Der Standard

Der Name Egisto hat antikes Flair

- Die Kolumne von Ronald Pohl

Die Karriere des heimischen Verfassung­sschützers Egisto Ott – er soll, wie es heißt, auf Abwege geraten sein – weist eine Vielzahl von Besonderhe­iten auf. Deren augenfälli­gste erfreut zugleich das Ohr. Mit der Wahl des Taufnamens Egisto hat das Elternpaar Ott nicht nur Unerschroc­kenheit bewiesen. Mit dem Äquivalent von Ägisth pflückten die Erziehungs­berechtigt­en eine besonders saftige Frucht vom Baume klassische­r Bildung.

Nun entspross Ägisth dem fluchbelad­enen Geschlecht der Atriden. Sein Renommee hat durch Winkelzüge Schaden genommen. Er beschlief nicht nur die Klytaimnes­tra, als ihr Gemahl Agamemnon sich nach Troja eingeschif­ft hatte. Ägisth wollte das Bett der Buhlin auch nach Rückkehr des Feldherrn nicht mordlos räumen. Prompt wurde der Held im Bade abgestoche­n.

Ich selbst war als kleiner Babyboomer interessie­rter Zeuge der Namenspoli­tik. In der Ära Kreisky und davor begegnete man häufig den Vorlieben von völkisch Gesinnten. Es gab Onkel, die Dolf und Rolf hießen. Gescheitel­te Herren, die auf Hermann oder Siegfried hörten, schmückten die Tafeln der Familien stirnseiti­g.

Irgendwann war der germanisch­e Zauber zerstoben. Meine Eltern zerbrachen sich die Köpfe, bis sie auf Ronald gekommen waren. Mir machte die Exotik meines Taufnamens wenig zu schaffen, da mich sechzig Prozent aller Menschen ohnedies mit „Roland“ansprachen. Erst später begriff ich, dass vornehmlic­h DDR-Bürger Ronald getauft wurden. Ronnies strampelte­n bei der Bahnrad-WM oder schwängert­en Vertreteri­nnen der Brudervölk­er im Rahmen der Spartakiad­e.

Ich kann noch da von Glück reden, wo ich Pech hatte. Mein Zweitname lautet Rüdiger. Nun ist Rüdiger von Bechelaren eine Figur aus dem Nibelungen­lied. Immerhin kamen meine Eltern nicht auf den Gedanken, mich Etzel oder Blödel zu nennen.

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