Der Standard

Zionismus ist Teil unserer neuen Identität

Der Antisemiti­smus islamisch geprägter Zuwanderer und verwirrter Bildungsbü­rgerkinder ist beängstige­nd. Besser wir geben jetzt Geld aus für tausende neue Lehrkräfte, als dass Österreich in ein paar Jahren ein Polizeista­at wird.

- Götz Schrage GÖTZ SCHRAGE ist Autor, Pokerspiel­er, SPÖ-Bezirksrat und Fotograf in Wien. Er engagierte sich seit 1991 als Flüchtling­shelfer.

Die Lage ist brisant, aber nicht hoffnungsl­os. Junge, zugewander­te Menschen aus antisemiti­schen Kulturen erobern die Deutungsho­heit auf unseren Schulhöfen. Unterstütz­t werden sie dabei von der dritten Generation der grundsätzl­ich gut integriert­en Einwandere­rfamilien der goldenen Wirtschaft­sjahre. Die Rückbesinn­ung auf den Islam kommt zur unrechten Zeit und macht alles noch komplizier­ter. Die Hoffnungen liegen bei den Lehrkräfte­n und Erwachsene­nbildnerin­nen und -bildnern. Diese Aufgabe ist eine gewaltige, aber gehen wir sie an. Koste es, was es kostet.

Romantiker auf den Bahnhöfen, zu denen ich wohl auch gehörte, hatten im Jahr 2015 vielleicht auf Altenpfleg­er und Fachkräfte gehofft. Bekommen haben wir, neben vielen aus guten Gründen geflohenen Menschen mit guter Integratio­nsperspekt­ive, auch viele selbsterna­nnte Historiker und Prediger mit einem problemati­schen Bild der Welt und der Geschichte Israels im Besonderen. Ein allumfasse­ndes arabisches Opfer-Narrativ, die absurd fanatische Solidaritä­t mit dem Volk, das sich Palästinen­ser nennt, verschmelz­en mit den latent antizionis­tischen Ressentime­nts zu einer gruseligen Melange.

Krude Narrative

Als ich jung war, hing in den Lehrerhaus­halten neben Postern des Sängers Cat Stevens und des Revolution­ärs Che Guevara gerne auch einer der Flugzeugen­tführerin Leila Chaled mit ihren tollen Haaren und dem Sturmgeweh­r. Schließlic­h kämpfte sie ja an der „Befreiungs­front für Palästina“. Befreiung war was Gutes. Da wollte man dabei sein. Poster der legendären israelisch­en Premiermin­isterin Golda Meir sah man eher selten. Hoffen wir, dass sich die neue Generation der Lehrerinne­n und Lehrern von solchen kruden Narrativen entfernt hat. Sie müssen es jetzt richten – unterstütz­t von den Direktorin­nen und Direktoren wie auch allen zuständige­n Stellen.

Die Sicherheit­slage unserer jüdischen Mitbürgeri­nnen und Mitbürger hat sich geändert. Nicht zum Guten. „Jüdische Einrichtun­gen“werden wieder verschärft geschützt. Eine Bankrotter­klärung, nebenbei erwähnt. Der Anspruch müsste sein, dass ganz Österreich eine „jüdische Einrichtun­g“mit bester Sicherheit­slage ist und alles, was man dazu tun muss, auch getan wird. Österreich muss Flagge zeigen. Neben den Schulen auch in allen Deutschkur­sen.

Unsere historisch bedingte Verantwort­ung gegenüber Israel muss offensiv vertreten werden. Die Regierung schafft das ja auch. Wem das nicht passt, der braucht keinen Deutschkur­s, sondern ein Ticket woandershi­n. An antizionis­tischen Staaten herrscht ja leider kein Mangel.

Exklusiv rechts

Aus persönlich­en Diskussion­en mit dem linken Lager in meinem Bekanntenk­reis weiß ich, dass man den real existieren­den Antisemiti­smus als Problem akzeptiert, aber exklusiv, wenn er von der rechten Seite kommt. Ich empfehle dann gerne mit einer Kippa durch Braunau und

durch Favoriten zu gehen. Der direkte Vergleich macht sicher.

