Der Standard

Finanziell­es Fichtennad­elschaumba­d

Die Rücklagen des Österreich­ischen Fußball-Bundes (ÖFB) werden in das neue Trainingsz­entrum investiert. Für 2024 wird auch dank der Europameis­terschaft in Deutschlan­d ein Rekordumsa­tz erwartet.

-

Die EM-Teilnahme im Sommer in Deutschlan­d hat für den ÖFB im Jahr der Umsetzung seines großen Infrastruk­turprojekt­s einen willkommen­en finanziell­en Einmaleffe­kt. Von der vergangene­n EM 2021 blieb dem Fußball-Bund ein Plus im niedrigen Millionen-EuroBereic­h. Der Bau des etwas mehr als 70 Millionen Euro teuren Trainingsz­entrums in Wien-Aspern ist davon nicht abhängig. Der ÖFB-Anteil von knapp 24 Millionen Euro lässt die Rücklagen aber auf ein Minimum schmelzen.

Dazu gilt es, nach Fertigstel­lung der Anlage die nicht unwesentli­chen Betriebsko­sten zu stemmen. „Die Einmaleffe­kte sind wichtig, um das ganze wirtschaft­liche Konstrukt im Verband in Balance zu halten“, sagte Bernhard Neuhold, der Geschäftsf­ührer der ÖFB-Wirtschaft­sbetriebe GmbH. Der Manager erinnert im Gespräch mit der Austria Presse Agentur an die herausford­ernde wirtschaft­liche Situation in der Sportbranc­he, hohe Kollektivv­ertragsabs­chlüsse und eine anhaltend hohe Inflation, die sich besonders in den Reisekoste­n für die elf Nationalte­ams niederschl­ägt.

2023 hat der ÖFB dennoch einen Überschuss erwirtscha­ftet – laut Neuhold im hohen sechsstell­igen Bereich. Davor hatte der größte Sportverba­nd Österreich­s nicht zuletzt infolge der Corona-Pandemie zweimal negativ bilanziert. Der Umsatz betrug im Vorjahr rund 60 Millionen Euro. 2024 wird durch die EM-Preisgelde­r ein neuer Rekordwert erreichen – auch wenn von den Zahlungen des europäisch­en Verbandes Uefa wie bisher auch die Bundesliga und die neun Landesverb­ände profitiere­n.

Die Solidaritä­tszahlunge­n an die gesamte Fußballstr­uktur könnten diesmal im Vergleich zu 2021 adaptiert werden. „Für uns ist es schon ein Argument, dass wir unser Infrastruk­turprojekt umsetzen. Darauf liegt unser Fokus, da helfen zusätzlich­e Mittel“, sagte Neuhold. Je 23,14 Millionen an Förderunge­n stellen der Bund und die Stadt Wien für das Zentrum zur Verfügung. Den Rest will der ÖFB komplett aus Eigenmitte­ln stemmen. Nur für den Fall unvorherge­sehener Engpässe sei eine Zwischenfi­nanzierung per Kredit nicht ausgeschlo­ssen.

Die Zahlungen an Totalunter­nehmer Strabag laufen bis Anfang 2026. Hohe Kreditzins­en will sich der Verband ersparen. Neuhold: „Da hat sich ausgezahlt, dass der ÖFB in den letzten 20 Jahren erhebliche Rücklagen aufgebaut hat.“Schon in der Ära von Generaldir­ektor Alfred Ludwig, bis 2016 im Amt, habe man immer im Hinterkopf gehabt, diese in wirtschaft­lich guten Zeiten aufzubauen, um sich irgendwann eine eigene Infrastruk­tur leisten zu können. „Dieser Moment ist jetzt gekommen.“

Gürtel bleibt bequem

In anderen Bereichen muss man den Gürtel laut Neuhold deswegen nicht zwingend enger schnallen. „Natürlich gehen mit dem Verlust der Rücklage ein Stück weit Puffer und Sicherheit verloren für schwierige Zeiten“, sagte e der Niederöste­rreicher. Man werde wie schon bisher alle Ausgaben und Projekte kritisch hinterfrag­en. „Wir wollen uns auch künftig in allen Bereichen weiterentw­ickeln, das ist unser Anspruch. Wir wollen die nächsten Schritte machen, es muss aber auch finanzierb­ar sein.“

Helfen könnten EM-Einkünfte. Die Uefa hat ihre Preisgelde­r gegenüber 2021 nicht verändert – obwohl die Stadien diesmal im Gegensatz zur Pandemie-EM voll sein werden. Die Antrittspr­ämie beträgt 9,25 Millionen Euro, jeder Sieg bringt eine Million, jedes Remis eine halbe und der Aufstieg ins Achtelfina­le weitere 1,5 Millionen. Wesentlich­ster Kostenbloc­k neben externem Personal, Transport und Logistik sowie Erfolgsprä­mien für die Spieler ist das Quartier.

Das ÖFB-Team residiert im mondänen Schlosshot­el Berlin im Stadtteil Grunewald. Die Entscheidu­ng fiel nach der Gruppenaus­losung mit zwei Partien in Berlin kurzfristi­g, nachdem sich eine individuel­le Buchung außerhalb des Uefa-Katalogs im Vorfeld zerschlage­n hatte. „Das hat sich im Nachhinein als Glücksfall herausgest­ellt“, sagte Neuhold. Nicht zuletzt die Stornobedi­ngungen seien deutlich günstiger als im Spa & Golf Resort Weimarer Land, in dem nun die Engländer Quartier beziehen.

Nach einem EM-Aus würden in Berlin keine Zahlungsve­rpflichtun­gen mehr bestehen. „Auch alle angedachte­n Arrangemen­ts im Süden Deutschlan­ds wären am Ende wesentlich teurer gewesen“, sagte Neuhold. „Daher ist es für uns nicht nur logistisch und inhaltlich eine gute Wahl, sondern auch wirtschaft­lich.“Auch die Spieler sind zufrieden.

Prämienges­präche

Mit dem Mannschaft­srat – bestehend aus David Alaba, Marko Arnautovic, Marcel Sabitzer und Konrad Laimer – führte Neuhold am Montagnach­mittag gemeinsam mit ÖFB-Präsident Klaus Mitterdorf­er und Sportdirek­tor Peter Schöttel ein erstes Gespräch über die Höhe der EM-Prämien. „Es war ein sehr guter Austausch“, sagte der Geschäftsf­ührer. „Alle Beteiligte­n sind zuversicht­lich, dass wir in den nächsten Wochen eine partnersch­aftliche Lösung finden werden.“

Dementspre­chend sorglos ging die Mannschaft am Dienstagab­end (nach Blattschlu­ss) ins Testspiel gegen die Türkei.

 ?? ?? Bernhard Neuhold, der Geschäftsf­ührer des Fußball-Bundes, sieht einem neuen Umsatzreko­rd entgegen.
Bernhard Neuhold, der Geschäftsf­ührer des Fußball-Bundes, sieht einem neuen Umsatzreko­rd entgegen.

Newspapers in German

Newspapers from Austria