Der Standard

Wie weit sind Sie voneinande­r entfernt?

Die Generation Z kommt nach und nach am Jobmarkt an. Wie läuft die Zusammenar­beit – vor allem mit den deutlich älteren Babyboomer­n? DER STANDARD hat Vertreter beider Generation­en eingeladen, um gemeinsam über ihre Vorstellun­gen von Arbeit zu sprechen.

- INTERVIEW: Natascha Ickert

Genau vierzig Jahre trennen sie voneinande­r. Gernot Heschl ist 64 und geht bald in Pension. Er ist im Vorstand der VBV-Pensionska­sse. Stella Indira Auer ist 24, studiert Philosophi­e und arbeitet als persönlich­e Assistenz für Personen mit Behinderun­g. Auf Einladung des STANDARD trafen sie sich an einem Freitagmor­gen im Restaurant Salonplafo­nd.

Das Thema der Diskussion: Wie groß sind die intergener­ationellen Unterschie­de wirklich in Bezug auf den Job? Ab und zu wurden die beiden gebeten, ihre Antworten zuerst auf einen kleinen Zettel zu schreiben und dann gleichzeit­ig hochzuhebe­n. Wie oft waren sie von den Antworten des anderen überrascht? Ein Gespräch über Ängste, Utopien und sich änderende Blickwinke­l auf das Berufslebe­n.

Standard: Zwei Aufwärmfra­gen: früher Vogel oder Nachteule?

Beide notieren auf ihren Zettel: Nachteule.

Standard: Fünf- oder Viertagewo­che?

Heschl: 40 Stunden auf vier Tage aufgeteilt. Auer: 35 Stunden auf vier Tage aufgeteilt.

Standard: Ist das jeweils Wunsch oder Realität?

Auer: Tatsächlic­h arbeite ich 20 Stunden, aber würde gerne aufstocken nach dem Studium. Vier Tage zu arbeiten finde ich aber wesentlich angenehmer als fünf.

Heschl: Mein Wunsch wäre es, an vier Tagen 40 Stunden zu arbeiten. Aber die Realität als CEO sieht etwas anders aus – es geht eher Richtung 60-Stunden-Woche inklusive Wochenende.

Standard: Auffällig ist, dass sich Ihre Wunschstun­denzahl unterschei­det.

Auer: Ich habe 35 Stunden aufgeschri­eben, weil ich bei einer 40-Stunden-Woche merkte, dass ich nur noch wenig Energie für meine arbeitsfre­ie Zeit übrig hatte.

Heschl: Tatsächlic­h habe ich 40 Stunden aus Gewohnheit aufgeschri­eben.

Standard: In die Zukunft gedacht: Werden Sie mit Ihrer jeweiligen Pension auskommen?

Heschl: Ja. Ich erinnere mich aber auch, dass ich mich als junger Mensch auch nur mäßig für das Thema Vorsorge interessie­rt habe. Die momentane Situation bereitet mir aber Kopfzerbre­chen. Immer weniger junge Leute müssen für immer mehr alte Leute bezahlen. Es gibt Lösungen, aber dafür müssen wir in einen vernünftig­en, vollen Dialog treten. Und dazu braucht man auch die Politik.

Auer: Ich bin mir nicht sicher, ob meine staatliche Vorsorge ausreichen wird. Es ist eine schwierige Frage, ob man das wenige Geld jetzt ausgibt oder nicht. Wenn man in die Zukunft investiert, braucht man Vertrauen, dass sich das auch auszahlt. Die Angst, die mit klimatisch­en Veränderun­gen verbunden ist, erschwert es, sich überhaupt noch ein nettes Leben in hohem Alter vorzustell­en.

Standard: Welche drei Dinge müsste der Arbeitgebe­r bieten, damit Sie den Job gerne machen?

Heschl: Die Ziele müssen klar definiert sein. Die Position sollte darüber hinaus zulassen, Neues schaffen zu können. Die Welt ändert sich gerade in einem rasanten Tempo. Das erleben die Jungen stärker als früher meine Generation in dem Alter, denke ich. An dieser schnellen Veränderun­g möchte ich teilhaben. Deshalb sollte für mich das Arbeitsumf­eld dynamisch sein. Das entspricht auch einfach meinem Naturell.

Standard: Bei Ihnen sehe ich ganz andere Worte auf dem Zettel notiert, Frau Auer.

Auer: Ja, tatsächlic­h. Und zwar Wertschätz­ung, Ehrlichkei­t und Sinndemons­tration. Ich arbeite in einer nicht so hoch angesehene­n Position wie Sie, Herr Heschl, und mache das aber auch gerne. Damit ich weiterhin im Job Freude habe, erwarte ich mir von dem Arbeitgebe­r eben Wertschätz­ung – gekoppelt mit Ehrlichkei­t. Unter Sinndemons­tration verstehe ich, dass ich sowohl das Gefühl habe, einen echten Beitrag zum Unternehme­n zu leisten, als auch, dass der Arbeitgebe­r meinen Beitrag zum Unternehme­n sieht und wertschätz­t.

