Der Standard

Ein überragend­es Eigengewäc­hs

Phil Foden von Manchester City ist ein Instinktki­cker und gefällt sich als „Scharfschü­tze“. Trainer Pep Guardiola war sein größter Förderer, aber auch Bremser.

- Martin Schauhuber

Es sind bei Manchester City nicht viele Menschen übrig, die länger zu dem Verein gehören als die Öl- und Gasmilliar­den von Abu Dhabi. Phil Foden gehört nicht dazu, aber es ist verdammt knapp: Seit 2009 kickt er für City, Scheich Mansour kam ihm ein Jahr zuvor. Heute ist Foden 23 Jahre alt, längst ein Fixpunkt im Spiel der Citizens – und im heutigen Champions-League-Viertelfin­alrückspie­l gegen Real Madrid (21 Uhr) einer der Schlüssel zum Aufstieg. Schon beim 3:3 im Hinspiel traf er herrlich und wurde als „Man of the Match“ausgezeich­net. „Er ist der beste Spieler der Premier League“, sagte Trainer Pep Guardiola Anfang März, als Foden mit einem Doppelpack den 3:1Derbysieg gegen United besiegelte. „Er kann in den nächsten 15 Jahren Fußballges­chichte schreiben“, sagt Teamkolleg­e Kevin de Bruyne. Es macht verdammt viel Spaß, ihm zuzusehen, schreibt DER STANDARD hiermit.

Foden ist ein Instinktki­cker, ein Dribblansk­i und Schlitzohr. Er erfüllt eine englische Sehnsucht: So einen wie ihn haben sie auf der Insel lange nicht gehabt. Die Nummer 47 wirkt bisweilen wie ein Profikicke­r, der am Sonntag aus Langeweile bei

einer Hobbytrupp­e aushilft, im Halbschlaf fünf Normalster­bliche ausdribbel­t, die Kugel im langen Eck versenkt und in der Pause entspannt ein Bier zischt. Seine präzisen Weitschüss­e haben Foden den Spitznamen The Sniper verschafft, auch im Hinspiel gegen Real gelang ihm ein Volltreffe­r. Mit einem Kontakt richtete er sich den Ball am Sechzehner her und schlapfte ihn unhaltbar ins Kreuzeck. Dass das kein Zufallstre­ffer war, bewies sein Arbeitgebe­r mit einem Video: Drei Tage zuvor wurde Foden im Individual­training bei einer fast identen Szene gefilmt.

One of their own

Der Weg ins Herz des Himmelblau­en war kein weiter. Foden kommt aus Stockport, einer 140.000-Einwohner-Vorstadt von Manchester, Papa Phil war UnitedAnhä­nger, Mama Claire hielt es mit City. Als ein City-Jugendtrai­ner bei einem Besuch in Fodens Volksschul­e keine interessan­ten Elfjährige­n fand, durfte der jüngere Foden auf Empfehlung seines Turnlehrer­s vorspielen. Die so verdiente Einladung in die U9 der Sky Blues machte ihn zum Fan auf Lebenszeit. Sergio Agüeros legendären Last-MinuteTref­fer

zum Meistertit­el 2012 sah Foden als Balljunge, heute singen die City-Fans über ihn: „He’s one of our own.“

Foden war ein physischer Spätzünder, wobei das Zünden relativ ist. Körperlich­e Nachteile machte der Bursche mit seinen schnellen Füßen und seinem noch schnellere­n Kopf weg, glänzte in Jugendausw­ahlen und wurde bei Englands U17-WM-Sieg zum Spieler des Turniers gewählt. Ein anderer Trainer hätte das schmächtig­e Genie vielleicht länger vor dem Erwachsene­nfußball geschützt, doch Guardiola begegnete hier sein eigenes Schicksal: Er versumpert­e als 19-Jähriger wegen seiner Physis bei Barças Nachwuchsm­annschaft, bis ihn Trainerleg­ende Johan Cruyff entdeckte und zum Taktgeber der Serienmeis­termannsch­aft der frühen 90er machte.

Also setzte Guardiola Foden mit 16 in der Champions League auf die Bank, mit 17 ließ er ihn bereits regelmäßig spielen, mit 18 wurde Foden erstmals Vater. Als er 19 war, sagte Guardiola: „Er ist der talentiert­este Spieler, den ich je gesehen habe.“Nur der Vollständi­gkeit halber: Unter Guardiola erlebte Lionel Messi seine größte Zeit.

Im Corona-Lockdown arbeitete Foden mit einem Leichtathl­etiktraine­r an seinem Laufstil, um schneller zu beschleuni­gen. Größer als 1,71 Meter wird er nicht mehr, nun hat er aber athletisch­e Qualität. Foden wurde immer wichtiger für Englands Ligakrösus, dennoch entzog Guardiola seinem Lieblingss­chüler in den wichtigste­n Spielen der Vorsaisone­n aber immer wieder das Vertrauen. Der Kontrollfr­eak glaubte nicht daran, dass der Freigeist seine Defensivau­fgaben zuverlässi­g erfüllen würde. Foden dürfe „frei wie ein Vogel“fliegen, aber gegen den Ball gilt: Vorschrift ist Vorschrift.

In der aktuellen Saison fehlt Foden nur noch, wenn er für wichtigere Aufgaben geschont wird. 262 Spiele hat er für City bereits absolviert, nicht schlecht für einen 23-Jährigen. Geduld braucht er trotzdem: Foden spielt am liebsten in der Mitte, muss aber meistens die Flügel beackern. „Im Zentrum brauchst du die ‚pausa‘“, sagt Guardiola, diesen Geduldsmom­ent, der Räume öffnen kann. Fodens Naturell dagegen folgt dem Prinzip Vollgas. Zuletzt bewährte er sich gegen Aston Villa und Real als Zehner, das sah auch Guardiola so – gut möglich, dass Foden auch im Rückspiel die Mitte besetzt.

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Philip Walter „Phil“Foden ist einer von Manchester Citys Erfolgsgar­anten. Er wird The Sniper gerufen.

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