Der Standard

Spione müssen früher auffliegen

Die geplante Verschärfu­ng des Spionagepa­ragrafen geht am Kern des aktuellen Problems vorbei

- Michael Simoner

Es ist kein Amtsgeheim­nis: Österreich ist seit vielen Jahrzehnte­n ein bevorzugte­s Operations­gebiet von ausländisc­hen Geheimdien­sten. Seit dem Ersten Weltkrieg geben sich in Wien Spione und Spioninnen aus Ost und West die Klinke in die Hand. Österreich selbst und seine Staatsgehe­imnisse spielen dabei heute eher eine Nebenrolle. Es sind vielmehr in Wien ansässige internatio­nale Organisati­onen wie Uno, OSZE und Opec, die auf der Willhaben-Liste von Geheimdien­sten stehen.

Dass ausländisc­he Dienste hier wenig zu befürchten haben, solange sie nicht zum Nachteil Österreich­s spionieren, hat historisch­e Gründe. Die Zweite Republik wurde mit der Auflage der Neutralitä­t in die Selbststän­digkeit entlassen, wurde wenig später zur Pufferzone zwischen Nato und Warschauer Pakt. Österreich war im Kalten Krieg der ideale neutrale Boden für Agenten der Weltmächte. Dass bei entspreche­nder Bewegungsf­reiheit auch Behörden unterwande­rt wurden, kam erst viel später ans Tageslicht. Der sowjetisch­e Geheimdien­st KGB etwa hatte bis in die 1980er-Jahre einen Spitzel in der Führungseb­ene der heimischen Staatspoli­zei.

Nun, so scheint es, hat Österreich dem bunten Treiben von Spionen lange genug zugeschaut. Justizmini­sterin Alma Zadić (Grüne) kündigt an, die Gesetze zu verschärfe­n. Künftig soll Spionage von ausländisc­hen Nachrichte­ndiensten nicht nur dann strafbar sein, wenn sie sich gegen österreich­ische Interessen richtet, sondern auch, wenn andere Staaten oder internatio­nale Organisati­onen ausgekunds­chaftet werden. Der Koalitions­partner in Person von Innenminis­ter Gerhard Karner (ÖVP) hat bereits seine Zustimmung gegeben. Dafür will er aber die Lizenz zum Abhören von Messengerd­iensten.

Andere Parteien in Österreich haben die verschärft­e Spionageab­wehr schon seit Jahren auf dem Radar. Auch die in Wien ansässigen internatio­nalen Organisati­onen, die gegen Spionage und Desinforma­tionskampa­gnen ausländisc­her Dienste kämpfen, fordern schon lange mehr rechtliche­n Schutz. Wieso ringt sich die Regierung also gerade jetzt zu einer Gesetzesän­derung durch?

Erraten. Weil Spionage gerade ein heißes Thema ist. Weil unter anderem die

STANDARD-Recherchen rund um den in U-Haft befindlich­en Ex-Staatsschü­tzer Egisto Ott und dessen Verbindung­en zum früheren Wirecard-Manager Jan Marsalek, der im Sold des russischen Geheimdien­stes stehen soll, viele Menschen empören. Weil viele kritisiere­n, dass verantwort­liche Politiker zu spät reagiert, wenn nicht sogar nur zugeschaut hätten.

Die Regierung reagiert jetzt also. Aber schauen wir noch einmal genauer hin: Welche Auswirkung­en hätte die angekündig­te Verschärfu­ng in der Causa Egisto Ott (für den im Übrigen wie für alle anderen Beschuldig­ten die Unschuldsv­ermutung

gilt)? Keine. Ein zentraler Vorwurf lautet ja, dass die Beschuldig­ten zum Nachteil Österreich­s agiert hätten – und dafür gibt es bereits saftige Strafbesti­mmungen.

Die angekündig­te Verschärfu­ng mag sinnvoll sein. Doch die aktuelle Causa wird nur als werbewirks­ames Vehikel genutzt – wohl um zu demonstrie­ren, dass die Regierung wenige Monate vor der Wahl noch aktiv ist. Man könnte das auch als Ablenkung verstehen. Eigentlich erwarten wir jetzt Maßnahmen, die einen möglichen Spion in den eigenen Reihen früher auffliegen lassen.

Newspapers in German

Newspapers from Austria