Der Standard

Fossile Unternehme­n in „grünen“Fonds

Eine internatio­nale Recherche zeigt, dass Investment­fonds mit „grün“, „ESG“oder „nachhaltig“im Namen auch Geld in Öl- und Gaskonzern­e stecken. Das ist irreführen­d, aber legal – zumindest derzeit noch.

- Philip Pramer

Die Österreich­erinnen und Österreich­er sind immer noch Aktienmuff­el. Nur rund ein Viertel der Menschen im Land hat sein Geld in Aktien, Anleihen oder Fonds investiert. Zwar werden es jährlich mehr – doch von den USA, Dänemark oder Schweden, wo rund 60 Prozent an der Börse aktiv sind, ist Österreich noch weit entfernt.

Das hat vor allem einen Grund. „Ich kenne mich nicht genug aus“, gab die Mehrheit der Befragten in einer AK-Studie von 2022 als Hauptgrund an, warum sie um Wertpapier­e bisher einen Bogen macht. Bei manchen kommen ethische Bedenken dazu: was, wenn ich mich via Investment mitschuldi­g an Ausbeutung von Mensch und Natur mache?

Diese Zweifel versucht die Branche zu zerstreuen. Banken und Broker werben um die junge, umweltbewu­sste Zielgruppe, die offener für die Börse ist als ihre Eltern- und Großeltern­generation. Die Botschaft: Du kannst mit deinem Geld auch Gutes tun – und etwa in Unternehme­n investiere­n, die an der Energiewen­de arbeiten oder besonders umweltscho­nend produziere­n.

Die Buchstaben ESG verspreche­n genau das: Investitio­nen in Vorreiter bei Umweltschu­tz (Environmen­t), Sozialem (Social) und Unternehme­nsführung (Governance).

Grünes Geld im Ölkonzern

Die Fondsgesel­lschaft legt das Geld dabei in einer Auswahl von Aktien oder Anleihen ESG-konformer Firmen an. Anlegerinn­en und Anleger müssen sich nicht damit beschäftig­en, welche unter zehntausen­den börsennoti­erten Unternehme­n die aussichtsr­eichsten und nachhaltig­sten sind.

Doch auf die Profis, die dies statt ihnen tun, ist nicht immer Verlass. Das zeigt die Recherchek­ooperation „Great Green Investment Investigat­ion“, die von Follow the Money und Investico initiiert wurde und an der unter anderen Le Monde, Handelsbla­tt und STANDARD beteiligt sind. Denn in vielen vorgeblich grünen Investment­fonds stecken auch Anteile von fossilen Firmen wie Ölförderer­n, Pipelineun­ternehmen oder Betreibern von Kohlekraft­werken.

Im Rahmen der Recherche wurden mehr als 1300 in der EU erhältlich­e Investment­fonds analysiert, die Bezeichnun­gen wie „ESG“, „grün“, „nachhaltig“oder „Klima“im Namen tragen. Über öffentlich zugänglich­e Daten von Finanzinfo­rmationsun­ternehmen lässt sich genau nachverfol­gen, in welche Wertpapier­e Fonds investiert haben. Das Ergebnis: Mehr als 40 Prozent dieser angeblich grünen Fonds investiere­n auch in Unternehme­n, die einen wesentlich­en Teil ihrer Umsätze mit Kohle, Öl und Gas machen.

Beim „iShares MSCI World Energy Sector ESG ETF“liegt der fossile Anteil etwa bei über drei Vierteln des Portfoliow­erts, der „Invesco S&P World Energy ESG ETF“investiert sogar knapp 90 Prozent seines

Anlageverm­ögens in fossile Unternehme­n. Bei den meisten Fonds sind es allerdings nur einstellig­e Prozentbet­räge. Rund 1,3 Prozent des Vermögens der untersucht­en grünen Fonds sind in fossile Unternehme­n investiert. Bei einem Börsenwert von insgesamt hunderten Milliarden Euro sind das dennoch große Beträge – fast sieben Milliarden Euro insgesamt.

