Song Contest unpolitisch? Gut, dass er es versucht, gut, dass es ihm misslingt
Den Song Contest zu lieben heißt, ihn als mode- und showmäßig geschmacksverwirrtes Treffen des Grotesken zu schätzen, bei dem Musik mitunter durch geniale Uninspiriertheit kläglich glänzt. Doch Vorsicht! Es zittert die auftretende Künstlerschaft immer auch vor dem letzten Platz. Die Sieger vergisst die Heimat schnell. Die Schlusslichtschmach hingegen wird nicht vergeben. Karrieren wirken dann für Jahre wie tiefgefroren.
Viele Rundfunkverantwortliche plagt wiederum die Siegesangst. Organisatorisch und finanziell ist der Song Contest eine Bürde. Besonders in politisch turbulenten Zeiten. Schließlich soll die Veranstaltung – per Regel – jene Utopie von friedlich in Sympathie vereinten Nationen zelebrieren. Solcher Vorsatz könne nur gelingen, so die These, wenn politische Konfliktherde ausgeklammert bleiben. Motto: United by Music!
Der Versuch, Politik herauszuhalten, ist schon wichtig. Blieben die Tore für direkt politische Manifestation offen, verkümmerte der
Contest zum Fest der Politbotschaften und -parolen. Muss nicht sein. Was in Malmö draußen so los war und ist, zeigt zudem, was womöglich im Saal los wäre. Die israelische Sängerin Eden Golan, die den Songtext (zu eindeutig politisch) ändern musste, verlässt ihr Hotel nur zwecks Berufsausübung.
Andererseits wurden in Malmö dieser Tage auch Koran und palästinensische Flaggen verbrannt, zudem gab es Boykottdruck. Selbst der Deutsche Isaak beklagt, man habe ihm vorgeworfen, Mittäter an den Ereignissen in Gaza zu sein, sollte er am Contest teilnehmen.
Dass man versucht, diese aufgeheizte Stimmung fernzuhalten, eröffnet anderseits die Möglichkeit, Politik auf eine symbolisch-abstrakte Ebene zu heben. Politik wird in ästhetische Symbolik transformiert; nichts anderes passiert bei Theater und Oper. Isaak findet zwar, er und andere wären „einfach nur ein paar Dudes, die sich treffen und Musik machen“. Auch darüber herrscht unter den Teilnehmenden aber Dissens. Der schwedische Sänger Eric Saade widersprach optisch. Im Vorprogramm singend, hatte er um den Arm ein Palästinensertuch gewickelt. Bambie Thug aus Irland hatte kein Glück. Sie plante, die Wörter „Waffenstillstand“und „Freiheit“in alter irischer OghamSchrift auf ihren Körper zu verewigen. Die EBU hat es verhindert.
Es gäbe noch Beispiele, aber mehr wird nicht verraten. Im Spannungsfeld zwischen unpolitisch, politisch, Kitsch, Kläglichkeit und interessantem Liedgut (ist möglich) darf nach Symbolen Ausschau gehalten werden. Natürlich wird auch die Frage beschäftigen: Siegen die Favoriten, also der kroatische Beitrag, der unter dem Namen Baby Lasagna RammsteinBalkanfolk zelebriert, oder der Schweizer Nemo? Und wird Österreich dem Deutschen Isaak keine Punkte geben?
Dies wäre Tradition, sie ist natürlich wiederum nachbarschaftliche Antipathiepolitik, aber eine friedliche, so wie der Song Contest ein „Konflikt“der Nationen, aber ein friedlicher mit Tönen, ist und sein soll.