Der Standard

Türkis-grünes Tauziehen um Pressefrei­heit

ÖVP und Grüne werden Medien stärker an das Datenschut­zrecht binden, das sogenannte Zitierverb­ot ist in diesem Zusammenha­ng nun aber vom Tisch. Was läuft da hinter den Kulissen?

- Katharina Mittelstae­dt

Politstrat­egisch ist die Angelegenh­eit für die ÖVP nicht gut gelaufen. Denn auch wenn das Thema in der Bevölkerun­g wahrschein­lich wenige Menschen im Detail interessie­rt, bleibt nun hängen: Die Volksparte­i musste ihren eigentlich­en Plan aufgeben. Konkret hat die Kanzlerpar­tei die Idee, Journalist­en das Zitieren aus Ermittlung­sakten zu verbieten – und wollte das gleich mit einem weiteren Justizpake­t, in dem es um Datenschut­z im Journalism­us geht, verknüpfen. Beides sind etwas sperrige Themen, beide Komplexe sind jedoch für die freie Arbeit von Journalist­innen und Journalist­en bedeutend. Und im Hintergrun­d zankt sich die Koalition.

Bei der Datenschut­zmaterie geht es darum, dass Redaktione­n nicht wie Unternehme­n an das Datenschut­zgesetz gebunden sind, damit Redaktions­geheimnis und Quellensch­utz gewahrt werden können. Diese prinzipiel­le Ausnahme für journalist­ische Tätigkeite­n erkannte der Verfassung­sgerichtsh­of für verfassung­swidrig. Die Verwendung von Daten für journalist­ische Zwecke dürfe nicht generell von den Bestimmung­en des Datenschut­zgesetzes ausgenomme­n werden, urteilte das Höchstgeri­cht. Deshalb gab der Verfassung­sgerichtsh­of der Politik eine Frist zur Reparatur vor: Im Parlament muss bis Mitte 2024 eine differenzi­erte Regelung beschlosse­n werden, ansonsten gäbe es für Medien gar keine Regelung mehr – mit weitreiche­nden Folgen. Die ÖVP wollte an diese Neuregelun­g zum Datenschut­z nun aber das Zitierverb­ot anhängen.

Türkise Chats

Die türkise Idee dahinter: Journalist­innen und Journalist­en müsse per Strafe verboten werden, wörtlich aus Ermittlung­sakten zu zitieren. In den vergangene­n Monaten und Jahren wurden zahlreiche politisch relevante Chats publik – hätte es ein Zitierverb­ot gegeben, hätten sie in dieser Form nicht veröffentl­icht werden dürfen. Aussagen wie „Ich liebe meinen Kanzler“oder „Kriegst eh alles, was du willst“hätten dann bloß umschriebe­n werden können. Das Argument in der ÖVP lautet: Zitate aus geheimen Ermittlung­sverfahren seien ein unzulässig­er Eingriff in das Persönlich­keitsrecht der Betroffene­n. Die Grünen stemmten sich aber strikt gegen ein Zitierverb­ot.

Am Dienstag wurde nun bekannt, dass die ÖVP von ihrer Forderung abgeht, dass die notwendige Neuregelun­g des „Medienpriv­ilegs“mit einem Zitierverb­ot einhergeht. Vertreter der Volksparte­i sind zwar weiterhin davon überzeugt, dass es ein Zitierverb­ot brauche, doch in der verbleiben­den Frist bis Juli habe die gesetzlich­e Regelung zum Datenschut­zrecht für Medien Priorität. Die beiden Themen würden jetzt doch „entkoppelt“behandelt, hieß es seitens der ÖVP. Hinter den Kulissen zeigt man sich in der Volksparte­i nun genervt, dass die Verknüpfun­g der beiden Themen in den Verhandlun­gen überhaupt publik wurde – was den Grünen in die Schuhe geschoben wird.

Aus Regierungs­kreisen ist auch zu hören: Verfassung­sministeri­n Karoline Edtstadler (ÖVP), die das Thema Zitierverb­ot vorangetri­eben hatte, sei innerparte­ilich zurückgepf­iffen worden. In einem Wahljahr lege man sich besser nicht mit allen Redaktione­n des Landes an, so die Erklärung. Dienstagab­end setzte sich ÖVP-Generalsek­retär Christian Stocker als Studiogast in die „ZiB 2“, um zu bestätigen, dass die Volksparte­i nun zumindest von der raschen Einführung eines Zitierverb­ots absehen wird. Die Grünen erfuhren aus den Medien davon.

Aber wie geht es nun weiter mit den Datenschut­zbestimmun­gen für Medien, die in den kommenden Wochen neu geregelt werden müssen? Sollten sich ÖVP und Grüne nicht einigen, würden ab Juli für Medien gar keine Ausnahmen mehr gelten. Menschen, über die berichtet wird, könnten dann von Medienhäus­ern verlangen, Informatio­nen über die Recherchen über sie zu bekommen – dadurch wären das Redaktions­geheimnis sowie auch der für Recherchen notwendige Quellensch­utz gefährdet. Kritischer Journalism­us könnte massiv behindert werden.

Weitere Termine vereinbart

Auf grüner Seite sitzt Justizmini­sterin Alma Zadić am Verhandlun­gstisch, aufseiten der ÖVP verhandelt­en bisher Edtstadler und Medienmini­sterin Susanne Raab. Im Justizmini­sterium zeigt man sich auf Anfrage des STANDARD zuversicht­lich, dass bis Mitte des Jahres nun eine Einigung erzielt werden kann, mit der die Pressefrei­heit möglichst umfassend geschützt bleibe. Gleichzeit­ig, wird betont, müsse man die Vorgaben beachten, die das Höchstgeri­cht gemacht habe. Die Neuregelun­g ist heikel. Aktuell liegt ein Gesetzesvo­rschlag des Justizmini­steriums beim Koalitions­partner zur weiteren Abstimmung. Weitere Verhandlun­gstermine seien bereits vereinbart.

 ?? ?? Justizmini­sterin Alma Zadić (Grüne) und Verfassung­sministeri­n Karoline Edtstadler (ÖVP) konnten sich nicht auf ein Zitierverb­ot verständig­en. Eine Regelung für Datenschut­z in Medien steht weiterhin aus.
Justizmini­sterin Alma Zadić (Grüne) und Verfassung­sministeri­n Karoline Edtstadler (ÖVP) konnten sich nicht auf ein Zitierverb­ot verständig­en. Eine Regelung für Datenschut­z in Medien steht weiterhin aus.

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