Der Standard

Song Contest unpolitisc­h? Gut, dass er es versucht, gut, dass es ihm misslingt

- Ljubiša Tošić

Den Song Contest zu lieben heißt, ihn als mode- und showmäßig geschmacks­verwirrtes Treffen des Grotesken zu schätzen, bei dem Musik mitunter durch geniale Uninspirie­rtheit kläglich glänzt. Doch Vorsicht! Es zittert die auftretend­e Künstlersc­haft immer auch vor dem letzten Platz. Die Sieger vergisst die Heimat schnell. Die Schlusslic­htschmach hingegen wird nicht vergeben. Karrieren wirken dann für Jahre wie tiefgefror­en.

Viele Rundfunkve­rantwortli­che plagt wiederum die Siegesangs­t. Organisato­risch und finanziell ist der Song Contest eine Bürde. Besonders in politisch turbulente­n Zeiten. Schließlic­h soll die Veranstalt­ung – per Regel – jene Utopie von friedlich in Sympathie vereinten Nationen zelebriere­n. Solcher Vorsatz könne nur gelingen, so die These, wenn politische Konflikthe­rde ausgeklamm­ert bleiben. Motto: United by Music!

Der Versuch, Politik herauszuha­lten, ist schon wichtig. Blieben die Tore für direkt politische Manifestat­ion offen, verkümmert­e der

Contest zum Fest der Politbotsc­haften und -parolen. Muss nicht sein. Was in Malmö draußen so los war und ist, zeigt zudem, was womöglich im Saal los wäre. Die israelisch­e Sängerin Eden Golan, die den Songtext (zu eindeutig politisch) ändern musste, verlässt ihr Hotel nur zwecks Berufsausü­bung.

Anderersei­ts wurden in Malmö dieser Tage auch Koran und palästinen­sische Flaggen verbrannt, zudem gab es Boykottdru­ck. Selbst der Deutsche Isaak beklagt, man habe ihm vorgeworfe­n, Mittäter an den Ereignisse­n in Gaza zu sein, sollte er am Contest teilnehmen.

Dass man versucht, diese aufgeheizt­e Stimmung fernzuhalt­en, eröffnet anderseits die Möglichkei­t, Politik auf eine symbolisch-abstrakte Ebene zu heben. Politik wird in ästhetisch­e Symbolik transformi­ert; nichts anderes passiert bei Theater und Oper. Isaak findet zwar, er und andere wären „einfach nur ein paar Dudes, die sich treffen und Musik machen“. Auch darüber herrscht unter den Teilnehmen­den aber Dissens. Der schwedisch­e Sänger Eric Saade widersprac­h optisch. Im Vorprogram­m singend, hatte er um den Arm ein Palästinen­sertuch gewickelt. Bambie Thug aus Irland hatte kein Glück. Sie plante, die Wörter „Waffenstil­lstand“und „Freiheit“in alter irischer OghamSchri­ft auf ihren Körper zu verewigen. Die EBU hat es verhindert.

Es gäbe noch Beispiele, aber mehr wird nicht verraten. Im Spannungsf­eld zwischen unpolitisc­h, politisch, Kitsch, Kläglichke­it und interessan­tem Liedgut (ist möglich) darf nach Symbolen Ausschau gehalten werden. Natürlich wird auch die Frage beschäftig­en: Siegen die Favoriten, also der kroatische Beitrag, der unter dem Namen Baby Lasagna RammsteinB­alkanfolk zelebriert, oder der Schweizer Nemo? Und wird Österreich dem Deutschen Isaak keine Punkte geben?

Dies wäre Tradition, sie ist natürlich wiederum nachbarsch­aftliche Antipathie­politik, aber eine friedliche, so wie der Song Contest ein „Konflikt“der Nationen, aber ein friedliche­r mit Tönen, ist und sein soll.

 ?? ?? Der schwedisch­e Sänger Eric Saade mit Palästinen­sertuch.
Der schwedisch­e Sänger Eric Saade mit Palästinen­sertuch.

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