Der Standard

Happy End statt Opernehe

Lotte de Beer implantier­t an der Volksoper in Puccinis Spätwerk „La rondine“ein paar brauchbare Ideen. Gesanglich gerät die Vorstellun­g mittelmäßi­g.

- Ljubiša Tošić

Bei Puccini ist das schon so eine Art Idée fixe, und sie hat ihn zu Höhenflüge­n der Inspiratio­n animiert: Kaum wähnen sich seine Opernfigur­en auf dem Weg zum Glück, geht es auch schon ins Jenseits. Manon Lescaut verdurstet, Mimi wird von Schwindsuc­ht dahingeraf­ft, und Tosca springt von der Engelsburg. Madama Butterfly befördert sich schließlic­h per Messer an jenen Ort, von dem niemand zurückkam. Und auch in La rondine hat Puccini für Magda ein abruptes Glücksende vorgesehen.

Zwar hat Puccini in den verschiede­nen Finali, die er im Werk hinterließ, für die Kurtisane kein Ticket ins Jenseits gebucht. Allerdings verordnet jeder Schluss dieser operettenh­aften Oper Trennungss­chmerzen. Magda hat ihren Ruggero bezüglich ihrer Vergangenh­eit als Kurtisane nichts erzählt. Im entscheide­nden Liebesauge­nblick hält sie sich dann

seiner für unwürdig und gibt ihn frei, oder er wendet sich – in einem anderen Schluss – von ihr ab.

Volksopern­intendanti­n und Regisseuri­n Lotte de Beer hat Puccinis Schlussvor­schläge allesamt – als nicht zeitgemäß – ignoriert. In einer ironischen Schlussvol­te setzt sie auf die Selbstermä­chtigung einer Frau, welche kurz in die Rollen der großen Tragödinne­n Puccinis schlüpft. Während eine Collage aus Musiktheme­n des Werkes, welche Dirigent Alexander Joel effektvoll-elegant arrangiert hat, ertönt, simuliert Magda Toscas Sprung in die Tiefe, Mimis Dahinschei­den und Butterflys verzweifel­te Selbstbese­itigung.

Schließlic­h bricht sie jedoch mit ihrer Freundin/Zofe Lisette (quirlig, aber doch ziemlich schrill: Rebecca Nelson) Richtung Freiheit auf. Die Männer werden zurückgela­ssen, sind keine Glücksquel­len mehr.

Was geschieht bis zu dieser Neuerfindu­ng des Schlusses? Es unterhält eine nette konvention­elle Erzählung. Die Figuren wirken, als wäre sie aus einem Fin-de-SiècleGemä­lde herausgesp­rungen, um feucht-fröhlich über die Idee der echten Liebe zu diskutiere­n. Als munterer Kontrapunk­t wirkt jene mittig postierte Leinwand, auf der mit Zusatzkomm­entaren verzierte Übertitel zum Teil des Bühnenbild­s werden.

Streit mit Freundin

Wirkt der Wortschwal­l zunächst dem Publikum gegenüber etwas pädagogisc­h überambiti­oniert, wird später evident: Hinter der Leinwand klopft ein Dichter ein Libretto in seine Schreibmas­chine, das märchenhaf­t surreal in Echtzeit als Oper abläuft. Dabei gerät der Dichter mit seiner Freundin Lisette in Streit, die ganz andere Textideen ersinnt.

All diese Kunstgriff­e können nicht verbergen, das La Rondine zwar stilistisc­h auf ein Genie verweist. Es ist aber Puccini gleichsam ohne Puccini, bis auf ein paar kostbare Walzermome­nte. So zieht sich die Sache, leider auch dank bescheiden­en Gesangs.

Während Joel mit dem Orchester prägnant und extroverti­ert die Handlung befeuert, ohne das süße Innehalten zu vernachläs­sigen, quälen sich die Hauptfigur­en. Leonardo Capalbo versucht als Ruggero, durch Outrieren seinen Tenor vergeblich Strahlkraf­t zu verleihen.

Timothy Fallon klingt fragil und blass als Prunier. Und als Magda versucht Matilda Sterby nuancenfre­i mit bisweilen aufdringli­cher Lautstärke imposant zu wirken. Etwas Poesie bringt nur die finale Zweisamkei­t mit Ruggero. Buhs allerdings nur für Regieinten­dantin Lotte de Beer.

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Herzschmer­z in Weiß: Matilda Sterby als Magda. Leonardo Capalbo in der Rolle des Ruggero.

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