„Solche Karriereschritte sind mittlerweile immer gecoacht“
Auch wenn es um Spitzenpositionen im Gesundheitsbereich geht, ist professionelles Coaching mittlerweile State of the Art, sagt die Spezialistin für diesen Bereich, Maria Theresia Nordegg.
Standard: Sie beobachten den Arbeitsmarkt für Spitzenpositionen im Gesundheitswesen seit vielen Jahren. Was ist auffällig?
Nordegg: Die Professionalisierung. Detaillierte Ausschreibung, Vorauswahl durch Personalberater, komplexe Aufgabenstellungen in Assessment-Centern, steigende Anforderungen an das Konzept und die Beurteilung der Präsentation im Hearing. Alles ist von Personalprofis konzipiert und durchgestylt. Vom ersten Interview über psychologische Tests bis zu Rollenspielen und den Fragen im Hearing. Dem müssen die Bewerberinnen und Bewerber auf Augenhöhe begegnen können und dabei authentisch bleiben.
STANDARD: Professionelle Begleitung ist da mitgewachsen ...
Nordegg: Ohne Unterstützung ist es schwierig. Die Ärztinnen und Ärzte, mit denen ich bisher gearbeitet habe, waren alle außergewöhnlich strukturiert. Alle top in ihrem Job, im In- und Ausland vernetzt, meist habilitiert, mit Auslandserfahrung und oft herausragende Persönlichkeiten.
Die einen sind hervorragend in der Konzeption, andere genial im Vortrag. Aber fast niemand kann alles. Schreiben, konzipieren, präsentieren. Irgendwo gibt es immer Hürden. Die identifiziert man nur in der Diskussion, da braucht es den Blick von außen. Ich bin überzeugt davon, dass solche Karriereschritte mittlerweile immer gecoacht sind.
Standard: Die häufigsten Fehler? Nordegg: Es wird zu wenig mit dem Kopf des Spitals gedacht. Wer sind die handelnden Personen? Was brauchen und erwarten diese? Wie tickt das Haus? Welche Werte werden dort gelebt? Man muss auch zwischen den Zeilen der Ausschreibung lesen, Homepage und Publikationen studieren, das Wording verinnerlichen. Für ein Primariat im katholischen Privatspital bewerbe ich mich anders als für eines im AKH. Man muss möglichst viele Informationen über das Spital, den Spitalserhalter und das Personal herausfinden. Mit wem kann ich und mit wem muss ich reden? Wer erzählt mir über die bestehenden Probleme? Was kommt auf das
Haus und die Abteilung zu? Wer kann mit wem und mit wem nicht? Wie ist die Gesprächskultur? Wie werden Konflikte gelöst? Direktorium. Primarien. Pflege. Betriebsrat. Ethikbeirat, wenn es einen gibt. Alles Auskunftspersonen und wichtige Schritte in Sachen Lobbying.
STANDARD: Klientinnen und Klienten sind vermutlich nicht jene Überflieger, die eh alles wissen.
Nordegg: Doch. Gerade die. Sie sind extrem zielorientiert und professionell. Ein Bewerbungsprozess hält andere Herausforderungen bereit als ihr Job. Dabei gibt es introvertierte und extrovertierte Klientinnen und Klienten. Grundsätzlich ist es viel einfacher, Weltmeister der Selbstpräsentation einzubremsen, als zurückhaltende, bescheidene Persönlichkeiten ins Rampenlicht zu holen. Wir hatten schon Fälle, da hat einer als interimistischer Leiter über Jahre eine Abteilung erfolgreich umgekrempelt und dann in der Präsentation nur die Leistungen der Mannschaft beschrieben anstatt die eigenen im Change-Prozess. Frauen sind im Übrigen in der Regel noch zurückhaltender. Sie stellen ihr Licht viel häufiger unter den Scheffel als ihre männlichen Kollegen.
STANDARD: Worum geht es bei den abzuliefernden Konzepten? Nordegg: Die Entwicklung der Ab
teilung, Zusammenarbeit mit anderen Abteilungen, Einbettung in einen bestehenden Verbund, Personalentwicklung, Recruiting, Budgetierung, Drittmittel, Patienten-Akquisition. Und alles andere, was in der Ausschreibung gefordert wird.
STANDARD: Erfolgsgarantien stellen Sie natürlich nicht aus ...
Nordegg: Nein, natürlich nicht. Die besten Bewerberinnen und Bewerber gehen ins Hearing. Daraus ergibt sich der Dreier-Vorschlag. Eine oder einer wird Primaria, Primar. Und, auch das muss man dazusagen, manchmal steht das Ergebnis schon von vornherein fest. Von manchen Klienten wird die erste Bewerbung auch als Generalprobe gesehen. ErsINTERVIEW:
tens ist die nächste Bewerbung einfacher, weil vieles wieder verwendet werden kann. Zweitens profitiert man in jedem Fall. Eine Klientin ist in einem Verbund einiger Regionalspitäler für die Koordination zuständig und hat uns erzählt, dass sie seit dem Auftritt im Hearing plötzlich mit den Primarien auf Augenhöhe ist. Ein anderer ist erfolgreich in die Privatwirtschaft gewechselt. Und drittens kommt immer die Aussage: „Ich habe viel über mich gelernt.“
MARIA THERESIA NORDEGG (61) ist mit ihrem Kommunikationslabor in Wien auf das Coaching von Ärztinnen und Ärzten spezialisiert. Vor ihrer Selbstständigkeit war sie in leitenden Positionen in der PR und in der Krisenkommunikation tätig.