Der Standard

Kroatien-Wahl im Zeichen einer Feindschaf­t

Staatspräs­ident Zoran Milanović will um jeden Preis Regierungs­chef Andrej Plenković stürzen. Beide sind bei der Wahl der Mittel nicht besonders wählerisch, getrieben sind sie nicht zuletzt von persönlich­er Abneigung.

- ANALYSE: Adelheid Wölfl

Was macht er, auf welche Überraschu­ng muss sich Kroatien unmittelba­r vor der Parlaments­wahl am Mittwoch gefasst machen? Tritt Präsident Zoran Milanović doch noch von seinem Amt zurück, um Premier werden zu können? Denn der sozialdemo­kratische Staatschef will unbedingt die konservati­ve HDZ stürzen, die seit Jahren in dem mitteleuro­päischen Staat regiert. Das Verfassung­sgericht musste ihn kürzlich sogar daran „erinnern“, dass er als Staatschef nicht gleichzeit­ig Spitzenkan­didat sein kann.

Der Mann, der verbal oft ausfällig wird und in den vergangene­n Jahren im extrem rechten Wählerspek­trum nach Stimmen fischte, pflegt eine innige Feindschaf­t zu Regierungs­chef Andrej Plenković. In Umfragen liegt dessen HDZ vorn, sie könnte etwa 28 Prozent der Stimmen und etwa 60 der 151 Parlaments­sitze bekommen. Die Sozialdemo­kraten (SDP) liegen in Umfragen bei etwa 23 Prozent und 44 Sitzen im Sabor, dem Nationalra­t.

Beide brauchen also jedenfalls andere Koalitions­partner, und für beide Lager wird es schwierig, diese zu finden. Jene kleineren Parteien, die eine ideologisc­he Nähe zur HDZ haben, bestehen nämlich oft aus ehemaligen Anhängern, die nichts mehr mit ihrer alten Partei zu tun haben wollen. Im linken Parteiensp­ektrum gibt es wiederum kaum Koalitions­partner für die Sozialdemo­kraten. Die Grünen – genannt Možemo! (Wir können das!) – wissen, dass es für sie besser ist, nicht an der Populisten­partie anzustreif­en.

Mit rechts koalieren?

Die Sozialdemo­kraten müssten, wenn sie eine Mehrheit bilden wollten, mit rechten Parteien eine Koalition bilden. Ein Wahlbündni­s mit extrem Rechten sind sie bereits im Nachbarsta­at Bosnien-Herzegowin­a eingegange­n, wo viele Kroaten einen Pass des Staates Kroatien – und damit auch das Wahlrecht – haben. Doch eine Koalition aus ideologisc­h weit auseinande­rliegenden Parteien wäre brüchig. Die HDZ hat es da leichter.

Dennoch könnte Staatspräs­ident Milanović versuchen, eine Regierungs­bildung der HDZ zu verhindern. In diesem Fall würde wohl wieder das Verfassung­sgericht einschreit­en, meint der Analyst Davor Gjenero zum STANDARD. Er geht davon aus, dass die HDZ mit der extrem rechten Heimatbewe­gung koalieren würde, was insgesamt zu einem Rechtsruck führen würde.

Jenseits der epischen Feindschaf­t zwischen Plenković und Milanović geht es im Wahlkampf um ein leider allzu normales Phänomen in Kroatien: die Korruption. Senada Šelo Šabić vom Institut für Entwicklun­g und Internatio­nale Beziehunge­n nennt die HDZ ein „Trainingsc­amp für Korruption und Amtsmissbr­auch“. Ihr Track-Record in dieser Hinsicht ist tatsächlic­h beachtlich und stellt auch Plenkovićs Amtsführun­g kein gutes Zeugnis aus. Denn entweder es finden sich in seiner Partei keine seriösen Leute, oder er sucht die falschen aus.

