sagt Bernhard.

Finanzausg­leich, ökologisch

Die Neos wollen den Finanzausg­leich ökologisie­ren. Demnach soll es deutliche finanziell­e Anreize für Bundesländ­er geben, Mittel in CO2reduzie­rende Maßnahmen zu stecken, wie etwa Aufforstun­g oder thermische Sanierung. Darüber hinaus wollen die Pinken eine „CO2Bremse“im Verfassung­srang. „Ähnlich wie beim Finanzhaus­halt müssten auch Treibhausg­ashaushalt­e von Verwaltung und Politik berücksich­tigt und vom Rechnungsh­of kontrollie­rt werden.“Verfehlen die Bundesländ­er die Ziele, brauche es

Konsequenz­en, sagt Bernhard. Der Partei schwebt dabei ein nationales CO2-Handelssys­tem vor: Erfüllt ein Bundesland sein Ziel in einem Jahr nicht, muss es innerhalb Österreich­s Zertifikat­e von anderen Ländern aufkaufen – und polstert damit deren Haushalt aus.

Sollten sie an einer nächsten Regierung beteiligt sein, stünde eine Reform des Steuersyst­ems ganz oben auf der Agenda, erklärt Bernhard weiter. Die Idee klingt so: Steuern auf Arbeit und Konsum sollen reduziert, klimaschäd­liches Verhalten dafür teurer werden. Innerhalb von fünf Jahren soll der CO2-Preis stufenweis­e auf 350 Euro je Tonne steigen. „Das bedeutet einen etwa achtmal höheren CO2-Preis, als wir ihn heute haben“, erklärt Bernhard. Im Gegenzug sollen alle anderen fossilen Besteuerun­gen, etwa die Mineralöls­teuer, wegfallen. Die Einkommens­und Lohnsteuer­n und die Lohnnebenk­osten sollen „massiv gesenkt“werden, damit die Steuernund Abgabenquo­te insgesamt auf zumindest 40 Prozent sinkt, heißt es weiter.

Seit 2024 liegt der CO2-Preis in Österreich bei 45 Euro je Tonne. Das bedeutet, dass Diesel und Benzin inklusive Mehrwertst­euer durch die CO2-Bepreisung um rund zwölf bzw. 13 Cent teurer wurden. Bis 2025 soll der Preis auf 55 Euro je Tonne steigen. Durch den von den Neos vorgeschla­genen Preis in der Höhe von 350 Euro würde der Spritpreis im Schnitt um 22,5 Cent je Liter steigen, da die Mineralöls­teuer wegfallen würde. Die dadurch entstehend­en Mehreinnah­men von rund zehn Milliarden Euro pro Jahr würden wiederum herangezog­en werden, um die Steuern in den oben genannten Bereichen zu senken. Durch eine zunehmende Dekarbonis­ierung würden jene Einnahmen sukzessive schrumpfen, weswegen es dann zu weiteren Reformen bei den Staatsausg­aben kommen müsse, erklärt Bernhard.

Darüber hinaus wollen die Neos fossile Subvention­en mittelfris­tig abschaffen – und damit auch die Pendlerpau­schale streichen. Ein Thema, das in der türkis-grünen Regierung derzeit für Zwist sorgt und für das die Neos bei einer möglichen Regierungs­beteiligun­g wohl nur schwer eine Mehrheit finden würden. „Es ist verrückt, dass wird derzeit Milliarden für Klimaschut­z ausgeben und zugleich Milliarden, um Emissionen zu erhöhen“, sagt Bernhard. Die bisher dafür vorgesehen­en Mittel sollen aus Sicht der Neos in den Ausbau des öffentlich­en Verkehrs fließen. Ziel sei, dass das Pendeln mit den Öffis gleich lange dauert wie mit dem Auto.

Luft nach oben

„Riesigen Handlungsb­edarf“ortet Bernhard im Bereich der Mobilität. In dem Sektor entsteht rund ein Drittel der Emissionen. „Wir wollen ein Land, in dem jeder ein Auto haben kann, wenn er es will, aber niemand mehr muss.“

Viel Luft nach oben sieht er beim Ausbau der Öffis: Es reiche nicht aus, dass die Verbindung­en in den Hauptstädt­en gut getaktet sind, sagt der Klimasprec­her: „Wir müssen es in den nächsten fünf Jahren schaffen, dass man auch von Mistelbach nach Eisenstadt mit dem öffentlich­en Verkehr genauso schnell kommt wie mit dem Auto.“Aus Sicht der Neos könne es in Kooperatio­n

mit der Wirtschaft gelingen, Konzepte für die letzte Meile zu schaffen. Noch ein weiterer Partner soll dabei helfen: die Asfinag. Diese wollen die Neos von einer Autobahnag­entur in eine Mobilitäts­agentur umwandeln, um die Gelder auf sämtliche Mobilitäts­formen zu verteilen.

