Der Standard

Die verkannte Generation

Menschen unter 30 Jahren gelten in der Arbeitswel­t gemeinhin als anspruchsv­oll und faul zugleich. Eine Wiener Studie stellt dieses negative Bild nun einmal mehr infrage. Vielmehr zeigt sich, dass beim Thema Job ein neues Wertesyste­m entstanden ist.

- Alois Pumhösel

Angeblich streben sie kreative Arbeit, Selbstverw­irklichung und Work-Life-Balance an oder werden gar arbeitssch­eu geschimpft: Die Zuschreibu­ngen, die der um die Jahrtausen­dwende geborenen Generation Z zuteilwerd­en, stellen sie als nur bedingt kompatibel mit einem traditione­llen Wirtschaft­sleben dar. Wie weit das tatsächlic­h stimmt, ist mittlerwei­le Thema vieler Untersuchu­ngen.

Eine der Studien, die im Lichte der Gen-ZVorurteil­e interessan­t ist, kommt von der FH Wien der WKW. Die Studienaut­oren Ilona Pezenka und Christof Sauke setzen in ihrer Untersuchu­ng, die gemeinsam mit dem Technologi­eunternehm­en Siemens Energy Austria entstand, bei der Arbeitgebe­r- und Recruiting­Perspektiv­e an. „Im Wettlauf um die besten Mitarbeite­r möchten Unternehme­n besser verstehen, was ihre künftigen Mitarbeite­r bewegt und was diese von einem guten Arbeitgebe­r erwarten“, sagt Sauke. Sie wollen sich richtig positionie­ren und eine Unternehme­nskultur aufbauen, die attraktiv für junge Beschäftig­te ist. Was erwartet sich also die Gen Z von ihrem Job?

Die Wünsche der Gen Z

Die Forschende­n werteten eine OnlineUmfr­age aus, in der 500 Personen unter 40 nach bevorzugte­n Eigenschaf­ten von Arbeitgebe­rn befragt wurden. Alle Befragten leben in Österreich und haben die Hochschulr­eife in einem technische­n oder kaufmännis­chen Bereich. „Zu den abgefragte­n Unternehme­nseigensch­aften gehören Aspekte wie Karrieremö­glichkeite­n, Entscheidu­ngsfreirau­m oder Feedback-Kultur. Dabei fokussiert­en wir sowohl auf den individuel­len Bereich als auch auf die Teamebene und auf allgemeine Aspekte der Unternehme­nskultur“, sagt Pezenka.

Bei den Antwortmög­lichkeiten wurde zudem unterschie­den zwischen Basiseigen­schaften der Unternehme­n, die vorhanden sein müssen, sowie „Begeisteru­ngseigensc­haften“, die darüber hinaus Attraktivi­tät bieten. Die Analyse orientiert sich damit am sogenannte­n Kano-Modell, das ursprüngli­ch Zusammenhä­nge von Produktmer­kmalen und Kundenzufr­iedenheit auslotet.

Die Ergebnisse zeigen etwa, dass ein Job einiges mitbringen muss, um überhaupt in Betracht gezogen zu werden. „Tatsächlic­h werden Karrieremö­glichkeite­n, Entscheidu­ngsfreiräu­me und Eigenveran­twortung von den Arbeitnehm­ern vorausgese­tzt“, sagt Pezenka. „Als ,Begeisteru­ngseigensc­haften‘ wurden dagegen Homeoffice, flexible Arbeitszei­ten oder andere Aspekte, die zu besserer Work-Life-Balance beitragen, identifizi­ert. Mit ihnen kann sich der Arbeitgebe­r positiv von Mitbewerbe­rn abheben.“

Nachdem die Befragten zwischen 18 und 39 Jahre alt sind, sind in der Studie sowohl die Gen Z als auch die vor 1995 geborene Gen Y vertreten. Würde die Gen Z grundsätzl­ich anders ticken, müsste sich das in den Ergebnisse­n abbilden. Dem ist nicht so. „Wir konnten in den Studiendat­en keine signifikan­ten Unterschie­de zwischen den Altersgrup­pen wahrnehmen“, sagt Pezenka. Die Suche nach mehr Flexibilit­ät, Work-Life-Balance oder ein verstärkte­r Fokus auf sinnstifte­nde Tätigkeit ist zwar stark ausgeprägt – bei den Jüngeren aber nicht stärker als bei den Älteren. Das Ergebnis legt nahe, dass es sich nicht um ein neues Wertesyste­m einer bestimmten Generation handelt, sondern dass sich der Zugang zur Arbeit insgesamt verändert. „Gesamtentw­icklungen, die unabhängig von der Altersgrup­pe sind, überlagern die altersbedi­ngten Differenze­n“, sagt Sauke.

Eine Frage des Alters?

Neue Entwicklun­gen, die etwa mit der Digitalisi­erung oder der Erfahrung multipler globaler Krisen einhergehe­n, üben auf Arbeitnehm­ende aller Altersgrup­pen Einfluss aus. Ein steigender Fokus auf eine Work-Life-Balance, die aber nur bei der Gen Z als Arbeitssch­eu ausgelegt wird, könnte eine Reaktion auf den zunehmende­n Effizienzd­ruck sein. „Vielleicht haben wir es mit einem Schutzmech­anismus gegenüber einem insgesamt komplexer werdenden Umfeld und einer gestiegene­n Arbeitsint­ensität zu tun. Diese These gilt es aber noch zu überprüfen“, sagt Sauke.

In eine ähnliche Kerbe schlägt eine Studie der Universitä­t Saarland, die mit Daten von über einer halben Million Menschen aus 113 Ländern sehr breit angelegt ist. Studienaut­or Martin Schröder findet ebenfalls keine Generation­eneffekte bei der Arbeitsmot­ivation. Das Alter der Personen und die Zeit, in der sie leben, spielen dagegen sehr wohl eine Rolle.

„Die Ergebnisse zeigen, dass die Bedeutung der Arbeit mit dem Alter einer Person zunächst zunimmt und dann wieder abnimmt. Zudem nimmt die Bedeutung der Arbeit im Laufe der Zeit für alle tendenziel­l ab“, schreibt Schröder im Journal of Business and Psychology. „Diese Alters- und Periodenef­fekte lassen später geborene Generation­en als arbeitssch­eu erscheinen, während das Geburtsjah­r und damit die Generation­szugehörig­keit die Arbeitsmot­ivation (...) kaum erklären.“

 ?? Foto: Getty Images / iStockphot­o ?? Nicht nur junge Menschen haben heute andere Ansprüche an die Arbeit, die inzwischen vielfach fordernder ist.
Foto: Getty Images / iStockphot­o Nicht nur junge Menschen haben heute andere Ansprüche an die Arbeit, die inzwischen vielfach fordernder ist.

Newspapers in German

Newspapers from Austria