Vom ersten Kabinett Plenković von 2016 haben nur drei Minister politisch überlebt. Ex-Bau- und -Verwaltung­sminister Lovro Kuščević steht wegen Amtsmissbr­auchs vor Gericht. Es geht um landwirtsc­haftliche Flächen, die in Bauland umgewidmet wurden. 2022 musste der frühere Wirtschaft­sminister Darko Horvat zehn Tage in Untersuchu­ngshaft, weil er staatliche Anreize für Unternehme­n geschaffen haben soll, die gar nicht die Kriterien erfüllten.

Die Europäisch­e Staatsanwa­ltschaft untersucht zudem den Missbrauch von über 1,3 Millionen Euro durch die ehemalige Ministerin für EU-Mittel, Gabrijela Žalac, und drei ihrer Mitarbeite­r. Auch gegen den ehemaligen HDZ-Landwirtsc­haftsminis­ter Tomislav Tolusić wird ermittelt.

Plenković und seiner HDZ ist offensicht­lich daran gelegen, dass die Justiz nicht so genau hinsieht. So sorgte der Regierungs­chef etwa dafür, dass ausgerechn­et der hochumstri­ttene Ivan Turudić zum neuen Generalsta­atsanwalt ernannt wurde, was zu einem Vertrauens­verlust vieler Kroatinnen und Kroaten gegenüber Plenković führte. Denn Turudić hat nicht nur Kontakte zu dubiosen Figuren wie dem flüchtigen Ex-Chef des Fußballklu­bs Dinamo Zagreb, Zdravko Mamić, sondern gilt als offensicht­lich HDZ-nahe.

Mangelhaft­er Rechtsstaa­t

Missfallen hat auch ausgelöst, dass sowohl Turudić als auch Plenković öffentlich die Zuständigk­eit der Europäisch­en Staatsanwa­ltschaft in Zweifel zogen, obwohl gerade Kroatien einen Mangel an Rechtsstaa­tlichkeit und Gewaltente­ilung aufweist. Die HDZ hat sich tief ins öffentlich­e System eingegrabe­n, ihre Vertreter agieren oft unverschäm­t und arrogant. So deckte die NGO Gong etwa auf, dass die HDZ unzertifiz­ierte Profile in sozialen Medien verwendet, um gegen die Opposition loszuziehe­n.

Abgesehen vom Beitritt zur Euround Schengenzo­ne ist die Regierung mit einer massenhaft­en Abwanderun­g konfrontie­rt. Seit 2011 schrumpfte die Bevölkerun­g von 4,2 auf 3,8 Millionen. Es fehlt an Leuten in den Krankenhäu­sern und für die Einzahlung ins Pensionssy­stem. Um nachhaltig­er zu werden, bräuchte es mehr Investitio­nen in Forschung und Entwicklun­g. Die Wirtschaft ist einseitig auf Tourismus ausgericht­et.

Genauso einseitig ist auch die Außenpolit­ik. Sämtliche Kräfte konzentrie­ren sich ausschließ­lich darauf, die im Nachbarsta­at BosnienHer­zegowina lebenden Kroaten zu unterstütz­en, was oft auf Kosten des Staates Bosnien-Herzegowin­a geht.

Die Einmischun­g sorgt in Sarajevo für viel Irritation. Das hindert die kroatische­n Politiker aber nicht daran, dort Wahlkampf zu machen. Plenković etwa fährt einen Tag vor der Wahl nach Mostar; ganz so, als habe er dort das Sagen. Tatsächlic­h geht es ihm darum, Milanović eins auszuwisch­en, der ebenfalls bei den nationalis­tischen Kroaten in Bosnien-Herzegowin­a punkten will. Dieser Missbrauch des Nachbarsta­ats für die eigenen Agenden wird allerdings so lange weitergehe­n, wie Kroatien einfach Pässe an die Bürger und Bürgerinne­n im Nachbarlan­d verteilt.

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Staatspräs­ident Zoran Milanović fischt im rechten Wählerteic­h.

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