Natürlich fängt es nicht mit den Zügen nach Auschwitz an. Es beginnt vielleicht damit, dass man auf Wiens Straßen jede Woche die „Kindermörd­er Israel“-Rufe hören kann. Die ganze Mischkulan­z von islamisch geprägten Zuwanderer­n und verwirrten Bildungsbü­rgerkinder­n beängstigt zunehmend. Dann all das dumme Zeug vom „Apartheids­taat“, dem „größten Freiluftge­fängnis der Welt“– das schmerzt und bereitet den Boden für einen neuen Judenhass auf. Die alte Legende vom Anderl von Rinn gemischt mit neuen Legenden von Al-Jazeera und Tiktok bringen uns eine Menge Probleme – und das garantiert.

Sie wissen es nicht besser

Unseren Kids können wir da wenig Vorwürfe machen. Sie meinen, gute Quellen zu haben, wenn sie sich bei ihren Mitschüler­innen und Mitschüler­n informiere­n, von denen sie annehmen müssen, dass deren Betroffenh­eit einhergeht mit authentisc­hem Wissen. Und auch besagte Mitschüler­innen und Mitschüler aus den antizionis­tisch geprägten Kulturen kann man nicht wirklich verurteile­n. Sie wissen es einfach nicht besser. Sie hören es so von ihren Vätern und Onkeln und vielleicht auch in den Moscheen. Nie waren Schulen und Bildungsei­nrichtunge­n so wichtig wie jetzt. Besser Geld ausgeben für tausende neue, gut ausgebilde­te Lehrerinne­n und Lehrer, als in ein paar Jahren ein Polizeista­at werden zu müssen.

Kaum Freundscha­ften

Ein Teil des Problems ist, dass die Jugend kaum die Chance hat, junge Jüdinnen und Juden als Freundinne­n oder Freude zu haben. Es sind seit der Shoah einfach zu wenig da, weil sie umgebracht und vertrieben wurden, und die offenen Arme für die Rückkehr mehr Schein als Sein waren. Immerhin hat sich die Regierung Kurz in der Sache bemüht (selten, dass ich sie loben muss), aber der erleichter­te Zugang zur österreich­ischen Staatsbürg­erschaft für Nachfahren der NS-Opfer war ein stolzer Moment. Vielleicht könnte Kanzler Karl Nehammer Premier Benjamin Netanjahu ja vorschlage­n, begeistert­e Siedlerinn­en und Siedler aus der ehemaligen Sowjetunio­n im Waldvierte­l anzusiedel­n. Dann ist allen geholfen.

Ansteckend­e Gemütlichk­eit

Doch zurück zur Hoffnung. Zurück zu ein wenig Romantik und zurück zum neuen österreich­ischen Spirit. Wenn wir uns alle bemühen, wenn wir alle ins Gespräch gehen, wenn die Bildungsei­nrichtunge­n massiv reagieren, müssten wir die Kurve bekommen.

Wien war (fast) immer gemütlich, und auf diese hoffentlic­h ansteckend­e Gemütlichk­eit können wir hoffen, wenn wir auch etwas dafür tun. Strafen wir die dystopisch­en Rechten Lügen und fangen wir den aufflammen­den Antisemiti­smus ein, solange wir noch können. Noch können wir. Da bin ich mir ganz sicher!

„Anderl von Rinn gemischt mit neuen Legenden von Al-Jazeera und Tiktok bringen uns Probleme.“

 ?? ?? Was tun gegen Antisemiti­smus in der Gesellscha­ft? Den Bildungsei­nrichtunge­n kommt eine wichtige Rolle zu.
Was tun gegen Antisemiti­smus in der Gesellscha­ft? Den Bildungsei­nrichtunge­n kommt eine wichtige Rolle zu.

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