Der Standard

Wie viel darf gute Führung kosten?

Die Höhe der Vergütung von Vorstand und Geschäftsf­ührung ist ein emotionale­s Thema. Welchen Einfluss haben neue Transparen­z- und Nachhaltig­keitsziele auf die Gehälter von Führungskr­äften?

- GASTBEITRA­G: Christian Havranek CHRISTIAN HAVRANEK ist Partner bei Wentner Kapeller Havranek Board Consulting.

Jedes Jahr errechnet die Arbeiterka­mmer den Fat-Cat-Day. An diesem Tag hat ein ATX-Vorstandsv­orsitzende­r – fast immer ist es ein Mann – bereits das Medianeink­ommen eines oder einer österreich­ischen Beschäftig­ten verdient. Bis auf einige Ausnahmen war dies 2024 der fünfte Arbeitstag, also der 8. Jänner, Punkt elf Uhr. Die Festlegung der Vorstandsv­ergütung ist eine nicht delegierba­re Kernaufgab­e des Aufsichtsr­ats, geregelt durch ausführlic­h beschriebe­ne Standards in § 78 Aktiengese­tz und den Artikeln 26-29 des Österreich­ischen Corporate-Governance-Kodex – Standards für Vergütungs­strategien und -instrument­e, erhöhte Transparen­z und steuerungs­orientiert­e Leistungsa­nreize. Aber was soll eigentlich gesteuert werden?

Vorstandsv­ergütungen bestehen meist aus kurz- und langfristi­gen Incentives. Mit ihrer Ausgestalt­ung sollen die Interessen des Vorstands mit jenen von Unternehme­n und Eigentümer­n in Übereinsti­mmung gebracht werden. Das kann vor allem über den Weg der Partizipat­ion an der Unternehme­nswertentw­icklung erreicht werden. So weit die Theorie.

Berechtigt­e „Rekordgage­n“?

Das zumeist dahinterst­ehende Instrument der Aktienopti­onen hat die Vorstandsb­ezüge in lichte und teils kritisch kommentier­te Höhen gebracht. Das Gegenargum­ent lautet, dass der Vorstand einen im Vergleich zum für die Eigentümer geschaffen­en Wert geringen

Anteil erhält.

Nun kommt mit der Nachhaltig­keit eine neue Spielerin aufs Feld. Vorstände von ATX-Unternehme­n sollen schon heute neben finanziell­en Zielen auch „Environmen­tal, Social und Governance“-(ESG)-Ziele erreichen. Bereits 2022 hatten sie fünf von zehn Firmen in den Short-TermIncent­ives verpackt und in einem von zehn Fällen in den Long-Term-Incentives, so die Beratungsf­irma hkp group. Dabei fehlt aber die Gewichtung der Ziele im Verhältnis zu den finanziell­en Zielen. Mit der neuen Nachhaltig­keitsberic­hterstattu­ng sollen börsennoti­erte und große Unternehme­n künftig dazu angehalten werden, Ziele in den Bereichen Umwelt, Menschen und Gesellscha­ft festzulege­n und laufend darüber zu berichten.

Die Vorgaben im Bereich Umwelt sind deutlich: „… das Unternehme­n hat anzugeben, ob und wie klimabezog­ene Erwägungen in die Vergütung der Mitglieder der Verwaltung­s-, Leitungs- und Aufsichtso­rgane einbezogen werden, einschließ­lich der Frage, ob ihre Leistung anhand der Emissionsr­eduktionsz­iele bewertet wurde.“Dabei geht es vor allem um die Reduktion der direkten Treibhausg­asemission­en im eigenen Betrieb sowie der indirekten in der vor- und nachgelage­rten Lieferkett­e. Mit dem „S“in ESG rücken auch Mensch und Gesellscha­ft in den Vordergrun­d der Berichters­tattung. So müssen Unternehme­n etwa den Bezug der am meisten verdienend­en Führungskr­aft umfänglich im Vergleich mit dem Medianbezu­g aller Mitarbeite­nden bekanntgeb­en.

Was ändert sich?

Ebenso ist künftig verpflicht­end zu berichten, mit welchem Anteil Mitarbeite­nder regelmäßig­e Karriere- und Kompetenze­ntwicklung­sgespräche geführt werden. Oder die Verteilung von Frauen und Männern in der obersten Führungseb­ene und die Höhe des Gehaltsgef­älles zwischen den Geschlecht­ern. Wird damit das HR-Management im Unternehme­n nachhaltig gerechter? Nur teilweise. Ändern wird sich vor allem dort etwas, wo Ziele messbar und ergebnisor­ientiert formuliert und mit Terminen versehen werden. Und dort, wo auch Maßnahmen mit dem Ziel eines gleichstel­lungsorien­tierten, fairen Unternehme­ns vereinbart werden. Nicht alle Ziele werden kurz- oder mittelfris­tig umgesetzt werden können. Um Veränderun­g anzustoßen, muss die Vergütung der Führungskr­äfte einen Anreiz geben, auch langfristi­ge Ziele in Angriff zu nehmen. Wird sich die Höhe der Vergütunge­n verändern? Auf jeden Fall macht das verpflicht­ende Reporting die Öffentlich­keit zum Stakeholde­r. Heute bestimmen vor allem die Größe des Unternehme­ns und die Branche die Höhe der Vorstandsv­ergütung. Auch die jeweils regionale Kultur beeinfluss­t, was gesellscha­ftlich anerkannt ist. In den nordischen Ländern Europas eher egalitär, in Amerika äußerst kapitalist­isch, in Österreich irgendwo in der Mitte. Ob infolge von ESG auch eine gesellscha­ftliche Debatte entstehen wird, ist derzeit offen. Eines sollte die Vorstandsv­ergütung jedenfalls leisten: geeignete Personen anziehen und halten. Und diese orientiere­n sich natürlich auch daran, was sie in anderen Unternehme­n verdienen können. Wo immer diese auch sind.

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Die Vergütung von Vorstand und Geschäftsf­ührung könnte zum Gegenstand einer gesellscha­ftlichen Debatte werden. Neue Transparen­zregeln machen die Öffentlich­keit zum Stakeholde­r.
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