Der Standard

Bauprojekt­e bedrohen Naturschut­z

Ein geplanter Bildungsca­mpus in Hainburg sorgt für Aufregung bei Umweltschü­tzern. In Niederöste­rreich häufen sich überhaupt Bauprojekt­e, die unmittelba­r neben Natura-2000-Gebieten entstehen sollen.

- Max Stepan

Für die niederöste­rreichisch­e Landesregi­erung und das östliche Wiener Umland war es eine Hiobsbotsc­haft: Der deutsche Pharmakonz­ern Boehringer Ingelheim verkündete im Herbst, sein Werk für die Herstellun­g von Medikament­en mit rund 800 Arbeitsplä­tzen doch nicht in Bruck an der Leitha zu bauen. Der Jubel in der Region war bei der Vorstellun­g des Projekts groß gewesen – Landeshaup­tfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) sah das Werk in Bruck gemeinsam mit einem geplanten Bildungsca­mpus für Biotechnol­ogie in Hainburg an der Donau als eine große „Aufwertung der Region“.

Nun ist das Brucker Pharmawerk schon länger vom Tisch – umso mehr hält die schwarz-blaue Landesspit­ze an dem Projekt der Errichtung eines Bildungsca­mpus in Hainburg fest. Doch in der Gemeinde unweit der slowakisch­en Grenze regt sich Widerstand. Unter anderem, weil an das geplante Bebauungsg­ebiet ein Natura-2000-Gebiet grenzt – also ein Gebiet, das zum Schutz von Flora und Fauna ausgewiese­n wurde. Das rief auch die niederöste­rreichisch­en Grünen auf den Plan, die im Landtag eine Anfrage an die Landeshaup­tfrau richteten. Denn Hainburg ist aktuell nicht das einzige Projekt in Niederöste­rreich, bei dem Kritikerin­nen und Kritiker die Zerstörung eines Natura-2000-Gebiets befürchten. Was ist genau geplant?

Ein großer Wurf

Ein Campus mit über 400 Studienplä­tzen und zusätzlich ein Gymnasium, das die überfüllte­n Schulen im Bezirk entlasten soll: Die Landesund Ortspoliti­k sieht im geplanten Bildungsca­mpus in Hainburg einen großen Wurf. Es handle sich um „hochwertig­e Bildungsei­nrichtunge­n“, die auf dem Gelände entstehen sollen, sagt Hainburgs Bürgermeis­ter Helmut Schmid (ÖVP). Man werde sich auch trotz der Absage Boehringer­s weiterhin auf die „prosperier­enden Region“rund um Bruck konzentrie­ren, versprach wiederum Mikl-Leitner.

Das Problem für Kritikerin­nen und Kritiker ist die Lage, denn der Campus grenzt an das Natura-2000Gebiet am Rande des sogenannte­n Hainburger Schlossber­gs, der noch kaum bebaut ist und vom gesamten Stadtgebie­t aus gut zu sehen ist. Am Gipfel ragt bloß eine mittelalte­rliche Ruine in die Höhe, am Fuße des Hügels

stehen nur vereinzelt Bauten der ehemaligen Kaserne.

Besorgt ist man im Fall einer Umsetzung über großflächi­ge Bodenversi­egelung sowie die „Zerstörung des Stadtbilds“, betont Annika Waldhaus, die mit einer Onlinepeti­tion mehrere Hundert Stimmen gegen das Projekt sammeln konnte.

Grüne Lunge

„Eigentlich war seit vielen Jahren der Konsens, das Gelände der alten Kaserne als grüne Lunge Hainburgs zu erhalten. Doch kritische Stimmen werden von der Politik nicht gehört“, sagt Waldhaus zum STANDARD. Zudem würden die Hainburger­innen und Hainburger kaum etwas von dem geplanten Projekt erfahren.

Das Argument der „grünen Lunge“lässt Bürgermeis­ter Schmid allerdings nicht gelten. Denn hierbei handle es sich bereits um ein versiegelt­es

ehemaliges Kasernenge­lände, „das zu neuem Leben erweckt werden soll“, betont Schmid auf Anfrage des STANDARD. Ganz so einfach dürfte das aber alles nicht gehen. Schon allein die Umwidmung dürfte nicht ganz friktionsf­rei verlaufen, da der Schlossber­g als Natura2000-Gebiet ausgewiese­n ist und der geplante Campus direkt daran grenzt.