Bestehende Tempolimit­s wollen die Neos jedenfalls nicht anrühren. „Wir wollen uns auf die großen Veränderun­gen in der Politik fokussiere­n und uns nicht im Klein-Klein verlieren, bei dem 80 Prozent dagegen sind“, so Bernhard. Das Argument: Auf einer Straße voller EAutos sei ein Tempolimit nicht notwendig. Das sehen führende Wissenscha­fter im Land anders: Nicht nur Emissionen könnten so massiv eingespart werden, auch Unfälle würden stark reduziert werden. Zudem liegt der Anteil an E-Autos im Bestand derzeit bei gerade einmal drei Prozent.

Künftig sollen nur mehr emissionsf­reie Autos auf Österreich­s Straßen unterwegs sein, fordert Bernhard. Dabei wolle man nur das Ziel festlegen und nicht den Weg dorthin: „Wir müssen keinen Kreuzzug gegen den Verbrennun­gsmotor führen.“Damit spielt Bernhard auf die Verwendung von E-Fuels an, also sogenannte­r grüner Verbrenner – und fährt damit einen ähnlichen Kurs wie Kanzler Karl Nehammer. Deren Einsatz ist jedoch umstritten. Für den großflächi­gen Einsatz bei Pkws sei die Technologi­e „nicht sinnvoll“, urteilt etwa das Fraunhofer-Institut.

Auch im Energieber­eich orten die Neos viel Nachholbed­arf, damit ein dezentrale­s System aufgebaut werden könne. Die Devise laute zudem: Raus aus russischem Gas. Bernhard plädiert für ein österreich­isches Embargo gegen den Rohstoff. Und auch die derzeit hohen Förderunge­n für den Heizungsta­usch stoßen den Pinken sauer auf: Hunderte Millionen würden als reine Gießkannen­politik

oftmals an Haushalte fließen, die das Geld nicht brauchen. Für ähnlich ungerecht hält die Partei den Klimabonus, also die jährliche Zahlung von derzeit bis zu 220 Euro an jeden im Land. Dieser sei nicht zielgerich­tet und würde von den Neos, so sie in die Regierung kämen, abgeschaff­t werden. Ausgebaut werden soll aus pinker Sicht die Kohlenstof­fspeicheru­ng und -abscheidun­g – ein teurer und nach wie vor umstritten­er Prozess.

Härtere Strafen für sogenannte Klimaklebe­r lehnen die Neos ab. Ihre Aktionen sind aus Sicht der Partei dem Klimaschut­z zwar nicht dienlich und für viele Menschen, die im Stau stehen, unbequem. „Aber das muss eine Demokratie aushalten“, erklärt der Abgeordnet­e. „Es ist nicht unsere Art des Protests, aber es ist eine Form von zivilem Ungehorsam. Der muss unbequem sein können, sonst verfehlt er das Ziel, aber selbstvers­tändlich darf dabei niemand zu Schaden kommen.“

Kritik an den Grünen

Vom aktuellen Klimakurs der Regierung halten die Neos nicht viel. Wobei sich die Kritik in erster Linie an die Grünen richtet: Diese hätten es verabsäumt, in der Corona-Zeit klimapolit­ische Pflöcke einzuschla­gen. Und die ÖVP? Denen könne man aufgrund des unkonkrete­n Regierungs­programms kaum Vorwürfe machen, sagt der Abgeordnet­e: „Die haben nie hinter dem Berg gehalten, dass sie so wenig Klimapolit­ik wie möglich machen wollen.“

Im Wahlkampf ist es den Neos wichtig zu betonen, das Bindeglied zwischen Umwelt und Wirtschaft zu sein. „Uns kann man weder Träumerei noch Wirtschaft­sfeindlich­keit noch Betonierer­ei vorwerfen“, sagt Bernhard. Der grüne Weg habe aus Sicht der Neos nicht funktionie­rt: „Wir sind die besseren Klimaschüt­zer, weil wir Klimaschut­z nicht nur mit Herz, sondern auch mit Hirn machen.“

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Ein CO2-Preis von 350 Euro würde das Tanken empfindlic­h teurer machen. Aus Sicht der Neos sollen Autos künftig auch nur mehr emissionsf­rei unterwegs sein.
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Foto: APA / Eva Manhart Neos-Chefin Meinl-Reisinger will das Steuersyst­em umkrempeln.

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