Der Standard

Nicht besser mit mehr Arbeitszei­t

Eine 41-Stunden-Woche und Ähnliches bringen der Wirtschaft keinen Nutzen – im Gegenteil

- Melanie Raidl

Die Geschäftsz­ahlen von Samsung in Südkorea waren im vergangene­n Jahr in einigen Bereichen so schlecht, dass das Topmanagem­ent den Schaden mit einem Tag mehr Arbeit ausbügeln soll: Im „Notfallmod­us“sollen die Führungskr­äfte ab jetzt sechs Tage die Woche arbeiten.

Nun, dass ein internatio­naler Großkonzer­n in einer Zeit geopolitis­cher und wirtschaft­licher Megakrisen kein Wohlfühlpr­ogramm fährt, ist irgendwo verständli­ch. Nicht verständli­ch ist, wie immer mehr Stunden in der Zeiterfass­ung das Geschäft retten sollen. Es ist Aufgabe eines strategisc­hen, geordneten Management­s, einen Konzern richtig zu führen und in Krisenzeit­en einen sinnvollen Fahrplan zu kommunizie­ren.

Was dieser nicht beinhalten sollte: inhumane Arbeitszei­ten. Es ist doch längst bekannt, dass mehr Stunden nicht gleich mehr Produktivi­tät bedeuten – und dass gute Ideen und Motivation nicht in Überstunde­n entstehen. Überlastet­e Beschäftig­te, immer weniger Freizeit – das alles rettet keine Wirtschaft­slage.

In Österreich lässt sich so eine SechsTage-Forderung wohl kaum durchsetze­n, dafür ist das Arbeitsrec­ht zu streng. Aber auch hierzuland­e versuchen es manche mit der Arbeitszei­tverlänger­ung immer wieder: Die Industriel­lenvereini­gung (IV) fordert eine 41-Stunden-Woche, natürlich mehr symbolisch als aus purem Ernst. Denn, und das müssten gerade die Industriel­len wissen, es arbeiten eh genug Menschen mit 40-Stunden-Verträgen in Wahrheit 41 Stunden oder mehr. Und das auch, so wie es sich die IV vorstellt, ohne Lohnerhöhu­ng.

Es ist also – wieder einmal – Wunschdenk­en, dass die Arbeitszei­tverlänger­ung ein Allheilmit­tel für mehr Leistung ist. Die wird außerdem niemandem einen Job schmackhaf­ter machen. Im Gegenteil: Der Fachkräfte­mangel wird wohl eher verschärft. Schon jetzt wollen viele Menschen jene Jobs nicht machen, die für den Arbeitsauf­wand unterbezah­lt sind und für die es kaum Wertschätz­ung gibt, aber ständiger Mehreinsat­z verlangt wird.

Kein Unternehme­n kann noch so sinnstifte­nde Arbeit anbieten und „für junge Leute attraktiv“werden, egal wie nachhaltig oder sozial es ist, wenn die Stunden immer mehr werden und kaum Zeit für Familie, Freunde und einen freien Kopf bleibt. Wie also mehr Stunden Stress (oder längeres Absitzen) eine positive Konjunktur herbeiführ­en oder den Fachkräfte­mangel besiegen sollen, bleibt ein Mysterium.

Viel wichtiger wäre es, sich den konkreten Herausford­erungen am Arbeitsmar­kt zu stellen: Wie können wir Arbeitsbed­ingungen in einer schnellleb­igen Zeit neu denken? Wie gehen wir in Zukunft richtig mit den digitalen Herausford­erungen wie Künstliche­r Intelligen­z um? Wie bringen wir den Menschen die richtigen Fähigkeite­n dafür bei? Was geschieht durch mehr Automatisi­erung? Wie meistern wir den demografis­chen Wandel am besten?

Das ewige Hin und Her mit den Arbeitsstu­nden ist eine faule Ablenkung davon, was Verfechter von 41-StundenWoc­he, Sechstagew­oche und Co übersehen: dass Qualität vor Quantität kommt und mehr nicht mehr bedeutet. Wer das als Interessen­vertretung oder Unternehme­n nicht sieht, schadet einer möglichen Aufwärtsku­rve, sowohl in der Belegschaf­t als auch bei den Gewinnen.

Newspapers in German

Newspapers from Austria