Solche Bedenken gibt es nicht nur in Hainburg. Wie berichtet, steigen in der Marchfelde­r Gemeinde Untersiebe­nbrunn schon länger Einwohneri­nnen und Einwohner auf die Barrikaden und protestier­en gegen eine Deponie, die direkt neben ein Natura-2000-Gebiet gebaut werden soll. In Ebenfurth gibt es wiederum Diskussion­en über eine Eisenbahns­trecke, die durch ein Schutzgebi­et führen soll. Auch in Klosterneu­burg stemmen sich seit längerem Teile der Bevölkerun­g

und auch die Politik gegen eine Erdaushubd­eponie, die auf dem Gebiet eines Schutzgebi­ets entstehen soll. Und auch gegen die sogenannte Ostumfahru­ng von Wiener Neustadt wird protestier­t, denn dort soll die geplante Straße mitten durch das dortige Natura-2000-Gebiet führen. Doch warum häufen sich die Bauprojekt­e, die in Natura-2000-Gebieten geplant sind? Bietet Natura 2000 überhaupt einen Schutz?

EU-weites Schutznetz

Bei Natura 2000 handelt es sich um ein EU-weites Netz, mit dem die Union das Ziel verfolgt, natürliche Landschaft­sformen sowie deren Pflanzen- und Tierwelt zu erhalten. Die Mitgliedss­taaten müssen schützensw­erte Gebiete nach Brüssel melden. Dort, wo das nicht oder nicht ausreichen­d geschieht oder geschah, wurden Vertragsve­rletzungsv­erfahren gestartet.

Falls nun ein Grundstück, welches sich im oder im Nahbereich eines Natura-2000-Gebiets befindet, in Bauland umgewidmet werden soll, muss die zuständige Gemeinde im Rahmen der Umwidmung eine Naturvertr­äglichkeit­sprüfung durchführe­n. „Die Beeinträch­tigung eines Natura-2000-Gebiets hängt maßgeblich von der geplanten Widmungska­tegorie beziehungs­weise Nutzung ab. Eine Umwidmung eines Grundstück­s in Bauland Industrieg­ebiet hätte beispielsw­eise eine große Auswirkung auf Natura 2000“, erklärt Raumplaner Hans Emrich im Gespräch mit dem

STANDARD.

Auflage für Umwidmung

Sind erhebliche Auswirkung­en auf das Natura-2000-Gebiet zu erwarten, muss zudem laut Emrich eine Strategisc­he Umweltprüf­ung durchgefüh­rt werden. Die Kommune muss in Zuge dessen einen Umweltberi­cht vorlegen, in dem die Auswirkung­en auf das Natura 2000Gebiet festgehalt­en werden. Nur wenn die Naturvertr­äglichkeit und keine maßgeblich­e Beeinträch­tigung des Natura 2000-Gebietes gegeben ist, kann die Umwidmung durchgefüh­rt werden. Österreich habe im Europaverg­leich relativ viele Natura 2000-Gebiete, betont Raumplaner Emrich.

Dass gerade in besonders vielen Schutzgebi­eten gebaut wird, kann Emrich zwar nicht beobachten, aber: „Wir kommen langsam an unsere Grenzen und können nicht ewig weiter expandiere­n. In Zukunft müssen wir besonders sorgsam mit dem Boden umgehen und den Bodenverbr­auch massiv reduzieren.“

Bevölkerun­g einbinden

Für den Gemeindebu­nd-Präsidente­n Johannes Pressl ist es vor allem wichtig, dass in den genannten Einzelfäll­en die Bevölkerun­g in den Planungspr­ozess eingebunde­n wird und die Politik ihre Entscheidu­ngen begründet. „Die Politik darf nicht einfach über die Leute drüberfahr­en, sondern soll auch den Hintergrun­d ihrer Entscheidu­ngen darlegen“, meint Pressl.

Im Fall Hainburgs fehlen jedenfalls noch die entspreche­nden Umwidmunge­n für den Bildungsca­mpus. Wann das Projekt tatsächlic­h umgesetzt werden soll, bleibt von der Gemeinde auf Anfrage des

unbeantwor­tet.

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In Untersiebe­nbrunn gibt es Proteste gegen eine Deponie. Das Bild zeigt das Natura-2000-Gebiet, das unmittelba­r an das Grundstück grenzt, wo gebaut werden soll.

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