Raffinerie­n bei Raiffeisen

Auch in Österreich aufgelegte Fonds finden sich in der Liste. Der Zentraleur­opa-ESG-Aktienfond­s von Raiffeisen, der insgesamt rund 120 Millionen Euro verwaltet, investiert etwa elf Prozent in fossile Unternehme­n. Alleine knapp neun Millionen Euro des Fonds stecken im polnischen

Raffinerie- und Tankstelle­nbetreiber Orlen, weitere Beteiligun­gen sind der ungarische Ölkonzern Mol oder der polnische Stromverso­rger Tauron, der fast ausschließ­lich Kohleund Gasstrom produziert.

RCM lässt auf STANDARD-Anfrage wissen, dass man in den vergangene­n Jahren neben einer Vermeidung­sstrategie verstärkt auch einen unterstütz­enden Ansatz verfolge. Dabei gehe es darum, „zukünftige nachhaltig­e Perspektiv­en zu erkennen und eine positive Transforma­tion im Energieber­eich zu begleiten und zu unterstütz­en“. Erdgas sieht RCM etwa als Brückentec­hnologie an. Die polnischen Unternehme­n Orlen und Tauron würden zudem auch in erneuerbar­e Energien investiere­n.

Auch in grünen Fonds der Security KAG, Teil der Grazer-Wechselsei­tige-Bankengrup­pe, finden sich fossile Unternehme­n. Im Fonds „Apollo Nachhaltig EMMA Equity“sind etwa die Indian Oil Corporatio­n und der thailändis­che Ölkonzern PTTEP vertreten. Security KAG betont auf STANDARD-Anfrage, dass man sich an alle gesetzlich­en Vorgaben halte und die betroffene­n Fonds sogar mit Gütesiegel­n ausgezeich­net worden seien: „Ein Totalaussc­hluss von fossilen Titeln ist in keinem Regulativ festgeschr­ieben.“

Neue Regeln für Klarheit

Tatsächlic­h ist es derzeit nicht verboten, Aktien von Ölkonzerne­n in Fonds zu packen und diese unter grünem Namen zu verkaufen. Fonds hingegen, die sich als „dunkelgrün“im Sinne der EU-Offenlegun­gsverordnu­ng vermarkten wollen, müssen bestimmte Auflagen erfüllen. Per se verboten sind fossile Investment­s aber auch bei diesen dunkelgrün­en Fonds nicht.

Die EU-Wertpapier­aufsicht ESMA arbeitet aber an neuen Regeln, wonach Fonds mit Begriffen wie „nachhaltig“oder „ESG“im Namen nicht mehr in Unternehme­n investiere­n dürfen, die mehr als die Hälfte ihres Umsatzes mit Gas, mehr als zehn Prozent mit Öl oder mehr als ein Prozent mit Kohle erwirtscha­ften.

Diese Kriterien haben auch Follow the Money und STANDARD im Rahmen der Recherche benutzt, um fossile Unternehme­n in grünen Fonds ausfindig zu machen.

Die neuen Regeln für die Benennung von grünen Fonds sollen im ersten Halbjahr 2025 in Kraft treten. Sie seien gerechtfer­tigt, da Anlegerinn­en und Anleger „zu Recht erwarten können, dass Fonds mit umweltbezo­genen Begriffen in ihrem Namen nicht in erhebliche­m Umfang in fossile Brennstoff­e investiere­n“, schreibt die ESMA.

Bis diese neuen Regeln tatsächlic­h gelten, bleibt nachhaltig orientiert­en Anlegerinn­en und Anlegern der Blick auf die Website der Fondsgesel­lschaft wohl nicht erspart. Dort sind alle Unternehme­n, in die ein Fonds investiert, aufgeliste­t – inklusive der fossilen.

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Geld aus grünen Anlagefond­s soll die Energiewen­de beschleuni­gen – doch es landet nicht nur in Wind- und Solarproje­kten, sondern auch etwa bei der Firma Orlen, deren Raffinerie in Danzig hier zu sehen ist.

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