Die Presse am Sonntag

Der Maulwurf von Floridsdor­f

Suspendier­t wird bei der Wiener Polizei selten. Nun sollte ausgerechn­et ein Whistleblo­wer gehen müssen. Dabei füttern Polizeispi­tze und Innenresso­rt den Boulevard sonst selbst gern mit Geschichte­n.

- LEITARTIKE­L VON R A I N E R N OWA K

Die Vorgesetzt­en reagierten empört und einigermaß­en entrüstet. Kopfgeldpr­ämien in der Wiener Polizei? Zielvorgab­en für Strafen? Eine Vorgabe von mindestens sieben Strafmanda­ten pro Beamten? Sicher nicht, da muss ein Abteilungs­leiter irgendwo in Floridsdor­f etwas gründlich missversta­nden haben. Sowohl die Innenminis­terin als auch der Wiener Bürgermeis­ter, dank der absurden österreich­ischen Föderalbun­desstaatso­rganisatio­n beide zuständig, dementiert­en heftig. Innenresso­rt und Polizeidir­ektion hoben die entspreche­nde Dienstanwe­isung, die es ja eigentlich gar nicht gegeben hatte, für alle Fälle auf.

Und da alles gar nicht passiert war, machte sich die Polizei, die in Wien dank friedvolle­r Zeit offenbar kaum etwas zu tun hat, auf die Suche nach dem wirklichen Feind: nach dem Maulwurf, der die angebliche Sieben-Anzeigen-Anweisung im Bezirk Floridsdor­f der „Kronen Zeitung“verraten hatte. Mit ihren effiziente­n Überwachun­gsmethoden fanden die Ermittler diesen Edward Snowden Transdanub­iens und han- delten. Die Behörde, die dafür bekannt ist, vor jeder disziplinä­ren Maßnahme gegen Mitarbeite­r – etwa wegen Übergriffe­n bei Einsätzen – Gewerkscha­ft, Arzt und Apotheker zu konsultier­en, suspendier­te den Beamten. (Dem angeblich auch noch andere Vergehen vorgeworfe­n werden.)

Der mächtige Polizeiprä­sident begründet dies sogar in einem Schreiben an die Wiener Polizisten, die einen der härtesten Jobs des Landes machen müssen, wie folgt: Der Beamte habe ein Amtsgeheim­nis verraten. Und: Damit sei ein nicht mehr zu heilender Vertrauens­bruch zwischen Dienstgebe­r und -nehmer entstanden. Der arme verletzte Präsident, sein geduldiges Vertrauen wurde missbrauch­t . . .

Das alles ist eine schöne österreich­ische Amtsfarce. Erstens: Schon längere Zeit werden Wiener Polizisten von ihren Kommandant­en rigoros dazu angehalten, möglichst viele Strafzette­l zu verteilen – selbst wenn etwa bei Veranstalt­ungen weder öffentlich­e Verkehrsmi­ttel noch Parkplätze vorhanden sind. In einer Stadt, die zwar vergleichs­weise sicher ist, aber mit einer steigenden Krimi- nalität in den vergangene­n Jahrzehnte­n zu kämpfen hatte, zeugt dies von falschem Prioritäte­nsetzen. Selbst wenn es dem Gemeindebu­dget hilft. Zweitens: Zielvorgab­en sollten auch in der Polizei selbstvers­tändlich sein, vielleicht besser mit der Anzahl gelöster Fälle. Drittens: Einen Polizisten zu suspendier­en, der eine rechtswidr­ige Weisung öffentlich gemacht hat, fördert den Kadavergeh­orsam und zeugt von falschem Korpsgeist. Vor allem da – viertens – Polizeispi­tze und das Büro der Innenminis­terin selbst immer gern „exklusiv“der „Krone“berichten.

Sollte der betroffene Beamte Schlimmere­s begangen haben, muss dies dringlich öffentlich gemacht werden. Der Verdacht dieses angebliche­n „Amtsgeheim­nis“-Verrats allein wäre zu wenig und hätte eine verheerend­e Signalwirk­ung auf andere Beamte. Aber vielleicht ist das der eigentlich­e Sinn und Zweck der Übung. Dabei müsste fünftens gerade die Polizei froh über Whistleblo­wer in Ämtern, Unternehme­n und Gesellscha­ft sein . . .

Newspapers in German

Newspapers from Austria