Blinken hofft auf Einlenken der Hamas bei Waffenruhe
US-Außenminister spricht in Riad von einem „außerordentlich großzügigen Angebot“Israels
Seit Wochen, ja Monaten absolviert US-Außenminister Antony Blinken eine krisendiplomatische Tour de Force im Nahen Osten – spätestens seit die Hamas am 7. Oktober des Vorjahres Israel überfiel. Seitdem schlägt Israel mit nicht gekannter militärischer Härte zurück, mit dem Ziel, alle Geiseln zu befreien und die palästinensische Terrororganisation ein für alle Mal zu vernichten. Weder das eine noch das andere Ziel haben die Israel Defence Forces (IDF) bisher erreichen können, doch mit Unterstützung der USA und anderer Player in der nahöstlichen Region könnte demnächst zumindest eine weitere Waffenruhe – in Verbindung mit der Freilassung von Geiseln durch die Hamas – vereinbart werden. Die Rede ist von einer Dauer von 40 Tagen, außerdem könnten tausende Palästinenser aus israelischen Gefängnissen freikommen.
Im Rahmen eines Sondertreffens des Weltwirtschaftsforums (WEF) in der saudi-arabischen Hauptstadt
Riad sprach Blinken am Montag von einem „Vorschlag an die Hamas, der außerordentlich großzügig vonseiten Israels ist“. Die USA hofften als Verbündeter Israels und als Vermittlerin in der Angelegenheit, dass dieses Papier zur Einstellung der israelischen Offensive im Gazastreifen führt – freilich nur als Gegenleistung für die Freilassung aller Geiseln im Gazastreifen. Die Verantwortlichen der Hamas „müssen sich entscheiden, und sie müssen sich rasch entscheiden“, so Blinken, der hinzufügte: „Ich bin zuversichtlich, dass sie die richtige Entscheidung treffen werden.“
Ebenfalls am Montag reiste eine Delegation der Hamas nach Kairo, um in der ägyptischen Hauptstadt über Details eines neuen Vorschlags für einen Kompromiss mit Israel zu sprechen. Unterstützt wurde US-Außenminister Blinken durch seinen ägyptischen Amtskollegen Sameh Shoukry, der sich „zuversichtlich“zeigte, dass es – nach einer ersten Feuerpause Ende November 2023 – zu einer weiteren Waffenruhe kommen könnte.
In diesem Zusammenhang rechnet die israelische Regierung schon seit Tagen mit der Ausstellung internationaler Haftbefehle gegen Ministerpräsident Benjamin Netanjahu, Verteidigungsminister Yoav Gallant und Generalstabschef Herzi Halevi durch den Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag. Chefankläger Karim Khan und sein Team ermitteln seit 2021 – also schon lange vor dem Hamas-Überfall auf Israel und dessen Angriffe im Gazastreifen –, einerseits gegen die Hamas, andererseits aber auch gegen Israel wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen im Gazastreifen. Auch zur wiederholten, mancherorts geradezu systematischen Gewalt radikaler israelischer Siedler im Westjordanland laufen Untersuchungen.
Auf der internationalen Bühne könnte sich auch Bewegung abzeichnen in Sachen Anerkennung eines palästinensischen Staates: Wie der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell am Montag in Riad mitteilte, bemüht sich eine Gruppe von EU-Staaten rund um Spanien und Irland, weitere Partnerländer davon zu überzeugen, Palästina anzuerkennen. Das könnte Borrell zufolge schon bis Ende Mai passieren.
Erneutes Veto der USA
140 der 193 UN-Mitgliedstaaten haben den Staat Palästina bereits anerkannt. Israel als unmittelbarer Nachbar, die USA, die DACH-Länder (Deutschland, Österreich, Schweiz) und viele weitere westliche Staaten tun dies zwar nicht, sie pflegen aber zumindest offizielle Beziehungen. Erst vor wenigen Tagen, am 18. April, hatten die USA – trotz aller Kritik nach wie vor der engste Verbündete Israels – ein Veto gegen einen Resolutionsentwurf des UN-Sicherheitsrats eingelegt, das Palästina zum Vollmitglied der Vereinten Nationen hätte verhelfen sollen.