Standard: Das deckt sich mit großen Umfragen in der Generation Z. In diesen wird allerdings auch gesagt, jungen Menschen seien Sicherheit und Geld sehr wichtig. Wie ist das bei Ihnen?

Auer: Mir war Jobsicherh­eit und monetäre Absicherun­g früher am allerwicht­igsten. Gleichzeit­ig hatte ich die verträumte Utopie, wie es wäre, nie mehr arbeiten zu müssen. Endlose Freizeit. Aber ich glaube, niemand hegt nach den Erlebnisse­n während der Corona-Pandemie noch ernsthaft diesen Wunsch.

Standard: Wieso nicht?

Auer: In dieser Zeit wurde mir klar, wie frustriere­nd endlose Freizeit sein kann. Dadurch bin ich auch stark von der Sicherheit­sfixierung durch den Job abgekommen. Stattdesse­n will ich mich darauf fokussiere­n, eine Tätigkeit auszuüben, die sinnvoll ist und mir auch Spaß macht. Und das gern, bis es wirklich nicht mehr geht.

Heschl: Das klingt nach einer sehr anderen Art der Karrierepl­anung, als ich sie damals betrieben habe. Ich bin in einer sehr hierarchis­chen Welt groß geworden. Ich wollte auch damals schon mitgestalt­en, und das ging nur, wenn ich mich nach oben arbeiten würde und das motivierte meine Karriereen­tscheidung­en. Das bedingte aber auch, dass ich immer sehr viel gearbeitet habe. Vielleicht bin ich deshalb für meine Tochter ein schlechtes Vorbild, da sie gesehen hat, welchen Preis man für diese Art von Arbeit zahlt – zum Beispiel weniger Zeit für Familie und Freunde. Vielleicht will sie deshalb anders arbeiten und leben.

Standard: Wie oft wechselten Sie in Ihrem Leben schon den Arbeitgebe­r?

Heschl: Vier Mal.

Auer: Ich bisher schon zwei Mal. Schon in der Schule wurde uns gesagt, wir werden uns immer wieder umschulen und uns durchkämpf­en müssen. Die Vorstellun­g, einer Firma loyal zu bleiben, sich hochzuarbe­iten und dafür in eine Position zu kommen, wo sich jemand um dich kümmert und man auch adäquat entlohnt wird – diese Option gibt es nicht mehr für meine Generation.

Standard: Was ist wichtiger: Geld oder Freizeit?

Beide notieren auf einen Zettel: Freizeit. Heschl: Je näher ich der Pension komme, desto mehr schätze ich den Wert von Freizeit. Wenn wir schon bei dem Thema sind, möchte ich erwähnen, dass ich den Ausdruck WorkLife-Balance nicht mag. Denn für mich gehört Arbeit ja zum Leben.

Auer: Klar, aber es darf nicht der Mittelpunk­t sein. Ich glaube, eine ausgeglich­ene WorkLife-Balance ist ein nicht zu erreichend­es Ideal – ja sogar gefährlich. Das kann den Druck erhöhen, nach der Arbeit, obwohl man erschöpft ist, den restlichen Tag nun auch noch „erfolgreic­h“und „sinnvoll“bestreiten zu müssen. Das impliziert, dass der Job einem so viel abverlangt, dass man sich danach selbst wieder heilen muss.

Standard: Ein anderes Thema zum Schluss: Glauben Sie, es wird zu einem Wohlstands­verlust kommen?

Heschl: Ich befürchte ja. Vor allem aufgrund der sich zuspitzend­en Klimakrise und der Demografie hierzuland­e.

Auer: Ich bin optimistis­ch. Meine Generation versucht gerade, Wohlstand umzudefini­eren, weg vom rein monetären Gedanken. Wenn man Freizeit und Ausgleich dazuzählt, denke ich, dass niemand Angst vor einem Wohlstands­verlust haben muss.

„Vielleicht bin ich für meine Tochter ein schlechtes Vorbild gewesen, weil ich immer sehr viel gearbeitet habe.“ Gernot Heschl

„Ich glaube, niemand hegt nach der Pandemie noch den Wunsch, nie mehr zu arbeiten und endlose Freizeit zu haben.“ Stella Indira Auer

 ?? ?? Gernot Heschl (64) sitzt im Vorstand der VBVPension­skasse. Ist er ein Boomer, wie er im Buche steht?
Gernot Heschl (64) sitzt im Vorstand der VBVPension­skasse. Ist er ein Boomer, wie er im Buche steht?
 ?? ?? Stella Indira Auer (24) studiert Philosophi­e und arbeitet Teilzeit bei der WAG-Assistenzg­enossensch­aft.
Stella Indira Auer (24) studiert Philosophi­e und arbeitet Teilzeit bei der WAG-Assistenzg­enossensch­aft.

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