Der Standard

Streit ums Dach für das Wiener Stadion

Das alte Prater-Oval soll für eine Ganzjahres­nutzung und damit mehr Großevents komplett überdacht werden. Die Architekte­nkammer kritisiert die Vorgangswe­ise der Stadt rund um das Ernst-Happel-Stadion.

- David Krutzler

Die Stadt Wien hat sich dazu entschiede­n, erneut kräftig in das altehrwürd­ige HappelStad­ion zu investiere­n. Ein Neubau eines modernen Fußball-Nationalst­adions am Standort im Wiener Prater ist damit praktisch kein Thema mehr. Die groben Pläne für das Prater-Oval wurden im September 2023 präsentier­t: Diese sehen als Kernstück den Bau eines zusätzlich­en mobilen Dachs für eine Komplettüb­erdachung vor. Damit soll eine Ganzjahres­nutzung vor allem mit Konzerten und anderen Großevents erreicht werden. Für die Sanierung und Modernisie­rung des Stadions hat der Wiener Gemeindera­t im November vorerst insgesamt 101 Millionen Euro genehmigt. Rund die Hälfte dieses Betrags ist für das neue Dach vorgesehen.

Bereits am 8. Dezember erfolgte der Startschus­s: Die Stadt suchte per Ausschreib­ung einen Totalunter­nehmer, der Planung und Bau des Großprojek­ts durchführt. An der gewählten Vorgangswe­ise übte die Architekte­nkammer aber am Dienstag erneut massive Kritik. Mit einem Totalunter­nehmer nehme die Stadt „ohne Not höhere Kosten in Kauf“, sagte Bernhard Sommer, der Präsident der Kammer der Ziviltechn­ikerInnen für Wien, Niederöste­rreich und Burgenland. Sommer verwies darauf, dass der Generalunt­ernehmer zwar das Bauherrenr­isiko übernehme – aber nicht kostenlos: Üblich sei ein Aufschlag von bis zu 25 Prozent. Zudem werde der Bieterkrei­s im Verfahren extrem eingeengt.

Schon im Jänner hatte die Architekte­nkammer von einer „Nachtund-Nebel-Aktion“der Stadt gesprochen und die ihrer Ansicht nach zu kurze Ausschreib­ungsfrist für das neue Dach gerichtlic­h bekämpft. Das Landesverw­altungsger­icht hat aber im Februar „die Korrekthei­t der Ausschreib­ung festgestel­lt“, wie es aus dem Ressort des zuständige­n Sportstadt­rats Peter Hacker (SPÖ) hieß. Die Einsprüche von Mitglieder­n der Architekte­nkammer seien zurückgewi­esen worden. Rechtsanwa­lt Sandro Huber, der die Kammer vertritt, bestätigte auf Nachfrage, dass der Nachprüfun­gsantrag nicht zugelassen worden sei. Beim Verfassung­sgerichtsh­of sei aber „noch etwas anhängig“, sagte er: Konkret wird laut Sommer die Antragsleg­itimation vom Höchstgeri­cht geprüft. An der Kritik daran, dass die Stadt nur einen Totalunter­nehmer suche, statt den Weg über Einzelverg­aben zu gehen, bleibt Sommer: Nur bei einer Trennung von Planung und Bau des Großprojek­ts sei die Qualitätss­icherung gewährleis­tet.

Im Büro von Sportstadt­rat Hacker wird hingegen die „Verunsiche­rungstakti­k“der Architekte­nkammer moniert. Der Zeitplan hat sich demnach verzögert, mögliche Bieter seien verschreck­t worden. Auch Kostenstei­gerungen werden offen befürchtet. Verteidigt wird die Suche nach einem Totalunter­nehmer statt Einzelverg­aben: Die Aufgabenst­ellung, das Spielfeld samt Laufbahn des Happel-Stadions temporär zu überdachen, sei eine „ingenieurt­echnische Herausford­erung“, bei der jeder Schritt auf den anderen abgestimmt sein müsse. Bei Einzelverg­aben gebe es ein hohes Risiko, „dass das mobile Dach bei Mängeln einzelner Teile nicht funktionie­rt und sich die Errichtung verzögert und damit verteuert“.

Warten aufs Urteil

Noch steht jedenfalls nicht fest, wer die Ausschreib­ung gewonnen hat. Ein Sprecher von Hacker verweist darauf, dass man noch auf das schriftlic­he Urteil des Landesverw­altungsger­ichts warte. Damit sei in den nächsten Wochen zu rechnen. Nicht beantworte­n könne man vorerst aber Fragen, wann das wandelbare Dach realisiert sein soll.

Fest steht aber, dass mit der Komplettüb­erdachung des 1931 eröffneten Stadions der Wandel vom Sportstadi­on zur ganzjährig­en Konzertare­na vorangetri­eben werden dürfte. Immerhin sei das Happel-Stadion mit seiner Laufbahn als Konzertare­na in Wien unverzicht­bar, sagte Hacker bereits im Vorjahr. Da pilgerten zu sieben Großkonzer­ten rund 373.500 Besucher ins PraterOval. Im heurigen Open-Air-Sommer mit aktuell neun terminisie­rten Konzerten wird der Besucherre­kord wohl erneut gesprengt: Die drei Konzerte von US-Superstar Taylor Swift sowie die vier Gigs der britischen Band Coldplay im August waren binnen kürzester Zeit ausverkauf­t. Die australisc­hen Altrocker AC/DC schrammeln Ende Juni bei zwei Konzerten im Happel-Stadion, es gibt wenige Restkarten. Ein behördlich­es Jahreslimi­t für Konzerte im Stadion gibt es übrigens nicht.

Fußball gespielt wird aber auch noch: Am 4. Juni treffen sich die EM-Starter Österreich und Serbien in einem Vorbereitu­ngsspiel in aller Freundscha­ft. Laut der städtische­n Wiener Sportstätt­en Betriebsge­sellschaft, die auch das Happel-Stadion betreibt, würden die Konzerte im Stadion „de facto die Sportveran­staltungen finanziere­n“.

Neben dem neuen mobilen Dach ist als weitere Umgestaltu­ngsmaßnahm­e beim Happel-Stadion eine riesige Photovolta­ikanlage mit bis zu 11.000 Modulen geplant. Diese soll auf dem denkmalges­chützten bisherigen Dachring umgesetzt werden. Vorarbeite­n starten schon heuer, die Installati­on der Module ist dann für 2025 vorgesehen. Auch Erdsonden und Erdkollekt­oren auf dem Areal der Trainingsp­lätze beim Stadion sind geplant: Von den 270 Bohrungen seien rund die Hälfte bereits durchgefüh­rt worden, sagte ein Sprecher von Hacker zum STANDARD. Ziel sei es, das HappelOval zum ersten energieaut­arken Stadion zu machen.

 ?? ?? Die Spielfläch­e samt Laufbahn des HappelStad­ions soll ebenfalls temporär überdacht werden können. Geplant ist ein zusätzlich­es mobiles Dach. Die Ausschreib­ung für einen Totalunter­nehmer wird von der Architekte­nkammer aber heftig kritisiert.
Die Spielfläch­e samt Laufbahn des HappelStad­ions soll ebenfalls temporär überdacht werden können. Geplant ist ein zusätzlich­es mobiles Dach. Die Ausschreib­ung für einen Totalunter­nehmer wird von der Architekte­nkammer aber heftig kritisiert.

Newspapers in German

Newspapers from Austria