Das ewige Gfrett mit der Transparenz
Super-Spitzenverdiener sorgen regelmäßig für Aufregung und eine Diskussion über den Wert der Arbeit. Wie groß ist das Lohngefälle wirklich – und warum ist Gehalt ein solches Tabu?
Vielleicht sind wir zu feig für Transparenz?“, antwortet Martin Mayer, Eigentümer der Personalberatung Iventa, mit einer Gegenfrage. Warum tun wir uns in Österreich so schwer damit, über Gagen und Einkommen Klartext zu reden, war die eigentliche Ursprungsfrage. In seinem 120-Mitarbeiter-Unternehmen sei es transparent, wer welches Grundgehalt und welchen Bonus wofür erhalte. Das ist nicht überall so, ganz im Gegenteil. Einkommen sind abseits minimaler gesetzlicher Transparenz-vorschriften meistens ein gut gehütetes Geheimnis.
Klarheit und Leistung
Personalberater Mayer rät dazu, was manche Unternehmen ohnedies schon machen, nämlich Gehaltstransparenz je Jobfamilie einzuziehen und sichtbar zu machen, wo manche mehr oder weniger verdienen. Der Experte erhofft sich davon auch eine „Diskussion über Leistung“. Neiddebatten könnten sich Firmen damit auch ersparen.
Dennoch versteht er die Aufregung, wenn wie aktuell bekannt wird, dass ein Radiomoderator im ORF mit 445.000 Euro brutto im Jahr zehnmal so viel verdient wie etwa eine Krankenpflegerin oder ein Krankenpfleger. Denn da werde es mit der Argumentation des Lohns als Zeichen der Wertschätzung, eines Mehrwerts für die Gesellschaft schwierig.
Stellenausschreibungen müssen in Österreich mit Gehaltsangaben versehen sein. Meistens steht die kollektivvertragliche Einstufung dort und eine „Bereitschaft zur Überzahlung“. Auf den Punkt genau ist diese Information selten. Aber wie entsteht überhaupt gehaltliche Einstufung? Da antwortet Mayer in der Sprache der Personalberater: „Das sind Marktmechanismen.“
Diese unsichtbare Hand ist in kleineren Unternehmen die Geschäftsführung. In größeren Firmen werden Vergütungsexperten wie Conrad Pramböck herangezogen, um bezüglich Gehaltsbändern in der Branche zu beraten und die jeweiligen Mitarbeiter dann einstufen zu können. Dazu kommen noch individuelles Verhandlungsgeschick und geldwerte spezielle Expertise.
Für den Vorstandsbereich ist der Vergütungsausschuss im Aufsichtsrat mit diesen Agenden befasst – Executive Searcher, Compensation&-Benefits-Berater wirken beim Marktwert eines Vorstands oder einer Vorständin mit. So entstehen auch Spitzengagen.
Abgesehen von „ein paar Handvoll auserlesenen Personen, etwa Vorstände in ATX-Unternehmen“, sieht Gehaltsexperte Pramböck den Abstand in der Entlohnung zwischen ganz oben und ganz unten nicht als aufregenswert: „Realistische Zahlen über die durchschnittliche Spreizung zwischen Gehältern von Geschäftsführern und den schlecht bezahlten Kräften über alle Unternehmensgrößen hinweg liegen in Österreich bei 5:1 und 7:1“, berichtet er aus seinen Marktdaten. Und: In kleinen Unternehmen verdiene die Geschäftsführung kaum mehr als die bestbezahlten Mitarbeitenden und etwa das Drei- bis Vierfache der Niedrigstbezahlten. In Konzernen liege diese Spreizung rund beim 50-Fachen. In der Verteilung der Einkommen liegen laut Steuerdaten jene in den obersten zehn Prozent, die ab 5000 Euro brutto monatlich verdienen. Der Median der Einkommen in Österreich bei Vollzeitbeschäftigung dürfte jetzt, nach den jüngsten Kollektivver-tragsrunden, knapp unter 3000 Euro liegen.
„Um sicherzustellen, dass die Gehälter fair sind, empfehle ich Personalabteilungen den Kaffeemaschinentest: Nehmen wir an, dass zwei beliebige Mitarbeiter im Unternehmen miteinander bei der Kaffeemaschine über das Thema Gehalt sprechen, können Sie als Personalabteilung dann die Unterschiede mit sachlichen Argumenten begründen?“
Transparenz als Lösung?
Könnte alles besser sein mit Transparenz? Kienbaum-Vergütungsexperte Alfred Berger findet: „Grundsätzlich Transparenz gerne, aber für die, die es was angeht: Eigentümer, Investoren, Kollegen.“Bloße Zahlen-veröffentlichung zu Einzelpersonen sei hingegen keine Transparenz. Wettbewerbsnachteile und auch interne Konflikte, die entstehen können, sind oft genannte Gründe dagegen, berichtet Berger.
Aber: „Innerhalb einer Organisation ist es durchaus sinnvoll, Transparenz in Bandbreiten darzustellen, wenn die Zuordnung zu Gruppen klar definiert ist. Dann gilt es aber auch, Leistung zu definieren und diese nach transparenten Kriterien zu vergüten.“
Gehaltsexperte Pramböck hat dazu einen praktischen Vorschlag: den Kaffeemaschinentest. „Nehmen wir an, dass zwei beliebige Mitarbeiter im Unternehmen miteinander bei der Kaffeemaschine über das Thema Gehalt sprechen. Können Sie als Personalabteilung dann die Unterschiede mit sachlichen Argumenten begründen?“
Conrad Pramböck