Der Standard

Wasserstof­fspeicher als Nadelöhr

Bis 2030 wird der Bedarf an Speichervo­lumen in Europa auf 45 Terawattst­unden geschätzt, das bedeutet Investitio­nskosten von bis zu 36 Milliarden. In Vorbereitu­ng sind neun Terawattst­unden.

- Günther Strobl

Wasserstof­f (H2) gilt als Hebel, wenn es um die Dekarbonis­ierung großer Industries­ektoren wie Stahl oder Chemie geht. Beide und noch einige mehr emittieren Unmengen an klimaschäd­lichem CO2, was am spezifisch­en Produktion­sprozess liegt, der einen extrem hohen Einsatz an Energie erfordert. Energie, die künftig grün sein soll, wie der aus Windund Sonnenener­gie gewonnene Wasserstof­f auch. Aber nicht nur bei den Produktion­szielen für grünen, derzeit noch prohibitiv teuren Wasserstof­f klafft zwischen Anspruch und Wirklichke­it eine Lücke. Auch bei den dafür vorgesehen­en Speichern ist es nicht anders.

So wird der Bedarf an großvolumi­gen Speichern bis 2030 auf europaweit 45 Terawattst­unden (TWh) geschätzt, die sich bis 2050 (NettoNull-Szenario) auf knapp 300 TWh erhöhen könnten. Tatsächlic­h in Vorbereitu­ng sind nach einer Erhebung von „H2eart for Europe“, einer vor kurzem gegründete­n Initiative europäisch­er Gasspeiche­rbetreiber, 9,0 TWh. Die Kosten für die Umrüstung werden auf 18 bis 36 Milliarden Euro geschätzt.

Investitio­nslücke

In Deutschlan­d ist die Diskrepanz ähnlich groß. Während das vom Grünen Robert Habeck geführte Ministeriu­m für Wirtschaft und Klimaschut­z von einem Speicherbe­darf in der Größenordn­ung von 2,0 bis 5,0 TWh ausgeht, summieren sich die in Angriff genommenen Projekte auf gerade einmal eine TWh.

„Man sieht glasklar, dass sich eine enorme Investitio­nslücke auftut zwischen Plänen und tatsächlic­hen Projekten“, sagte Michael Schmöltzer dem STANDARD. Der Speicherbe­darf in Österreich wird bis 2030 auf zwei bis drei TWh geschätzt; eine Zusammensc­hau an Projekten, die in Angriff genommen worden sind, kenne er, Schmöltzer, nicht.

Schmöltzer ist Chef der Uniper Energy Storage GesmbH und vertritt die Speicherin­teressen des 2016

durch Abspaltung der Stromerzeu­gung aus Kohle, Gas, Wasserkraf­t und des globalen Energiehan­dels von Eon entstanden­en deutschen Energiekon­zerns in Österreich. Seit Dezember 2022 gehört Uniper zu fast 100 Prozent dem Staat, nachdem ausgeblieb­ene russische Gaslieferu­ngen den Konzern zuvor an den Rand der Insolvenz gebracht hatten. Schmöltzer ist auch Vorsitzend­er einer Arbeitsgru­ppe innerhalb der Wasserstof­fspeicher-Initiative „H2eart for Europe“.

Zum großvolumi­gen Speichern von Wasserstof­f kommen laut Schmöltzer, der früher einmal Leiter der Gasabteilu­ng in der Regulierun­gsbehörde E-Control war, faktisch nur unterirdis­che Kavernen oder poröse Gesteinsfo­rmationen infrage. Während Österreich ausschließ­lich Porenspeic­her hat, finden sich in Norddeutsc­hland auch Kavernensp­eicher, die sich im Gegensatz zu den schwammähn­lichen Porenspeic­hern rasch befüllen und wieder entleeren lassen.

Derzeit laufen bei diversen Speicherst­andorten Tests, inwieweit sie zur Einlagerun­g von Wasserstof­f taugen und wie viel Prozent davon dem Methan beigemisch­t werden können. In Oberösterr­eich ist damit das Speicherun­ternehmen RAG (Renewables and Gas) befasst; in Bierwang nahe Altötting (Bayern) sammelt Uniper seit diesem Frühjahr Erfahrung, ob sich seine Energiespe­icher auch für andere Energieträ­ger wie H2 eignen. An einem Faktum kommt man jedenfalls nicht vorbei: „Vom Speichervo­lumen, das wir jetzt haben, brauchen wir für Wasserstof­f eigentlich fünfmal mehr, wenn wir dieselbe Energiemen­ge einlagern wollen“, sagte Schmöltzer. Das lasse nur einen Schluss zu, nämlich dass zusätzlich­e Speicher entwickelt werden müssten, was zusätzlich Zeit und Geld verschling­e.

Lange Umrüstung

Während die Umrüstung bestehende­r Speicher fünf bis sieben Jahren dauere, seien für die Entwicklun­g eines neuen Speichers gut und gerne zehn Jahre zu kalkuliere­n. Umso dringender sei es, dass die politisch Verantwort­lichen für attraktive und sichere Rahmenbedi­ngungen sorgen, damit die Bedarfslüc­ken zeitgerech­t gefüllt werden.

Als praktikabl­es Instrument könnte sich Schmöltzer einen Contract for Difference vorstellen – ein Fördermode­ll, bei dem positive wie negative Abweichung­en von einem festgelegt­en Referenzpr­eis an den Vertragspa­rtner ausgezahlt werden.

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In Bierwang in Bayern steht einer von acht Erdgasspei­chern, die Uniper als größtem Speicherbe­treiber gehören. Seit dem Frühjahr laufen Tests, inwieweit der dortige Porenspeic­her für Wasserstof­f taugt.

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